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Abschied von Hoffmann Abschied von Hoffmann: Der Pfarrer von Seite 3

Von Beate Thomashausen 12.07.2013, 17:05
Pfarrer Rainer Hoffmann im Gespräch.
Pfarrer Rainer Hoffmann im Gespräch. Maik Schumann Lizenz

Wolferstedt/MZ - Über keinen anderen Pfarrer in der Region Sangerhausen wurde im vergangenen Jahrzehnt so viel in der Zeitung berichtet wie über den Wolferstedter Pfarrer Rainer Hoffmann. Der Pfarrer von Seite 3, nannte er sich nachher selbst scherzhaft. Dass er es bis ganz nach vorn auf den Seiten der MZ geschafft hat, war allerdings eine wenig geistliche Angelegenheit. Gerichte beschäftigten sich nämlich mit einer Büttenrede, die Hoffmann in Einsdorf hielt und durch die sich der Mittelhäuser Ortsbürgermeister diffamiert sah. Übrigens bekam letztlich der Bürgermeister Recht und der Büttenredner musste eine Strafe zahlen.

Hoffmann sagt, was er denkt. Ob er sich damit Ärger einhandelt, erscheint ihm zweitrangig zu sein. Schlagzeilen machte Hoffmann auch mit seinem Engagement gegen die „Schweinefabrik im Ziegelrodaer Forst“. Er war einer der Aktiven, die sich richtig in die Sache hineinknieten. Gesetzblätter wälzten. Termine wahrnahmen. Streitgespräche führten. Widersprüche schrieben. Aktionen organisierten und mit langem Atem ihr Ziel erreichten. Die „Schweinefabrik“ wurde nicht gebaut.

Ob man es glaubt oder nicht. Anfangs stand Hoffmann der ganzen Sache skeptisch gegenüber und mischte sich nicht in diese Debatte mit ein. Erst das Drängen aus seiner Kirchengemeinde brachte ihn dazu, als Pfarrer öffentlich Stellung zu beziehen. Auch auf der Kanzel, was ihm dann wiederum von anderen zum Vorwurf gemacht wurde. Die Kirche sei nicht dafür da, politische Meinungen zu verkünden, hieß es. Damit, seine Meinung auch auf der Kanzel zu vertreten, steht ein Pfarrer in der Allstedter Region aber in einer großen Tradition. Der Vergleich mit Thomas Müntzer, der später mitunter angestellt wurde, schmeichelt ihm.

Ostfriese kam 2000 in die Region

Rainer Hoffmann ist 47 Jahre alt. Verheiratet. Ostfriese. Im Jahr 2000 kam er nach Wolferstedt. Seine erste Wirkungsstätte als Pfarrer. Er liebt gutes Essen, Tee, Grünkohl und Boßeln. So wie man sich das vorstellt bei einem waschechten Ostfriesen. Manches aus seiner Heimat stellte er seiner Gemeinde vor. Leider sei es ihm in all den Jahren nicht gelungen, mit seinen Gemeindegliedern auch einmal Boßeln zu gehen. Ziel dieses Spiel ist es, eine Kugel mit möglichst wenigen Würfen über eine festgelegte Distanz zu befördern. Eine gesellige Sportart, die man meist im Zusammenhang mit Feiern ausübt. „Und dabei habe ich die Boßel im Schuppen liegen. Und eine Straße, die sich eignet, habe ich eigentlich auch gefunden. Aber irgendwie hat es sich nie ergeben.“

Hoffmann mag es zudem gesellig. Das weiß zum Beispiel Wolfgang Franke aus Rothenschirmbach gut. Dem Lektor, der den Pfarrer hin und wieder vertritt, wurde der Pfarrer mit den Jahren ein guter Freund. „Ich habe Rainer Hoffmann 2001 zur Verabschiedung seines Vorgängers kennen gelernt“, sagt Wolfgang Franke. „Ich empfand ihn auf Anhieb als sympathisch. Er wirkte so fröhlich auf mich. Ist offen und geht auf die Menschen zu.“ Über die Jahre sei Hoffmann zu einem Freund seiner ganzen Familie geworden. Und in den Jahren habe Hoffmann einiges aufgebaut. Nicht nur die Bauten meinte Wolfgang Franke damit, sondern die seiner Meinung nach lebendige Gemeinde mit Jungen und Alten. „Er wird mir fehlen“, sagt Franke.

Kirchlich geprägt ist Hoffmann durch seine Großmutter, die ihn als Kind mit zu Gottesdiensten und Gemeindefahrten mitnahm. Später engagierte er sich im Christlichen Verein Junger Menschen (CVJM) und war unter anderem Jugendgruppenleiter. „Ich bin dankbar für meine Zeit im CVJM. Das war ein Forum für Gläubige vom Pietisten bis zum Liberalen.“ Und so seien ihm weder die bodenständige Frömmigkeit noch religiöser Sozialismus fremd. „Beides hat seinen Platz auch in meinem Leben“, sagt Hoffmann.

