Ehemalige Patienten der Kelbraer Suchtklinik Ehemalige Patienten der Kelbraer Suchtklinik: Von der Sucht zurück in die Arbeitswelt

Kelbra - Für Ulli B. aus der Nähe von Magdeburg war es der Moment, der sein bisheriges Leben umkrempelte: Ein von ihm verschuldeter Verkehrsunfall machte dem 51-Jährigen klar, dass es so nicht weitergehen kann. „Ich war schachmatt“, sagt er mehr als ein Jahr danach. „Ich musst einsehen, dass ich tatsächlich ein Alkoholproblem hatte und diese Erkenntnis tat weh.“ Jahrelang arbeitete er als selbstständiger Tischlermeister in seinem Heimatort. Das Feierabendbier, so erzählt er, es habe eigentlich immer dazu gehört. Oft blieb es nicht bei der einen Flasche. Je größer der Stress wurde, umso mehr hat Ulli B. getrunken. Erst nach dem Unfall hatte er Zeit, darüber nachzudenken. Ihm wurde klar, was er will: zurück ins Leben.
Im Vorfeld alle Stressfaktoren beseitigen
„Ich habe diesen Weg selbst gewählt“, erzählt er stolz. „Ich wollte mir Hilfe in einer Fachklinik holen, und so bin ich in Kelbra gelandet.“ Eine mehrmonatige Therapie macht aus der Sicht des 51-Jährigen nur Sinn, wenn man es schafft, im Vorfeld alle Stressfaktoren zu beseitigen und sich frei zu machen. Die Selbstständigkeit hat er aufgegeben, sein Leben vor dem Einzug in die Barbarossa-Klinik geordnet. „Meine Frau stand dabei immer hinter mir“, berichtet er. „Ansonsten wäre vieles so nicht möglich gewesen.“
Die Suchtklinik in Kelbra liegt gegenüber des Stausees. Benannt ist sie nach dem deutschen Kaiser Friedrich Barbarossa (1122 bis 1190), an den das nahe Kyffhäuserdenkmal erinnert.
Behandelt werden dort Menschen, die an Alkohol-, Drogen- und Medikamentensucht leiden.
Das Gelände bietet Platz für die stationäre Behandlung von mehr als 100 Personen.
Die Bewohner sind vorwiegend in Doppelzimmern mit WC und Dusche untergebracht. Seit dem Jahr 2011 wird die Klinik von der Rehse-Gruppe, die auch in Niedersachsen tätig ist, betrieben.
Auch Henry W. hat es aus eigener Kraft geschafft, sich seiner Alkoholsucht zu stellen. „Mit 13 bin ich wegen Problemen von zu Hause weggelaufen und habe mich irgendwie versucht, durchzuschlagen“, erinnert sich der 29-Jährige. „Danach habe ich auf der Straße gelebt und da ging es auch mit dem Trinken los.“ Eine Lehre zum Garten- und Landschaftsbauer brach der junge Mann ab. Schuld war auch der Alkohol, wie er rückblickend zugibt. Die Sucht hat ihn bis heute geprägt; auch gesundheitlich. Irgendwann kam aber auch Henry W. an den Punkt, wo er sich entschied, Hilfe zu suchen. „Vorher wollte ich nie welche annehmen“, sagt er. „Doch mittlerweile weiß ich, dass ich mich dafür nicht schämen muss.“ Von seinen Ansprechpartnern in Leipzig wurde ihm die Kelbraer Einrichtung für einen mehrmonatigen Aufenthalt empfohlen. Genau wie Ulli B. kann er von diesem Ort sagen, dass er hier wieder zum eigenen Ich gefunden hat. „Ich zeichne gern Mangas“, erzählt W., „Hier hatte ich endlich wieder den Kopf frei, um kreativ zu sein.“ Alkohol ist - wie er sagt - kein Thema mehr für ihn und auch Ulli B. hat neue Möglichkeiten entdeckt, um emotionalen Stress zu meistern. „Ich esse jetzt öfter ein Eis“, sagt er lächelnd. „Und Rad fahre ich auch. Ich fühle mich einfach fitter.“
Auch beruflich haben beide Männer einen Neuanfang im Südharz gewagt. Möglich macht das die sogenannte Beschäftigungsgesellschaft, bei der Arbeitsagentur, Jobcenter, Landkreis und Sozialamt mitwirken. Ziel ist es, Suchtpatienten auch nach dem Ende ihrer Therapie berufliche Perspektiven zu geben und sie wieder ins Arbeitsleben einzugliedern. „Dadurch werden Suchtkranke auch nach ihrem Aufenthalt bei uns intensiv begleitet“, lobt Jürgen Rehse, Geschäftsführer der Barbarossa-Klinik, die Zusammenarbeit. „Es ist wichtig, den Männern und Frauen eine zweite Chance zu geben, um eventuelle Rückfälle zu vermeiden.“ Auch Ulli B. und Henry W. hatten beruflich Glück. Über die Beschäftigungsgesellschaft sind sie jetzt auf dem Gelände ihrer ehemaligen Klinik als Tischler beziehungsweise Gärtner tätig. „Meine Erfahrungen kann ich hier auch mit Patienten teilen“, sagt Ulli B. „Ich kann ja ihre Situation gut nachvollziehen und weiß, wie es ist, den Weg zurück zu suchen.“ (mz)
