Leute Leute: Konterfei auf vielen Hochzeitsbildern
Oberröblingen/MZ/md. - 50 Jahre lang ist er ein Meister seines Faches. 64 Berufsjahre lang kehrte er Schornsteine und Essen, war Glücksbringer. Doch einmal hatte er auch Pech. Da stürzte er vom Dach und brach sich "glücklicherweise" nur ein Bein. Sein Konterfei ziert unzählige Hochzeitsfotos und macht ihn unsterblich. Immerhin gehören zum Kehrbezirk Allstedt neun Orte. Das ist eine große Kundenschar. Auch Enkel Patrick entdeckte als gelernter Werkzeugmacher die Liebe zum neuen Beruf nicht erst, als sich die Mädels einer Schulklasse auf ihn stürzten, um den Glücksbringer zu küssen. Aber auch sonst kommt bei den drei Männern kaum Langeweile auf. Der eine genießt seinen verdienten Ruhestand, und die zwei anderen steigen weiter aufs Dach, sind bei Bauabnahmen dabei, achten auf die Einhaltung der Vorschriften.
"Es ist ein schöner Beruf. Der Kontakt mit vielen Menschen macht ihn für mich interessant", sagt Patrick Ruppe. "Man zieht von Haus zu Haus. Hier wohnt ein Doktor, da ein Landwirt, ein Stückchen weiter ein Klempner, Beamter. Da muss man sich auf jeden neu einstellen."
Edith Herrmann (71), die Ehefrau vom Altmeister, gesteht ihrerseits ein, dass sie mit Leib und Seele eine Schornsteinfegerfrau ist. Sie war im Büro angestellt, stand am Waschbrett, kämpfte mit Kernseife und Waschpulver um das Ansehen ihres Mannes, denn ein blütenweißer Mundschutz gehört unter den Kollegen der schwarzen Zunft zur Berufsehre. Natürlich erfährt der Beruf des Schornsteinfegers heute einen Wandel und ist nicht mehr ganz so schwarz. Öl- und Gasheizungen sind eine saubere Sache.
"Nur rund 30 Prozent der Kundschaft heizt noch auf herkömmliche Weise", nennt Roland Herrmann eine Zahl. Dass das Handwerk "Schornsteinfeger" eine Zukunft hat, steht außer Frage. "Wir müssen zwar nicht um die Kunden kämpfen, aber mit ihnen umgehen. Das ist nicht immer einfach", meint Sohn Roland. Zur Standardausrüstung gehören nicht mehr nur das Kehrgerät, sondern auch moderne Geräte zur Schadstoffmessung. Bei der Einrichtung eines neuen Büros und der Anschaffung der Arbeitsgeräte seien 35 000 bis 40 000 Euro nötig, rechnet Roland Herrmann, der seit 1981 den Meisterbrief in der Tasche hat, schnell einmal durch.
Die fossilen Brennstoffe nehmen ab, erneuerbare Energieträger rücken in den Vordergrund. Die Verarbeitung von Müll zu festen Brennstoffen ist ein Beispiel. Wie auch immer sich das Berufsbild ändern wird, die Herrmanns werden sich darauf einstellen. Doch zunächst steht für die Großfamilie am 13. Januar in der Riethgasse 3 eine Feier an. Der Altmeister wird 74.