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Ausstellungseröffnung in Sangerhausen Ausstellungseröffnung in Sangerhausen: Biedermann auf den Spuren von Einar Schleef

Von Viktoria Hoffmann 25.01.2015, 20:26
Rita Lauf, die 1952 nach Sangerhausen kam, steht vor dem Porträt von Biedermanns Großmutter.
Rita Lauf, die 1952 nach Sangerhausen kam, steht vor dem Porträt von Biedermanns Großmutter. Hoffmann Lizenz

Sangerhausen - Dunkel wirkt das Bild, das Alexander Biedermann in seiner aktuellen Ausstellung von Sangerhausen zeichnet. Die Reproduktionen seiner Fotografien seien etwas zu dunkel geraten und man müsse näher herantreten, entschuldigt sich der Filmemacher, Fotokünstler und Perfektionist bei der Eröffnungsrede im Mammut-Saal des Spengler-Museums . Doch auch wenn man sich die Nasenspitze an den Glasträgern plattdrückt, bleibt der Eindruck: Sangerhausen ist ein bisschen düster, ein bisschen grau. Vielleicht auch ein bisschen tot.

Das farbenfroh-lebendigste scheinen die mit bunten Lettern beklebten Reklameaufsteller. Möglicherweise schärft Biedermann selbst diese Sichtweise, spricht über die von Bevölkerungswissenschaftlern prognostizierte Zukunft der Provinzstadt, die, was die Einwohneranzahl betrifft, alles andere als rosig aussieht. „Vielleicht ist Sangerhausen irgendwann wieder ein Dorf“, mutmaßt der Künstler, der 1975 in Leipzig geboren ist. Den vielen Gästen der Ausstellungseröffnung am Samstag entlockt diese Aussage ein ungläubiges Staunen. Ein Dorf, ihr Sangerhausen?

Biedermann meint es nicht böse, nur ehrlich. Für ihn bot das Städtchen im Südharz lange Zeit wenig Anreiz. Nachdem Biedermann bis zum sechsten Lebensjahr in Leipzig lebte, kam der Umzug nach Sangerhausen. Er wuchs bei den Großeltern auf, sammelte gute und schlechte Jugenderfahrungen, legte sein Abitur ab und wollte erst einmal weg. Studium, Stadtgefühl und Szeneleben waren um so vieles attraktiver als die strukturgeschwächte Heimat. Mit dieser Einstellung war er nicht allein, nur einer von vielen der ging und nur auf Stippvisite zur mittlerweile verwitweten Oma wieder kam. Weil Kunst auch irgendwie immer Selbsterfahrung sein muss, kommt Biedermann, der mittlerweile mit Familie in Berlin und Brandenburg lebt, während der Arbeit an einem Dokumentarfilm bei seiner eigenen Biografie an. Die Menschen, die er filmte, haben alle ihren Ursprung gesucht oder gefunden, sich mit dem „Woher“ auseinandergesetzt. Da kam bei Biedermann, der Betriebswirtschaft, Medien, Kommunikation, Philosophie und Psychologie studiert hat, unweigerlich die Frage auf: „Was habe ich eigentlich für eine Verbindung zu meiner Heimat?“

In der Ausstellung lädt er nun ein und zeigt Tatorte seiner Vergangenheit. Unter den Bildern erzählt er Geschichten und Emotionen wie sie jeder aus dem eigenen Sein kennt. Zwischen den etwas trist wirkenden Bildern, die vielleicht doch einfach nur vom Staub der Vergessenheit ergraut scheinen oder graues Kopfsteinpflaster und Beton spiegeln, stechen Portraitaufnahmen heraus. Menschen, die Biedermann wichtig sind oder waren.

Jeder hat sein Bild von Sangerhausen, von der Heimat, die er einmal hatte oder noch immer hat. Unter dem Titel „Jeder hat sein Sangerhausen“ werden bis zum 22. März neben den Fotos von Biedermann auch Produkte aus Einar Schleefs fotografischer Vergangenheit zu sehen sein. Die Exposition geht von Schleef und seiner zwanghaften Beschäftigung mit Heimat und Fremde aus, stellt Biedermanns Bilder in den Fokus und soll direkt ins Innere des Betrachters gehen. Zitate aus Schleefs Hauptwerken sind thematisch den Fotografien zugeordnet.

Bei den Ausstellungsbesuchern ließen Biedermann und Schleef Erinnerungen aufkochen. Jeder der Anwesenden hätte seine persönliche Geschichte erzählen können, vom Weggehen und Wiederkommen, vom Herkommen oder einfach Hierbleiben.

Rita Lauf, beispielsweise, kam 1952, fand ihre neue Heimat hier und blieb. Die 82-Jährige war Erzieherin in der ersten Kinderkrippe Sangerhausens. „Die Stadt gehört zu mir“, resümiert sie die letzten 60 Jahre. Martina Sonntag und ihr Mann Dieter sind in Sangerhausen geboren. Es zog sie in die Ferne und Jahre später wieder zurück in den Südharz. Für das Ehepaar war es sehr interessant, auf den Bildern Momente der eigenen Kindheit zu entdecken. „Außerdem kann ich mich zu gut in den Fotografen hineinversetzen“, erklärte die Martina Sonntag, die wie Biedermann nach dem Abitur nach Leipzig ging.

Schleef und Biedermann setzen sich mit dem gleichen Thema auseinander. Schleef stand klar zu seiner Meinung, wollte Sangerhausen so schnell wie möglich den Rücken kehren. Biedermann wollte auch weg, ist nun wieder da, aber nur auf Besuch. Er schafft vor allem eins mit seinen Bildern: Den Besucher mit dem eigenen Lebensweg zu konfrontieren. Was er auf sympathische Weise nicht schafft und scheinbar auch nicht schaffen will: Mehr aus Sangerhausen zu machen als es ist. (mz)