Mansfeld-Südharz Mansfeld-Südharz: Geheimes Breitunger Käse-Rezept
BREITUNGEN/MZ. - Die "Chronistischen Aufzeichnungen der Gemeinde Breitungen" berichten, dass 1886, vor 125 Jahren, im Ort eine Käsefabrik gegründet wurde. Gründer soll Ernst Rumpf gewesen sein. Offensichtlich war es aber nicht er, sondern sein Vater, der Handelsmann Johann Friedrich Moritz (1849-1914). Die Pfarrchronik nennt ihn als ersten Käsefabrikanten in Breitungen. Sein Sohn Wilhelm Ernst Rumpf (1880-1929) wurde erst in den 1920er Jahren als Inhaber erwähnt.
Bei Rumpfs wurde nunmehr der in der Region ziemlich verbreitete Sauermilchkäse mit seinem typischen Geschmack fabrikmäßig und in größerer Stückzahl hergestellt. Dabei handelte es sich um eine Käsesorte, die von den Bauern vermutlich schon seit Jahrhunderten hergestellt wurde. Schließlich fiel bei der Milchverarbeitung in den bäuerlichen Haushalten auch Magerquark an. Man gab ihm verschiedene Gewürze wie Salz und Kümmel bei und formte die Masse zu handgroßen, rundlichen Batzen. Die kleinen Käseleiber ließ man auf strohbedeckten Brettern unter der Zimmerdecke einige Tage reifen. Mit fortschreitendem Reifeprozess entströmte dem Käse ein sehr markanter Duft und er entwickelte seinen typischen Geschmack.
Die genaue Rezeptur war ein streng gehütetes Familien- und auch Betriebsgeheimnis bei Familie Rumpf. Der Käse enthält so gut wie kein Fett, aber viel Eiweiß. Am besten schmeckt er auf einer Fettbemme, dazu eine saure Gurke.
Mit Hundegespann unterwegs
Die Breitunger Chronik berichtet ausführlich über die Geschichte der Käsefabrik. Das Unternehmen entwickelte sich langsam, aber stetig. Zunächst zog der Firmengründer mit einem Hundegespann zu den Bauern in den umliegenden Orten, um Magerquark zu holen, und auch nach Nordhausen. Dort bot er auf dem Markt den fertigen Käse an. Der Marktpreis für ein Schock Käse (60 Stück) betrug im Jahre 1890 vier Mark.
Später kaufte Familie Rumpf Pferde und stellte den Breitunger Karl Müller als Gespannführer ein. Am großen Festumzug zum Heimatfest 1928 beteiligte sich die Käserei mit "Duftenden Grüßen aus dem Harz". Ernst Rumpf verstarb 1929 im Alter von 49 Jahren. Den elterlichen Betrieb führte ab da sein Sohn Wilhelm Carl Fritz Rumpf (1904-1971). Jener baute eine neue, größere Produktionsanlage auf. In den 1930er Jahren nahm er mit dem Breitunger Sauermilchkäse an den Landwirtschaftsausstellungen in Hamburg, Frankfurt und München teil. Jedes Mal erhielt der Käse aus Breitungen einen ersten Preis und wurde deutschlandweit bekannt.
Bis zum Ausbruch des Zweiten Weltkrieges wuchs der Fuhrpark auf drei Lastkraftwagen an. Die Breitunger Kinder verdienten sich nach der Schule Geld mit dem Nageln von Käsekisten: pro Stück gab es dafür zwei Pfennige und je 100 Stück zusätzlich einen Käse, berichtet die Chronik. Der Betrieb überstand den Krieg und die Nachkriegszeit unbeschadet. Im Jahre 1959 wurde das bis dahin rein private Unternehmen halbstaatlich und 1972 in einen volkseigenen Betrieb umgewandelt. Auf der Landwirtschaftsausstellung 1974 in Markkleeberg belegte die Käsefabrik Breitungen mit ihren Produkten einen zweiten Platz. Werkleiter war Hans-Joachim Werner. 1978 wurden wöchentlich bis zu 24 Tonnen Käse in drei verschiedenen Sorten hergestellt. 1980 produzierte man in Breitungen über 1 000 Tonnen Käse.
Reprivatisiert und verkauft
Die Wende ging am Betrieb nicht spurlos vorüber. 1991 beantragte Margot Rumpf, die Witwe von Fritz Rumpf, die Reprivatisierung und verkaufte den Betrieb an Hans-Jürgen Poelmeyer aus Lehrte bei Hannover. Die Breitunger Käserei erhielt den Namen Ernst Rumpf GmbH und führte wieder ihr altes Markenzeichen, die drei Tannen. Am 2. August 1991 kam der damalige Justizminister von Sachsen-Anhalt, Walter Remmers, nach Breitungen, um den Abschluss der Reprivatisierung in feierlichem Rahmen mitzuteilen. Betriebsleiter wurde Achim Neumann.
Offensichtlich überzeugte der Geschmack auch in den alten Bundesländern. 1991 erhielt die Käserei einen Preis der Deutschen Landwirtschaftsgesellschaft Frankfurt am Main. Im Frühjahr 1992 brach mit dem Ende der Konsumgenossenschaft in Sachsen-Anhalt auch ein großer Marktanteil weg. Neue Wege mussten gesucht und gefunden werden. Gutes Management ließ die Produktion wieder steigen, von wöchentlich fünf Tonnen im Jahre 1991 auf bis zu 30 Tonnen im Jahre 1994.
Seit November 1995 produzierten die damals 36 Beschäftigten auch verschiedene Frischkäsesorten. Schwerpunkt blieb aber der "Harzer Käse". Dessen Hauptbestandteil war wie schon zur Gründungszeit Sauermilchquark, dem verschiedene Gewürze beigemengt und daraus maschinell die Käse geformt wurden. Unterschiedliche Zusätze und Reifeprozesse lassen ihn zu Gelbkäse oder Edelschimmelkäse gedeihen. Auf Rosten gelagert, reifen sie drei Tage in speziell temperierten Räumen.
Ziemlich überraschend für die Region kam das Ende der Käseproduktion in Breitungen. Ende Mai 2002 wurde die Produktion nach Wohlmirstedt verlagert. Für das kleine Harzdorf ging nach 116 Jahren eine Tradition zu Ende.