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Leonora ging mit 15 zum IS Leonora ging mit 15 zum IS: Vater will sie zurück holen - doch wie soll das gelingen?

Von Frank Schedwill Aktualisiert: 21.01.2022, 13:24
Leonora Messing aus Breitenbach bei Sangerhausen ging mit 15 Jahren nach Syrien und schloss sich dem IS an.
Leonora Messing aus Breitenbach bei Sangerhausen ging mit 15 Jahren nach Syrien und schloss sich dem IS an. AFP

Sangerhausen - Es sind eigenartige Anrufe, die Maik Messing mitunter erhält. Manche wollen seine Tochter Leonora irgendwo in Deutschland gesehen haben. Doch zurück gekehrt ist sie bisher nicht, berichtet der 48-Jährige, der vor einem Jahr in einem Buch und in einer Aufsehen erregenden TV-Dokumentation seinen langen Kampf um Leonora schilderte. Er habe aber Kontakt zu ihr.

Leonora aus Breitenbach beim IS: Im März 2015 ist sie nach Syrien gegangen

Das Mädchen aus dem kleinen Breitenbach bei Sangerhausen war im März 2015 mit 15 Jahren nach Syrien gegangen und hat sich dort dem Islamischen Staat (IS) angeschlossen. Gemeinsam mit ihren Töchtern Maria und Habiba, ein und drei Jahre alt, lebt „Leo“, wie Messing sie zumeist nennt, weiter in einem Flüchtlingslager in Syrien. „Ich kann noch nicht mal genau sagen wo“, sagt der Bäckermeister.

„Die Situation ist noch immer unverändert.“ Der Kontakt sei „sehr sporadisch und sehr übersichtlich“ über den Kurznachrichtendienst WhatsApp. Da Leonora kein eigenes Handy besitze oder die Internetverbindung schlecht sei, könne man sich nur etwa einmal pro Woche das Allernötigste mitteilen.

Er habe aber den Eindruck, dass es ihr und den beiden kleinen Kindern den Umständen entsprechend gut gehe. Leonora selbst hatte im vergangenen Jahr die hygienischen Bedingungen in einem der Lager als katastrophal geschildert und auch von Hunger gesprochen, unter dem ihre Kinder und sie leiden. Allerdings: Ihr in Syrien zu helfen, ihr beispielsweise Lebensmittel oder andere Dinge zu schicken, sei nicht möglich, sagt Messing.

Bereits im vergangenen Jahr hatte Leonora Reportern des Magazins „Stern“ mitgeteilt, dass sie unbedingt nach Hause wolle. Neben ihrer Familie vermisse sie das Essen. „Ostdeutsche Hausküche, Kartoffelklöße, aber auch Fast Food wie McDonald's“, sagte sie. Das klang damals so, als hätte sie sich nicht dem Islamischen Staat angeschlossen, sondern eher an einem Austauschprogramm für Jugendliche teilgenommen. Dem „Focus“ sagte sie dagegen, sie wisse, dass ihr Aufenthalt beim IS ein Fehler war.

Vater von Leonora hofft auf Hilfe der Bundesregierung

Maik Messing setzt in der Frage der Rückkehr seiner Tochter und Enkel auf die Hilfe der Bundesregierung. Sicherlich könne man mit Schleusern versuchen, die junge Frau und die beiden Kinder aus dem Bürgerkriegsgebiet im rund 2.800 Kilometer entfernten Nordsyrien herauszuholen, das sei aber viel zu gefährlich. „Ich will das Risiko nicht eingehen“, betont der Bäckermeister. Er hatte es schon einmal mit Hilfe von Schleusern probiert, seine Tochter zurück nach Deutschland zu bringen. Die Aktion war aber gescheitert.

„Wir können nur weiter abwarten. Ich denke doch, dass man Leonora und ihre Kinder über kurz oder lang zurückholen wird“, sagt Messing. So wie das bei einer ganzen Reihe anderer bereits geschehen ist.

