Markus Nierth in Querfurt Markus Nierth in Querfurt: Ehemaliger Ortsbürgermeister von Tröglitz will gegen Rechtsextreme harte Kante zeigen

Querfurt - Dass ihm der Stinkefinger gezeigt wird, ist seit knapp zwei Jahren Normalität für Markus Nierth. Ebenfalls das Umdrehen und Umschauen nach Fremden, wenn er aus dem Auto steigt oder die Befürchtung, in seinem Briefkasten könnten wieder mit Kot „bestückte“ Fäkalbriefe liegen.
Markus Nierth ist der ehemalige Ortsbürgermeister von Tröglitz (Burgenlandkreis). 2015 ist er zurückgetreten: „Nicht aus Angst vor Rechten oder besorgten Bürgern“, wie der Theologe und Trauerredner bei einem Lesungsabend, organisiert vom Bündnis für Weltoffenheit, in Querfurt erzählt. Sondern: „Weil ich meine Kinder nicht den Wutgesichtern aussetzen wollte.“
Nach Brandanschlag auf Flüchtlingsheim: Bürgermeister Markus Nierth hatte sich von Tröglitzern mehr erhofft
„Spaziergänge“ von Asylgegnern entlang seines Privathauses bringen im März 2015 das Fass zum Überlaufen. Der Brand im geplanten Flüchtlingsheim des Ortes folgt. Und Nierth tritt zurück.
Die Frage nach dem Warum beantwortet der Vater von sieben Kindern ganz offen: Ihm habe die Unterstützung anderer Bürger gefehlt, um dem rechtspopulistischen Gedankengut etwas entgegenzusetzen. Von seinen Tröglitzern habe er sich mehr erhofft.
Ex-Bürgermeister von Tröglitz Markus Nierth ermutigt die „schweigende Mitte“
Nierth, der selbst ein Kind Schraplaus ist, spricht den Engagierten Mut zu, für das Gute einzustehen und ermutigt die „schweigende Mitte“, Position zu beziehen und nicht für einen faulen Frieden mit ihrer Meinung hinter dem Berg zu halten. Etwa 40 Prozent mache diese Bevölkerungsgruppe für ihn aus. „Die Gutherzigen aus dieser Mitte sollten sich um die ehrenamtlich Aktiven stellen“, meint er.
Seine politische Meinung wird Markus Nierth auch künftig kundtun. Selbst, wenn das weitere Drohbriefe, einen schrumpfenden Freundeskreis und auch Einkommenseinbußen bedeute. Den Mund zu halten, sei definitiv das Falsche.
Gesprächsforen, gebündelte Kräfte, politische Diskurse statt Duckmäuserhaltung und vor allem „keine dümmliche Trickserei der Politik“ sieht Nierth als Mittel gegen Rechtsradikalität. „Ich bin schon so weit, zu sagen, Rechte mit ihren eigenen Waffen zu schlagen und sozial zu isolieren“, meint der Tröglitzer.
Ex-Bürgermeister von Tröglitz Markus Nierth will gegenüber unbelehrbaren Rechtsextremisten klare Kante zeigen
Einer seiner Fehler in der Zeit seiner Ortsbürgermeisterschaft sei seine emotionale Sensibilität bei den „Unbelehrbaren“ gewesen. Seine Maxime daher: Harte Kante zeigen. Verständnis und Gespräche bei denen, die noch Fragen stellen, sagt er und spricht dem Querfurter Bündnismitglied Raik Schröder aus der Seele.
„Politische Bildung muss schon im Kindergarten anfangen, nicht erst mit 14“, fordert er. Ziel müsse der mündige Bürger mit ausgeprägter Persönlichkeitsstruktur und genügendem Maß an politischer Bildung sein.
Wie sollten sich Lehrer verhalten?
Der Bürger vor Ort muss in diesem Belang Vorbild sein. Zum Beispiel die Schulen, die - wie das Querfurter Gymnasium den Titel der „Schule gegen Rassismus/Schule mit Courage“ erstritten haben. „Jetzt müssten weitere Projekte kommen, aber ich habe das Gefühl, dass wir mit dem Titel stehenbleiben“, sagt ein Schüler der Einrichtung.
Eine ehemalige Lehrkraft moniert, dass ihre Lehrerkollegen nicht in dem Maße zugänglich für die Flüchtlingsproblematik sind wie es sein sollte, sich die meisten raushalten, schweigen. „Das ist unser Problem“, sagt Nierth und empört sich über die Rektorin der ehemaligen Schule seiner Töchter, die auf unbedingte Neutralität statt politisches Positionieren setze.
Helfen, Einsatz zeigen, aber wo ist die Grenze? Gewisse Sachen müsse man ertragen können, beginnt Bündnismitglied und Moderator der Lesung Ekhard Mehlhorn mit seiner Aufzählung: Von anderen nicht mehr gegrüßt oder angesprochen zu werden, sich abwendende Freunde, zerstochene Reifen oder zerkratzte Autos von denen, die dem Bündnis zugeordnet werden können. (mz)