1. MZ.de
  2. >
  3. Lokal
  4. >
  5. Nachrichten Sangerhausen
  6. >
  7. Kein leichter Weg: Kein leichter Weg: Trotz Handicap durch die Ausbildung gekämpft

Kein leichter Weg Kein leichter Weg: Trotz Handicap durch die Ausbildung gekämpft

Von Karl-Heinz Klarner 16.07.2018, 09:10
Florian Kleinert blickt optimistisch in die Zukunft.
Florian Kleinert blickt optimistisch in die Zukunft. Maik Schumann

Sangerhausen - Florian Kleinert ist nervös. Denn der Oberröblinger sitzt nicht nur auf gepackten Koffern, er ist auch auf den Sprung in seinen wohlverdienten Urlaub. Doch vorher will der 20-Jährige noch all denen Danke sagen, die ihn in den letzten Jahren zu dem gemacht haben, was er heute ist: ein selbstbewusster junger Mann, der trotz eines Handicaps seinen Weg mit allen Höhen und Tiefen gemeistert hat.

Denn Florian Kleinert ist spastisch gelähmt und damit zu 80 Prozent schwerbehindert. Genau das hatte ihm vor rund vier Jahren den Übergang von der Schule in das Berufsleben deutlich erschwert. Rund 30 Bewerbungen hatte der Jugendliche in der Region verschickt - ohne den gewünschten Erfolg.

Schwierige Suche nach einem Ausbildungsplatz

Aufgrund seiner Behinderung kam eine Arbeit im technischen Bereich nicht infrage und so hatte er sich Hoffnungen auf einen Bürojob gemacht. Erst ein Bericht in der Lokalausgabe der MZ brachte die Wende für den Jugendlichen. Hettstedts Bürgermeister Danny Kavalier (CDU) ließ den jungen Mann noch am gleichen Tag zu einem Vorstellungsgespräch und zu einem Eignungstest einladen. „Am nächsten Tag hatte ich meinen Ausbildungsvertrag unterschrieben in der Tasche“, erinnert er sich noch sehr genau.

Von der Agentur für Arbeit in Sangerhausen gab es Zuschüsse, unter anderem für die Einrichtung des Arbeitsplatzes. Doch der Weg zum Verwaltungsfachangestellten war für Kleinert trotzdem nicht einfach. Denn während seiner Sekundarschulzeit wurde er speziell gefördert, doch während der Ausbildung gab es lediglich einige Lehrer, die auf sein Handicap Rücksicht genommen haben. Dennoch war der Abschluss am Ende kein Thema für ihn.

Das macht auch Vater Timo Kleinert stolz. „Der Junge hat sich sehr gut entwickelt und ist erwachsen und selbstbewusst geworden“, hat er den Werdegang seines Sohnes beobachtet.

Florian Kleinert - Junger Mann mit Handicap hat seinen Führerschein

Inzwischen hat Florian Kleinert seinen Führerschein in der Tasche und fährt mit einem eigens für ihn umgebauten Auto zur Arbeit. „Es war eine tolle Erfahrung“, blickt er auf die vier Jahre in der Kupferstadt zurück. Denn neben den drei Jahren Ausbildung hat die Stadtverwaltung ihm ermöglicht, noch ein Jahr Erfahrungen in der Praxis zu sammeln. Doch das ist jetzt Geschichte.

Denn der junge Mann steht vor einer neuen Herausforderung. Nach dem Urlaub fängt der Oberröblinger beim Wasserverband Südharz in Sangerhausen einen neuen Job an. Auf die 13 Bewerbungen im Vorfeld hat es diesmal immerhin acht Einladungen zum Vorstellungsgespräch gegeben.

Doch das ist immer noch nicht selbstverständlich. Denn Schwerbehinderte haben es nach wie vor schwerer als Menschen ohne Handicap, auf dem Arbeitsmarkt Fuß zu fassen, konstatiert Martina Scherer, Chefin der Agentur für Arbeit in Sangerhausen. Gleichwohl sind die Rahmenbedingungen besser geworden. Scherer zufolge waren im Juni dieses Jahres 279 Schwerbehinderte arbeitslos, vor fünf Jahren waren es im Juni noch 374 Frauen und Männer mit Handicap.

Arbeitgeber zahlen lieber Bußgeld, statt Schwerbehinderte anzustellen

„Fakt ist, Menschen mit Behinderung haben Potenziale, die die Arbeitgeber sich nicht entgehen lassen sollten“, richtet Scherer eine Appell an die Wirtschaft und die öffentlichen Verwaltungen, diese Chancen zu nutzen. Doch die Arbeitgeber zahlen nach wie vor lieber Bußgelder. Denn die werden unter bestimmten Umständen fällig. Wer mehr als 20 Arbeitsplätze im Jahresdurchschnitt hat, muss auf mindestens fünf Prozent dieser Arbeitsplätze schwerbehinderte Menschen beschäftigen.

Hinzu kommt, dass im Öffentlichen Dienst die Regel Einzug gehalten hat, dass Schwerbehinderte bei gleicher Eignung bevorzugt einzustellen sind. „Ich weiß, dass hier die Ampel nicht immer auf grün steht“, sieht Scherer durchaus Defizite zwischen Theorie und Praxis. Die führt sie vor allem auf Unwissenheit zurück. Denn die Einstellung von Menschen mit Handicap bringe Vorteile mit sich.

So werden unter anderem Zuschüsse zur Ausbildungsvergütung, Probebeschäftigung von bis zu drei Monaten ermöglicht oder ein Eingliederungszuschuss gezahlt. Angesichts seiner eigenen Lebensgeschichte möchte Florian Kleinert allen Betroffenen Mut machen und sie ermuntern, nicht aufzustecken und etwas aus ihrem Leben zu machen. „Jetzt freue ich mich erst einmal auf den Urlaub und anschließend auf die neue Arbeit“, sagt er und verabschiedet sich in Richtung Flughafen. (mz)