Verwaltungsgerichte hatten bereits im vergangenen Jahr entschieden, dass die Bundesregierung gefangene IS-Mütter mit ihren Kindern zurücknehmen muss. Berlin hatte sich bis dato geweigert und auf die ausgehende mögliche Gefahr von IS-Anhängern verwiesen. Zudem forderten die US-Regierung und die Türkei mehrfach nachdrücklich, dass Deutschland IS-Kämpfer mit deutscher Staatsangehörigkeit wieder aufnehme.

Rund 350 deutsche Islamisten aus Syrien und dem Irak nach Deutschland zurückgekehrt

Wie die Rheinische Post jüngst berichtete, sind nach Erkenntnissen des Bundeskriminalamts (BKA) mittlerweile rund 350 deutsche Islamisten aus Syrien und dem Irak nach Deutschland zurückgekehrt. Einige waren direkt nach ihrer Landung am Flughafen festgenommen worden. Messing sagt, er wolle niemandem einen Vorwurf machen: „Ich kann verstehen, dass die Prioritäten der Politik wegen der Coronakrise jetzt ganz woanders liegen. Aber die Zeit der Pandemie wird irgendwann vorbei sein.“

Unklar ist, was genau nach einer Rückkehr aus Syrien mit Leonora geschehen wird. Wie die Bundesanwaltschaft in Karlsruhe bestätigt, laufen weiter Ermittlungen gegen sie wegen Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung und Vorbereitung einer staatsgefährdenden Gewalttat, Paragraf 89a, Strafgesetzbuch.

Leonora drohen bis zu zehn Jahre Haft

Der Verdacht, sich einer Terrororganisation angeschlossen zu haben genügt für einen solchen Vorwurf. Sollte Leonora angeklagt und verurteilt werden, drohen ihr damit bis zu zehn Jahre Haft.

„Die Ermittlungen dauern an“, sagt Markus Schmitt, Sprecher der Bundesanwaltschaft. Näher äußert er sich zum gegenwärtigen Stand nicht. Ebenso macht die Behörde keine Angaben dazu, ob möglicherweise bereits ein Haftbefehl gegen die junge Frau aus Breitenbach vorliegt. Schmitt: „Wir äußern uns zu solchen Fragen grundsätzlich nicht.“

Künftig wieder im Südharz?

Auch Maik Messing überlegt, wo er seine Tochter unterbringen wird, wenn sie aus Syrien zurück ist und in Freiheit bleiben sollte. In der TV-Dokumentation im vergangenen Jahr war eine Wohnung in einem kleinen Südharz-Ort gezeigt worden, die für sie und die Kinder vorbereitet war.

Ob das ihr neues Domizil in Deutschland wird? Messing sagt: „Wir lassen das auf uns zu kommen. Wir hoffen, dass wir vor der Rückkehr ein bisschen Vorlauf haben und entscheiden dann.“

Drittfrau von IS-Kämpfer Martin Lemke

Wenige Tage nach ihrer Flucht nach Syrien hatte Leonora den deutschen IS-Kämpfer Martin Lemke geheiratet. Die 15-Jährige wurde seine Drittfrau. Lemke, der sich Nihad nannte, hatte eine Blitzradikalisierung hinter sich, die aus einem Schweißer aus Zeitz innerhalb weniger Monate einen IS-Kämpfer machte.

Er soll einer von 1.050 Salafisten sein, die von Deutschland aus nach Syrien gegangen sind. In Videobotschaften prahlte er, dass er Menschen enthaupte für den „Jihad“. Lemke soll Mitglied der Sittenpolizei des Kalifats gewesen und später zu einer wichtigen Figur des Amnijat aufgestiegen sein, des Staatsschutzes, einer Art islamistischer Gestapo.

Ein auf das Jahr 2015 datiertes Foto zeigt ihn vor einer Stadt im Nahen Osten. Dort soll Lemke an Hinrichtungen beteiligt gewesen sein, wie ehemalige IS-Kämpfer in den Medien behaupten. Er selbst sagt, er habe nur Handys oder Computer repariert. Derzeit wartet er wohl weiter in einem kurdischen Gefängnis auf einen Prozess.  (mz)