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Jacobikirche in Sangerhausen Jacobikirche in Sangerhausen: Schiefer Kirchturm wird vermessen

Von Grit Pommer 14.01.2019, 11:23
Statiker Matthias Jagfeld bei der Arbeit in Sangerhausen.
Statiker Matthias Jagfeld bei der Arbeit in Sangerhausen. Lukaschek

Sangerhausen - Der Scanner steht mitten auf dem Gehweg an der Kylischen Straße. Die hochkant aufmontierte Kamera mit dem runden Fischaugen-Objektiv ist direkt auf den Turm der Jacobikirche gerichtet. Eine halbe Stunde dauert es, bis das Gerät den Turm komplett abgetastet hat. Die Sangerhäuser laufen vorbei und staunen kurz: Aha, der schiefe Jacob wird vermessen.

„Hoffentlich bleibt er noch lange stehen“, sagt Jürgen Poplow, als er an der Messstelle vorbeikommt. „Ich wohne über dem Blumenladen. Wenn er umfällt, landet er direkt in meinem Schlafzimmer“, meint Poplow und lacht.

Keine akute Einsturzgefahr

Diese Sorge kann Professor Olaf Huth den Anwohnern schon mal nehmen. Zwar steht der Turm der Jacobikirche rund 90 Zentimeter aus dem Lot. „Aber auf eine akute Einsturzgefahr weist zurzeit nichts hin“, sagt Huth, der bis vor eineinhalb Jahren Baureferent im Kreiskirchenamt Sangerhausen war. Dann wurde er als Professor für Digitale Denkmaltechnologien an die Hochschule Coburg berufen. Als er im vergangenen Jahr davon erfuhr, dass das Kirchenamt eine Firma mit der genauen Vermessung der Jacobikirche beauftragt hat, nutzte er sofort die Chance und dockte mit einem Projekt der Hochschule an.

Bereits im November ist Huth mit Kollegen in Sangerhausen gewesen und hat erste Messungen vorgenommen. Seit Mittwoch waren nun vier Studierende und mehrere Lehrkräfte von der Uni rund um die Kirche und in ihrem Inneren aktiv und nahmen ihre genauen Maße auf.

In den kommenden drei Jahren soll es immer wieder Messungen in Sangerhausen geben. So will man herausfinden, ob der schiefe Jacob sich weiter neigt - und wenn ja wie stark. Und man will ergründen, warum am Turm und am Kirchenschiff immer wieder Risse auftreten.

Die sind auch der Anlass dafür gewesen, dass die Kirche die Firma Terra Data mit dem Messprojekt beauftragt hat, erklärt Dietrich Härtel von der Kirchgemeinde. „In den vergangenen Jahren sind verstärkt Risse dazugekommen“, sagt er. Jetzt wolle man der Sache mal richtig auf den Grund gehen. Um schließlich auch einschätzen zu können, ob Sicherungsmaßnahmen notwendig sind. Rund um die Kirche wurden im vergangenen Jahr Festpunkte aus Edelstahl in das Mauerwerk und den Boden eingelassen. An den Abständen zu diesen Fixpunkten kann man später ablesen, wie Turm und Kirchenschiff sich bewegen. „Wir wollen so ’ne Art Gespür für das Bauwerksverhalten bekommen“, sagt Huth.

Praktische Erfahrungen für die Studenten der Uni Coburg

Für die Studenten sei die Jacobikirche „ein ganz hervorragendes Studienobjekt“, meint er. Denn hier können sie die digitale Vermessung und Beobachtung eines Denkmals und die Verarbeitung der Daten direkt in der Praxis anwenden. Die jungen Leute haben schon Studienabschlüsse als Geophysiker, Bauingenieure und Kunsthistorikerin in der Tasche. Mit dem Masterstudium Digitale Denkmaltechnologien spezialisieren sie sich auf den Umgang mit alter Bausubstanz.

Erste Ergebnisse des Vermessungsprojekts werden frühestens in einem Jahr vorliegen, schätzt Olaf Huth. Die Forscher sind unterdessen auch an alten Fotos interessiert, auf denen der Turm der Jacobikirche zu sehen ist. Das könnte Hinweise darauf liefern, wie stark die Schiefstellung in den vergangenen Jahrzehnten schon ausgeprägt war. (mz)