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Vier Herren und der Sport Leichtathletik in der DDR: Reinefahl, Stechemesser, Lipowski und Winterstein erinnern sich

Von Peter Lindner 03.08.2020, 12:45
Michael Winterstein, Lutz Lipowski, Helmut Reinefahl und Helmut Stechemesser (von links) haben sich viel zu erzählen.
Michael Winterstein, Lutz Lipowski, Helmut Reinefahl und Helmut Stechemesser (von links) haben sich viel zu erzählen. Peter Lindner

Sangerhausen - Man saß in sportlich illustrer Runde beisammen: Helmut Reinefahl (80), Helmut Stechemesser (74), Lutz Lipowski (68) und Michael Winterstein (68). Die vier haben viel gemeinsames, nämlich den Sport. Reinefahl war einst der Trainer von Lipowski und Winterstein. Es waren die legendären Jahre von Stahl Sangerhausen. Während Winterstein sein Abitur mit Berufsausbildung bei der Maschinenfabrik Sangerhausen (Mafa) machte, lernte Lipowski Elektriker.

Beide waren begeisterte Leichtathleten, der eine war im Mittelstreckenbereich erfolgreich, der andere als angehender Geher in den Fußstapfen von Christoph Höhne, Ronald Weigel, Peter Frenkel und Dieter Lindner, die den DDR-Gehersport damals auch international zu hohem Ansehen verhalfen. Lindner wurde später übrigens beim halleschen Sportclub Chemie der Trainer von Lipowski.

Viele sportliche Talente

Zuvor waren beide noch unter den Fittichen von Reinefahl, der als erfolgreicher Trainer galt und schon viele sportliche Talente aus Sangerhausen und Umgebung formte. Die ganz Erfolgreichen wurden zum Club nach Halle delegiert und machten dort ziemlich behütet ihren Weg ins Leben. Denn es gehörte zur Philosophie jener DDR-Jahre, dass nach dem sportlichen Leben ein „richtiges“ Leben auf die Athleten wartete. Und so konnten sie auch während des harten Trainings studieren oder sich anderweitig auf das spätere Berufsleben vorbereiten. So auch Winterstein und Lipowski. Während Winterstein Physiker mit Diplom wurde und sich längst Doktor Michael Winterstein nennen darf, studierte Lipowski erst Philosophie und dann Sozial-Pädagogik, arbeitete bis zum verdienten Ruhestand als Polizeipsychologe. Und wie sein sportlicher Kumpel führt auch er einen Doktor-Titel.

Helmut Stechemesser, der die Runde komplettierte, arbeitet heute noch erfolgreich beim Chemieclub-Nachfolger SV Halle als Trainer, kümmert sich als Bundestrainer vor allem um die jungen Geher-Talente, „von denen es für diesen schönen Sport leider nur noch sehr wenige gibt“, wie er vermerkt. Stechemesser verfügt zudem über ein umfangreiches Archiv. Und so „zauberte“ er eine Bestenliste aus Spartakiade-Zeiten hervor - nach der ein gewisser Reiner Haseloff als A-Jugendlicher einmal die 200 Meter in 24,5 Sekunden bewältigte und sich sogar mit dieser Zeit in die Siegerlisten eintragen konnte.

Kein Zentrum für die Sportart Gehen in Sangerhausen

„So schnell ist er heute nicht mehr“, so Winterstein, „dafür aber Ministerpräsident unseres Landes.“ „Aus Sportlern kann also was werden“, so Stechemesser, der eine weitere Zahl aus einer Bestenliste präsentierte: 43:56,4 Minuten. Mit dieser Zeit holte sich der Sangerhäuser Lutz Lipowski vor ziemlich genau 50 Jahren in Paris Europameisterschaftsgold bei den Junioren im 10.000-Meter-Bahngehen. Das war Anfang September 1970. Bei vielen Sportlerinnen und Sportlern, die ihren Weg irgendwo im Lande machten, hatte Helmut Reinefahl - der Erfolgstrainer, der Meistermacher - zuvor die sportlichen Grundlagen geschaffen. Bei Stahl Sangerhausen, später bei Dynamo und noch später beim ASV.

Dort sammelte er als Trainer jede Menge Medaillen und Meistertitel. Ein Projekt Reinefahls scheiterte leider. In Sangerhausen sollte ein Zentrum für die Sportart Gehen entstehen. Rund um die Sangerhäuser Stieglitz-Zwillinge, die als Junioren den Deutschen Gehersport dominierten, wurden erfolgreiche Senioren-Geher wie Dick Gnauck, Mario Kerber, Udo Schaeffer, Melanie Schulze und Dieter Borsch nach Sangerhausen geholt. Mehr als drei Dutzend Welt- und Europameistertitel sowie deutsche Meisterschaftsmedaillen „sammelten“ sie für den Sangerhäuser Verein. Der Vereinsvorstand stoppte das Projekt, man wollte die Reisekosten senken.

Mansfelder Land als leichtathletische Talentschmiede

Wie Sangerhausen galt und gilt auch das Mansfelder Land als leichtathletische Talentschmiede. Während heute mit Lucie Kienast aus Sylda eine junge und vor allem erfolgreiche Mehrkämpferin auf sich aufmerksam macht und ins U20-Nationaltrikot schlüpfen konnte, war es 1970 eine zwölfjährige Spartakiade-Sportlerin aus Eisleben, die für Schlagzeilen sorgte. So berichtete am 29. Juli 1970 die Tageszeitung „Junge Welt“ von einem Weltrekord einer erst zwölfjährigen Eisleberin. Das „verriet“ uns Peter Ozimek aus Eisleben. Ozimek war damals der Übungsleiter von Margrit Wels, um die es im „Junge Welt“-Beitrag ging. Aber das ist dann schon wieder eine andere spannende Geschichte aus dem Sport im Landkreis Mansfeld-Südharz. (mz)