Und so scheint es ihn als zwei verschiedene Menschen zu geben, die doch irgendwo wieder eins sind: Da ist zum einen der weltliche und politische Mensch, der Sozialdemokrat Hoffmann, den man im Ferrariclub in Allstedt traf und der im Stadtrat in Allstedt nie ein Blatt vor den Mund nahm. Nein, geradezu diebische Freude daran hatte, den politischen Gegner aus der Fasson zu bringen. Mitunter waren es sogar die eigenen Gemeindeglieder, die er auf der politischen Bühne schier zur Weißglut brachte mit seinen Zweifeln, seinem Nachbohren und seiner Beharrlichkeit. „Wenn man etwas macht, muss man es richtig machen“, sagt er und meint damit nicht nur sein politisches und bürgerrechtliches Engagement.

Wer nur diese Seite Hoffmann kennt, hält es für unvorstellbar, dass die Senioren aus Wolferstedt, Einzingen, Einsdorf, Winkel, Mittelhausen große Stücke auf ihren Pfarrer halten. Seine Seniorenfahrten sind beliebt und werden übers ganze Jahr herbeigesehnt. Hoffmann überlässt hier nichts dem Zufall: Er testet jede Raststelle, jede Gaststätte, jede Pension und auch die Sehenswürdigkeiten, ehe er mit seinen Senioren auf große Tour geht. „Es muss ja alles passen. Und Senioren sind da kritisch“, meint Hoffmann, der gute Küche sehr schätzt und selbst leidenschaftlich gern kocht, wie er verrät. Nicht umsonst gibt es in seiner Kirchengemeinde häufig Gottesdienste mit anschließendem Abendmahl, genau so wie es die frühen christlichen Gemeinden verstanden haben. Man isst und feiert gemeinsam. Da fühlt sich Hoffmann wohl, wenn er von Menschen umgeben ist.

Vieles aufgebaut

Die Leute hier seien von einem ganz besonderen Schlag, sagt Hoffmann. Als aufgeschlossen und freundlich beschreibt er die Menschen. „Offen und ehrlich sind die Leute hier. Das hat mir gleich gefallen und auch die Landschaft fand ich auf Anhieb schön“, berichtet Hoffmann über seine ersten Eindrücke, als er im Oktober 2000 erstmals in die Gegend um Wolferstedt kam. Herbert Schulze aus Wolferstedt war der erste Einheimische, mit dem der neue Pfarrer damals in Kontakt kam. Damals war er noch nicht der neue Pfarrer, denn ordiniert wurde er erst später hier. „Ich wusste gleich, dass viel Arbeit auf mich zukommen wird“, erinnert er sich. „Aber das war mir recht.“ Hoffmann wird wohl in Wolferstedt und Umgebung als der „Baupfarrer“ in die Geschichte eingehen. Die Pfarrhäuser und Kirchen in seinem Zuständigkeitsbereich bedurften alle dringend der Sanierung oder zumindest der Renovierung. „Mit den Leuten war das aber zu schaffen. Alle haben sich verantwortlich gefühlt. Es wurden Spenden gesammelt und es wurde selbst mit angepackt. Auch das macht den Menschenschlag hier aus“, meinte der Pfarrer. Er sah seine Aufgabe darin, in diesen freundlichen und aufgeschlossenen Menschen die Sehnsucht zu wecken, dass sie eine Aufgabe anpacken wollen, weil sie es schaffen können. Und ihm war es wichtig, das Dorf wieder an seine Kirche zu binden. „Die Leute haben nicht schlecht gestaunt, als zum ersten Mal ein Bierwagen auf dem Kirchhof stand“, lahte Hoffmann. „Aber wenn die Kirche feiert, gehören die Leute aus dem Dorf dazu.“

Am 1. August tritt Rainer Hoffmann seinen Dienst in den Kirchengemeinden Jacobidrebber und Mariendrebber im Landkreis Diepholz in Niedersachsen an. Dass er irgendwann zurückgeht in den Norden, das habe schon immer festgestanden. „Meine Mutter und meine Schwiegermutter sind jetzt in einem Alter, wo sie auch mal Hilfe benötigen könnten. Das Angebot kam genau zur richtigen Zeit, so dass wir auch nicht noch einmal zwischendurch nach Allstedt umziehen mussten“, erklärt er seine Entscheidung. Wenn er Wolferstedt und Allstedt verlässt, ist ihm nicht bange um das Gemeindeleben: „Wenn ich überhaupt auf irgendetwas richtig stolz bin auf etwas, dann sind das meine mündigen Gemeindekirchenräte, die den Mut haben, ihrem Pfarrer auch mal zu widersprechen. Sie werden die Zeit der Vakanz auf jeden Fall gut überbrücken“, sagt Hoffmann und wünscht „seinen“ alten Kirchengemeinden viel Glück und Segen.