Jobs für Menschen mit Behinderung Menschen mit Schwerbehinderung in Mansfeld-Südharz: Tischlerei ist positives Beispiel für Arbeitsintegration

Sangerhausen - Großgewachsen, breite Schultern, kräftige Hände - wer René Bauer sieht, traut ihm einen Job in der Tischlerei durchaus zu. Trotzdem ist es etwas Besonderes, dass er seit dem April vergangenen Jahres im Holzbauunternehmen Rainer Böhme in Sangerhausen angestellt ist. René Bauer hat eine Lernbehinderung und keine Berufsausbildung absolviert. Er gilt als schwerbehindert.
Im Christlichen Jugenddorf in Sangerhausen arbeitete er zunächst im Holzbereich, kam dann in die Reinigungskolonne. „Das war aber überhaupt nichts für mich“, erzählt der 29-Jährige.
Holzbauunternehmer Rainer Böhme stellte bereits drei Schwerbehinderte ein
Es zog ihn zurück zum Holz. Und Geschäftsführer Rainer Böhme gab ihm eine Chance. Nach mehreren Praktika in der großen Tischlerei auf dem früheren Schachtgelände stellte er den jungen Mann im vergangenen Jahr als Hilfstischler ein.
René Bauer packt überall mit an, wo er gebraucht wird, fährt auch mit auf Montage. Und es macht ihm Spaß. Genau das war für den Chef damals der Grund, ihn einzustellen. „Wenn ich sehe, dass jemand den Willen und auch Freude an der Arbeit hat, dann sind wir bereit, andere Hürden aus dem Weg zu räumen“, sagt er. Bei René Bauer hat er sie jedenfalls gesehen, die Begeisterung für das Arbeiten mit Holz.
Neben ihm hat Böhme noch einen zweiten schwerbehinderten jungen Mann eingestellt. Damit ist die Firma ein Paradebeispiel für die Arbeitsagentur, die im Umfeld des Internationalen Tages der Menschen mit Behinderung am 3. Dezember stets auch darauf hinweist, wie wichtig Chancen für Behinderte auf dem Arbeitsmarkt sind.
Nur Betriebe mit mehr als 20 Mitarbeitern müssen Schwerbehinderte beschäftigen
„Herr Böhme wäre gesetzlich eigentlich gar nicht verpflichtet, jemanden mit einer schweren Behinderung einzustellen“, sagte Kay Senius, Geschäftsführer der Regionaldirektion Sachsen-Anhalt/Thüringen der Arbeitsagentur, am Freitag bei einem Betriebsbesuch in der Sangerhäuser Tischlerei. Erst Betriebe mit mehr als 20 Mitarbeitern müssen mindestens fünf Prozent Schwerbehinderte beschäftigen - oder eine Abgabe zahlen, wenn sie es nicht tun.
Viele entscheiden sich für Letzteres und dem will die Arbeitsagentur mit Information entgegenwirken. Denn die pauschale Entscheidung gegen Schwerbehinderte habe sehr viel mit Vorurteilen und Unwissenheit zu tun, sagt Martina Scherer, die Leiterin der Arbeitsagentur Sangerhausen.
Ende November waren im Landkreis Mansfeld-Südharz 307 schwerbehinderte Menschen arbeitslos gemeldet. 96 von ihnen wurden von der Agentur für Arbeit betreut und 211 vom Jobcenter.
Während die Arbeitslosenquote im Landkreis im Vergleich zum Vorjahr um mehr als zehn Prozent sank, verringerte sie sich bei den Arbeitslosen mit einer schweren Behinderung nur um 5,8 Prozent.
Laut Statistik der Arbeitsagentur ist der größte Teil der arbeitslosen Schwerbehinderten männlich und mindestens 55 Jahre alt.
Nach dem Gesetz müssten in den Unternehmen mit mehr als 20 Beschäftigten im Landkreis mindestens 965 Schwerbehinderte angestellt sein. Weil viele Unternehmen lieber die Ausgleichsabgabe zahlen, sind es tatsächlich nur 775. Das entspricht einer Quote von 3,7 Prozent (Landesdurchschnitt: 3,6).
Die Folgen sind deutlich auf dem Arbeitsmarkt abzulesen. Während im Landkreis Mansfeld-Südharz die allgemeine Arbeitslosigkeit im Vergleich zum Vorjahr um mehr als ein Zehntel zurückging, sank sie in der Gruppe der schwerbehinderten Arbeitslosen nur halb so stark. Die Statistik sagt: Schwerbehinderte sind häufiger und länger arbeitslos. Im Schnitt dauert es mehr als zwei Jahre, bis sie wieder einen Job finden.
Arbeitsagentur unterstützt Beschäftigung von Schwerbehinderten mit Zuschüssen
„Aber wenn ein Mensch mit einer Behinderung für einen passenden Arbeitsplatz ausgewählt wird, dann kann er voll leistungsfähig sein“, wirbt Kay Senius bei den Unternehmern für mehr Offenheit. Die Arbeitsagentur unterstützt die Ausbildung und Beschäftigung von Schwerbehinderten mit Zuschüssen, die je nach Fall bis zu 75 Prozent der Vergütung betragen können.
Auch die Befürchtung, ein schwerbehinderter Arbeitnehmer sei quasi unkündbar, stimmt so nicht, sagt Senius. „Einer solchen Kündigung stimmt das Integrationsamt zu, wenn die Gründe nachvollziehbar sind“, sagt er. Die Erfahrung zeige, dass das Amt vier von fünf betriebsbedingten Kündigungen grünes Licht gibt.
Bei der Arbeitsagentur sieht man die Vorteile, die sich durch Integration ergeben, nicht nur auf der Seite der Menschen mit Behinderung. Auch für Arbeitgeber kann es eine Chance sein, wenn sie jemandem eine Chance geben. „Da wird viel Potenzial verschenkt“, sagt Martina Scherer. (mz)