Allstedt Allstedt: Reißt die Schließung von Hamberger andere Märkte mit?

Allstedt/MZ - Der Hamberger schließt! Diese Nachricht schlägt in Allstedt ein wie eine Bombe. Der Hamberger ist ein Großmarkt am Eingang der Stadt, gut von der Autobahn zu erreichen von all den Einkaufsmärkten und Gastronomen und anderen Großabnehmern, die sich in dem Markt bevorraten. Und das seit 1992. 20 Mitarbeiter hat der Markt in Allstedt. Bis Mitte April nächsten Jahres, so heißt es jetzt, soll der Betrieb ganz normal weiterlaufen. Und Ende April gehen die Lichter im Hamberger für immer aus.
Einer der Stammkunden ist Jürgen Burkhardt aus Osterhausen. Er ist der Wirt der „Bauernstube“ in Rothenschirmbach. Jeden Tag macht er sich auf den Weg in den Allstedter Markt und versorgt so seine Gaststätte immer frisch. „Wenn ich nach Halle oder Nordhausen fahren muss, kann ich mir das nicht mehr leisten. Ein paar hundert Euro mehr und viel Zeit setzt man da zusätzlich dran.“ In der ersten Rage äußert der Gastwirt sogar, dass er dann seine „Bauernstube“ schließen muss. „Das ist das Aus für die kleinen Klitschen. Wenn der Hamberger schließt, hat das Auswirkungen auf die ganze Region“, macht sich der Mann Luft.
Sein Ederslebener Berufskollege Frank Kindervater gibt ihm da in allen Punkten Recht. Er fragt: „Ob sich das die Zentrale in München richtig überlegt hat? Eine Marktanalyse wäre sicher hilfreich.“ Auch der Sangerhäuser Gastwirt André Reick, gleichzeitig Chef des Sangerhäuser Gewerbevereins, findet die Schließung schlimm: „Das ist das Schlechteste, was uns hiesigen Gastronomen passieren konnte. Damit wird unserer Region ein Bärendienst erwiesen. Wir bluten immer mehr aus.“ Ein Ziel des Gewerbevereins Sangerhausen sei es ja, so Reick, sich gegen den Ausverkauf der Region zu wehren. „Wir müssen sehen, was wir als Gewerbeverein tun können. Wir können nicht Riesen-Industriegebiete entwickeln und gleichzeitig geht das, was da ist, den Bach runter.“
Die Hamberger Großmarkt GmbH hat derzeit fünf Märkte und 35.000 ausschließlich gewerbliche Kunden aus der Gastronomie und der Hotellerie ebenso wie aus Cafés, Bars, Kantinen und Einzelhändler. Geschlossen werden die Märkte in Allstedt und Roßlau. Die Zentrale mit über 300 Mitarbeitern befindet sich in München. In Berlin steht eine Neueröffnung unmittelbar bevor.
Geschockt war auch Allstedts Bürgermeister Jürgen Richter (CDU) von der Nachricht: „Das ist zwar zunächst eine privatwirtschaftliche Entscheidung, die wir zu respektieren haben. Andererseits ist es aber auch ein großer Arbeitgeber in der Stadt. So einfach hinnehmen möchte ich die Schließung eigentlich nicht. Ich werde auf jeden Fall noch mal das Gespräch mit den Verantwortlichen suchen.“ Die Spucke weg blieb Doris Wilhelm aus Wolferstedt, als sie den ersten Beitrag in der MZ las und darin die Äußerungen ihres Ex-Chefs zu den Löhnen zur Kenntnis nehmen musste. „Eine Unverfrorenheit, die Kollegen der Lüge bezichtigen. Ich war bis 1997 in dem Markt beschäftigt, habe in zwei Schichten gearbeitet, aller zwei Wochen auch am Samstag. Und es waren Dumpinglöhne. Die versprochenen Gehaltserhöhungen haben wir nie gesehen.“
Die Gewerkschaft Verdi behauptet in einer Pressemitteilung, dass die Schließung der Märkte in Roßlau und Allstedt in direktem Zusammenhang mit den höheren Lohnforderungen der Mitarbeiter stehe, was Hamberger-Geschäftsführer Günter Titius jedoch abstreitet. Seit Mai bekommen die Frauen einen Brutto-Stundenlohn von sechs Euro. „Wir können heute schon damit rechnen, dass wir im Alter arm sein werden. Trotz Vollbeschäftigung und Schichtarbeit in den letzten Jahrzehnten“, sagte Cornelia Coccejus. Monika Hron arbeitet zum Beispiel seit der ersten Stunde im Hamberger und hat den Markt mit aufgebaut. Die 59-Jährige hat sich ihre voraussichtliche Rente errechnen lassen. „552 Euro werden das sein. Und das nach so langer Arbeitszeit.“ Man habe immer gedacht, das sei schon irgendwie zu machen, sagte Marina Kutzner. „Schließlich ist der Markt vor Ort. Kurze Wege. Aber das Geld reicht eigentlich hinten und vorne nicht. Es ist ja auch alles teurer geworden.“
„Dass da irgendwas im Busch ist, habe ich schon lange mitgekriegt“, sagte Ramona Plechaty. „In der Buchhaltung kriegt man ja immer ein bisschen mehr mit. Aber dass wir jetzt mir nichts, dir nichts geschlossen werden, das ist schlimm. Dabei wollten wir einfach nur etwas mehr Gehalt.“ Immerhin erwartet Hamberger-Geschäftsführer Titius, dass die Märkte in Wittenberg und Bitterfeld gestärkt aus diesem Umstrukturierungsprozess hervorgehen. Das ist besonders bitter für die Allstedter Mitarbeiterinnen. Sie haben den Markt in Wittenberg nämlich im vergangenen Jahr erst aufgebaut. „In unserer Freizeit und unentgeltlich haben wir dort im vorigen Jahr gearbeitet“, sagte Erika Albrecht.