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Helios-Klinik Sangerhausen Helios-Klinik Sangerhausen: Ärzte zahlen nach Kunstfehler an Angehörige

Von Frank Schedwill 28.11.2013, 17:55
Das Gericht stellt das Verfahren gegen zwei Ärzte der Helios-Klinik Sangerhausen wegen fahrlässiger Tötung gegen hohe Geldauflagen ein.
Das Gericht stellt das Verfahren gegen zwei Ärzte der Helios-Klinik Sangerhausen wegen fahrlässiger Tötung gegen hohe Geldauflagen ein. Schumann/Archiv Lizenz

SANGERHAUSEN/MZ - Im Strafprozess um einen tödlichen ärztlichen Kunstfehler sind zwei Mediziner der hiesigen Helios-Klinik am Donnerstag im Sangerhäuser Amtsgericht mit einem blauen Auge davongekommen. Strafrichter Sven-Olaf Zärtner stellte das Verfahren gegen einen Chefarzt und einen anderen Arzt des Krankenhauses wegen geringer Schuld vorläufig ein. Zahlen die Ärzte innerhalb eines Monats 13.000 Euro beziehungsweise 7.000 Euro an die Angehörigen des verstorbenen Patienten, werden die Akten für immer geschlossen.

Die Staatsanwaltschaft Halle hatte den 45 und 50 Jahre alten Medizinern fahrlässige Tötung durch Unterlassung vorgeworfen. Sie hätten zum Teil gravierend gegen ärztliche Sorgfaltspflichten verstoßen. Hintergrund des Falles war eigentlich eine Routineoperation, die vor etwas mehr als zwei Jahren stattfand: Am 27. Juni 2011 sollte der Nabelbruch eines damals 48-jährigen Patienten aus Nordhausen behoben werden.

Gleich zu Beginn der OP, die per Schlüssellochtechnik durchgeführt werden sollte, habe es um 8.51 Uhr eine Komplikation gegeben. Ein Blutgefäß wurde verletzt, hieß es in der Anklage. Der Chefarzt habe deshalb die Operation selbst übernommen und einen Gefäßchirurgen dazugezogen.

Die Helios-Klinik Sangerhausen ist ein Haus der Basisversorgung mit den Abteilungen Allgemein- und Viszeralchirurgie, Anästhesie/Intensivmedizin, Frauenheilkunde und Geburtshilfe, Gefäßchirurgie, Geriatrie, Innere Medizin, Kinder- und Jugendmedizin, Nephrologie/Dialysezentrum, Neurologie, Unfallchirurgie und Orthopädie, einer Belegabteilung Augenheilkunde sowie einer radiologischen und orthopädischen Praxis. Die Klinik ist Lehrkrankenhaus der Lutheruniversität Halle-Wittenberg. (Quelle: Helios-Klinik Sangerhausen)

Es folgte eine sogenannte Notfallöffnung des Bauches. Dann passierte beiden Ärzten offenbar ein folgenschwerer Fehler: Sie konnten zwar die Blutung im blutüberströmten Bauch des Patienten stillen und das verletzte Blutgefäß abklemmen. Die Chirurgen gingen aber fälschlicherweise davon aus, dass die abgeklemmte Arterie nicht lebenswichtig war. In Wirklichkeit aber war sie für die Versorgung des Darmes zuständig. Im Gegensatz zu anderen Blutgefäßen hätte sie deshalb nicht abgeklemmt werden dürfen, sondern wiederhergestellt werden müssen. „Wir haben das verletzte Gefäß leider falsch interpretiert“, sagte der Chefarzt während des Prozesses. Es sei aber äußerst schwierig gewesen, die Gefäßverletzung, die tief im Bauchraum gelegen habe, zu lokalisieren und zu versorgen. Dazu komme, so ergänzte sein Anwalt, dass der Patient über eine Anomalie verfügt habe. Die abgeklemmte Arterie, die den Darm versorgte, sei bei ihm wesentlich dünner als bei den meisten Menschen gewesen, was die Verwechslung begünstigt habe.

Dazu kamen laut Anklage Fehler bei der Behandlung des Patienten nach der Operation: So wurde es auf der Intensivstation des Krankenhauses unterlassen, umgehend Leber- und und Nierenwerte des Patienten zu überwachen. Auch eine wichtige Laktatmessung habe erst zehn Stunden nach der Operation stattgefunden. Dabei hatte der Chefarzt die Überwachung der Werte angeordnet. Da er nach der Operation aber selbst akut erkrankt war, konnte er dies selbst nicht überwachen.

Als es dem 48-Jährigen immer schlechter ging, wurde er in ein Krankenhaus nach Erfurt verlegt und notoperiert. Dort stellten die Ärzte fest, dass große Teile seines Darmes bereits abgestorben waren. Der Mann starb kurz darauf an sogenanntem Multiorganversagen.

Beide Ärzten entschuldigten sich in der Verhandlung und sprachen den Angehörigen des Patienten, der eine Frau und einen Sohn hinterließ, ihr Mitgefühl aus. „Der Fall belastet mich sehr, auch über das Gerichtsverfahren hinaus“, sagte der Chefarzt. Man habe das Geschehene im Krankenhaus zum Thema gemacht und konkrete Maßnahmen festgelegt, damit solche und ähnliche Verletzungen nicht wieder passieren. Der Chefarzt sagte aber auch, dass sich trotz aller Sorgfalt Fehler nicht immer vermeiden ließen.

Für den Strafprozess waren ursprünglich sechs weitere Verhandlungstage bis Ende Januar angesetzt. Richter Zärtner sagte aber, dass er die Einstellung des Verfahrens gegen die Geldauflagen „gerade noch“ vertreten könne. Dabei habe er maßgeblich berücksichtigt, dass die Angeklagten das Geschehene analytisch aufgearbeitet und im Ärztekollegium offen kommuniziert hätten.

Unklar ist noch, ob die Angehörigen des Patienten nach dem Strafverfahren nun auch zivilrechtlich gegen die Ärzte vorgehen werden. Die Familie des Toten, die mit einem Nebenkläger vertreten war, äußerte sich dazu nicht. Der Ehefrau war anzusehen, dass sie noch immer sehr unter dem Verlust ihres Mannes leidet.