"Kupferhütte" in Sangerhausen "Kupferhütte" in Sangerhausen: Alleinerziehender Vater steht wieder auf eigenen Beinen

Sangerhausen - Ob es hilft, Daumen zu drücken? Kathrin Hartinger, Chefin des Sangerhäuser Kinder- und Jugendheims „Kupferhütte“, hofft am Donnerstag auf gutes Wetter. Anlässlich 15 Jahren Albert-Schweitzer-Familienwerk in Sangerhausen ist ein großes Kinderfest geplant.
Alle Kinder und Jugendlichen, die hier betreut wurden, sind eingeladen, erzählt die Leiterin. Wie viele es im Laufe der Zeit waren, kann sie auf Anhieb gar nicht sagen. Und sie weiß auch nicht, wie viele kommen werden. Zwei werden aber auf jeden Fall dabei sein: Paul Kämmerer und seine vierjährige Tochter Stella.
Mit 14 Jahren zum Familienwerk
„Wir haben anderthalb Jahre hier gewohnt“, erzählt der 28-Jährige, der aus Merseburg stammt und in Sangerhausen geblieben ist. Zum Albert-Schweitzer-Familienwerk hat er eine besondere Bindung. Als er elf Jahre alt war, starb seine Mutter, drei Jahre später der Vater, so kam er als 14-Jähriger mit sechs Geschwistern in Merseburg in eine Wohngruppe des Familienwerks.
Das Kinder- und Jugendhaus „Kupferhütte“ nimmt Kinder und Jugendliche auf, bei denen eine dem Wohl des Kindes oder Jugendlichen entsprechende Erziehung nicht mehr gewährleistet ist und deshalb eine stationäre Erziehungshilfe als geeignet und notwendig erscheint. Aufnahmekriterien sind Entwicklungs- oder Verhaltensprobleme, die im ursprünglichen familiären Umfeld nicht verändert werden können.
Es gibt drei Wohngruppen für je acht Kinder oder Jugendliche. In der Mutter-/Vater-Kind-Wohngruppe erhalten junge Mütter oder Väter pädagogische Hilfe, um den Lebensalltag mit dem Kind bewältigen zu können.
Eine Tagesgruppe gibt es in der Sangerhäuser Thälmannstraße. Hier werden Kinder pädagogisch- therapeutisch betreut, bleiben aber in der Familie.
Nach der Schule lernte er Koch und gründete später selbst eine Familie. Doch es ging schief. Paul Kämmerer bekam das Sorgerecht für das damals anderthalbjährige Mädchen, erzählt er. Das bedeutete eine große Verantwortung. Er wandte sich ans Jugendamt, denn er wollte sich der Aufgabe stellen und wusste, dass er Hilfe brauchen würde. Mit der Arbeit als Koch war es vorbei.
Große Ängste
Vater und Tochter zogen in die „Kupferhütte“. „Er hatte damals große Ängste vor bestimmten Situationen“, blickt Hartinger zurück. Er musste lernen, den Haushalt zu führen, einzukaufen, Mahlzeiten für seine Tochter zu planen, einen Tagesrhythmus zu finden, auf die Pflege und Gesundheitsvorsorge zu achten, Impftermine einzuhalten. „Das hat er ganz gut im Griff“, lobt Hartinger.
Nach anderthalb Jahren zog Paul Kämmerer mit Stella aus der „Kupferhütte“ aus. Mit Hilfe der Heimleiterin fand er eine geeignete Wohnung in der Straße der Volkssolidarität, gemeinsam richteten sie alles ein.
Kein einfacher Umzug
Stella habe inzwischen gelernt, erzählt ihr Vater schmunzelnd, dass sie - anders als in der „Kupferhütte“ - ein Zimmer für sich hat und dort allein schläft. Für ihn sei der Umzug in die eigene Wohnung nicht ganz leicht gewesen. Abends fehlte jemand zum Reden, der Fernseher war kein Ersatz. Doch inzwischen hat er Kontakt zu seinen Nachbarn gefunden: „Sie sind sehr nett. Und wenn ich mal laut schimpfe, weil Stella nicht hört, sagen sie auch, dass ich ruhig bleiben soll.“ In der Nähe wohnt eine weitere alleinerziehende Mutter, die mit ihrer kleinen Tochter auch mal in der „Kupferhütte“ gelebt hat. So können die beiden gegenseitig mal auf die Kinder aufpassen. Trotzdem, Kinobesuche oder andere Freizeitaktivitäten sind selten geworden, sagt der 28-Jährige. „Man muss zurückstecken als Alleinerziehender.“ Aber mal eine Radtour mit Stella im Fahrradanhänger und im Sommer zwei Wochen Urlaub bei seiner Schwester in Merseburg sind drin.
Dass er stundenweise eine Nachbetreuung vom Familienwerk bekam, eine Psychologin zu ihm nach Hause kommt und eine Therapeutin einen Haushaltsplan mit ihm entworfen hat, das helfe sehr, sagt Kämmerer. Und im Notfall könne er in der „Kupferhütte“ anrufen.
"Fleißig wie eine Biene"
Seit ein paar Wochen arbeitet der alleinerziehende Vater als Bundesfreiwilliger beim Albert-Schweitzer-Familienwerk. Er hilft im Garten, spielt mit den Kindern der Tagesgruppe Fußball oder geht dem Hausmeister zur Hand. „Er ist fleißig wie eine Biene“, sagt Hartinger.
Und so sehr sie seine Arbeit schätzt, hofft sie, dass er wieder als Koch arbeiten kann. Doch Schichtdienst und die Öffnungszeiten der Kindergärten passen nicht zusammen. „Ich habe viele Bewerbungen geschrieben, aber nur Absagen bekommen“, sagt Kämmerer. (mz)