Landwirtschaft im Landkreis Landwirtschaft im Landkreis : Milch lohnt sich kaum noch

Sangerhausen - Der Landesbauernverband Sachsen-Anhalt schlägt Alarm: Jeder zehnte Milchbauer im Land wird in diesem Jahr die Flinte ins Korn werfen. Das prognostiziert die Berufsvertretung der Landwirte für das Jahr 2016. Als Grund werden die anhaltend niedrigen Milchpreise angegeben. Pro Kuh und Jahr zahle ein Landwirt durchschnittlich 1 000 Euro drauf, rechnet Sprecher des Landesbauernverbandes, Christian Apprecht, der Öffentlichkeit vor. Auch in den Milchviehbetrieben in der Sangerhäuser Region steht man vor der Frage: Lohnt sich dieser Wirtschaftszweig noch für das Unternehmen?
Milchbauern wollen durchhalten
Harald Gebhardt, Geschäftsführer der Agrargenossenschaft Uftrungen, ist geneigt zu sagen, dass es sich nicht mehr lohnt. „Hätten wir nicht im vergangenen Jahr so kräftig in die Milchviehanlage investiert, dann würden wir unter den gegenwärtigen Bedingungen durchaus darüber nachdenken, die Milchproduktion aufzugeben. Diese Option haben wir aber nicht. Wir müssen durchhalten.“
Wie schlimm es um die Milcherzeugung in seinem Unternehmen bestellt ist, untermauert Gebhardt auch mit Zahlen. Mit der reinen Produktion habe man 2015 einen Verlust von einer halben Millionen Euro einstecken müssen. „Das können wir auf Dauer als Unternehmen nicht durchhalten“, so Gebhardt. Aktuell erhalten die Uftrungen 27 Cent pro Liter Milch. „Damit wir von einer schwarzen Null reden können, müssten wir 35 Cent erhalten. Wirklich gewinnbringend ist die Milchwirtschaft aber erst, wenn eine vier vor der Zahl steht“, sagt der Landwirt. „Man gibt dem Milchfahrer jeden Tag Geld mit“, sagt Torsten Wagner, Geschäftsführer der Agrargesellschaft in Riestedt. „Geld verdienen kann man damit nicht.“ Auch er hält Preise von deutlich über 35 Cent pro Liter Milch für nötig, um wieder von Rentabilität reden zu können. Diese Preise wurden zuletzt jedoch im Jahr 2014 erzielt.
4,2 Millionen Euro hat die Agrargenossenschaft Uftrungen in den neuen Stall investiert, der vor etwas mehr als einem halben Jahr feierlich eingeweiht wurde. Geplant war ursprünglich eine Investition von drei Millionen Euro. Dass es sich so verteuerte lag an Preissteigerungen für die Sicherung des Bauuntergrundes.
Die Anlage steht auf natürlichem Gipskarst. Mit der neuen Stallanlage wurden die Haltungsbedingungen für die Tiere verbessert. Sie können sich im Stall frei bewegen, haben Tiefliegeboxen, Tränkanlagen und „Kuhbürsten“. Auch der alte Fischgrätenmelkstand wurde im Zuge der Umbaumaßnahmen durch einen modernen Karussellmelkstand ersetzt. (mz)
Doppelmoral in der Gesellschaft
Wagner befürchtet auch auf dem Milchviehsektor eine Entwicklung wie bei der Schweinemast. „Machen wir uns nichts vor: Übrig geblieben sind allein die Experten und spezialisierte Großunternehmen. Und ohne rumzuunken, diese Entwicklung sehe ich auch bei den Kühen auf uns zukommen.“ Für sehr kritikwürdig hält er die Doppelmoral der Gesellschaft: „Wir Landwirte sollen alles fürs Tierwohl tun, sollen Bio produzieren und möglichst noch einen Streichelzoo bieten, gleichzeitig ist der Verbraucher nicht bereit, an der Supermarktkasse auch nur einen Cent mehr für die Milch auszugeben.“ Diese Rechnung gehe seiner Meinung nach nicht auf. Und alles falsch könne man auch nicht gemacht haben, der Betrieb hat in eine neue Stallanlage investiert, die jetzt regelmäßig von Berufskollegen aus dem Bundesgebiet besucht werde.
Soziale Verantwortung gegenüber Mitarbeitern
Die Milchproduktion aufgeben? „Das ist eine Entscheidung, die man nicht mal ebenso trifft. Unser Unternehmen beschäftigt 18 Mitarbeiter. Wenn wir die Tierproduktion aufgeben, kann ich 13 zum Arbeitsamt schicken. Das geht nicht. Ich habe doch auch eine soziale Verantwortung“, sagt Geschäftsführer Dominik Höfer vom Agrarbetrieb Beyernaumburg. Auf seinen Schultern lasten keine Millionenkredite, der Beyernaumburger Betrieb investierte bislang „aus dem eigenen Portemonnaie“. Aber davon, dass die Produktion in der Milchviehanlage - 230 Kühe stehen dort - rund laufe, sei man auch weit entfernt. Im vergangenen Jahr bei dem großen Unwetter im Landkreis Mansfeld-Südharz erwischte ein Hagelschlag den Betrieb, das hat uns damals auch schwer getroffen. Wie auch sein Riestedter Kollege ist Höfer der Auffassung, dass an die Landwirte von allen Seiten nur Forderungen gestellt werden - seien es die Molkereien, die Ämter oder der Verbraucher. „Jeder meint, in unsere Produktion hineinregieren zu müssen“, sagt der Landwirt sauer. (mz)