1. MZ.de
  2. >
  3. Lokal
  4. >
  5. Nachrichten Quedlinburg
  6. >
  7. „Woher kommen denn die Infektionen?“

Amtsärztin Dr. Heike Christiansen gibt Antworten „Woher kommen denn die Infektionen?“

Wo stecken sich Menschen im Landkreis mit dem Coronavirus an, helfen Testungen? Die MZ hat beim Gesundheitsamt nachgefragt.

16.04.2021, 07:53

Quedlinburg/Halberstadt - 80 Neuinfektionen und ein Höchststand seit Beginn der zweiten Welle von 753 Fällen an Covid-19-Erkrankungen vor Ostern, in dieser Woche am Dienstag 41, am Mittwoch 61 Neuinfektionen und insgesamt 813 Covid-19-Erkrankungen - die Zahlen, die dem Gesundheitsamt des Landkreises gemeldet werden, sinken nicht. „Woher kommen denn die ganzen Infektionen“, fragt eine MZ-Leserin in einem Anruf bei der Redaktion. Man treffe sich nicht, Veranstaltungen fänden nicht statt, beim Einkauf werde Maske getragen, schildert die Frau. Wo steckten sich denn Menschen da an, fragt sie. Die MZ hat beim Gesundheitsamt des Landkreises nachgefragt.

Sind Schulen bzw. Kindereinrichtungen Treiber der Pandemie?

Tatsächlich habe es Fälle von Covid-19-Infektionen an mehreren Schulen in Halberstadt gegeben, sagt Amtsärztin Dr. Heike Christiansen. Zunächst seien nur ein bis zwei Schüler betroffen gewesen. Dann sei es aber auch zu Folgefällen unter den Schülern gekommen, so dass teilweise bis zu 21 Personen innerhalb einer Einrichtung betroffen waren - und in der Folge auch Familienmitglieder. Weil sich dann doch beispielsweise Eltern und Geschwister bei einem Kind, das zunächst in Quarantäne geschickt wurde und dann doch positiv getestet wurde, ansteckten.

Auch am vergangenen Wochenende und am Montag seien wieder Einrichtungen betroffen gewesen - fünf Kindertagesstätten und drei Schulen, sagt die Amtsärztin. Doch der Blick auf die rund 600 Neuinfektionen in den vergangenen beiden Wochen, die das Gesundheitsamt einmal nach Altersgruppen aufgeschlüsselt habe, zeige, dass nur 7 Prozent Kinder im Alter bis 6 Jahren waren, 4 Prozent im Alter von 7 bis 10 Jahren und 6 Prozent im Alter von 11 bis 18 Jahren. „Von den Zahlen her ist das nicht so viel. Aber es waren etliche Fälle über Folgefälle mit Kindereinrichtungen verknüpft“, sagte Heike Christiansen. Es habe aber auch Ausbrüche in Firmen gegeben.

Gibt es in Einrichtungen und Firmen ein höheres Risiko?

Sicherlich stellten Einrichtungen und Firmen ein hohes Risiko für Infektionen dar, da meist eine größere Anzahl an Personen zusammentreffe und längere Zeit Tätigkeiten in geschlossenen Räumlichkeiten ausübe, sagt die Amtsärztin. Daher sei die Gefahr von Ansteckungen entsprechend erhöht, und im Falle einer Covid-19-Erkrankung seien auch mehrere Personen von Quarantänemaßnahmen betroffen. „Aber der Schwerpunkt für Ansteckungen liegt auch gleichermaßen im familiären Umfeld“, erklärt Heike Christiansen.

Lassen sich die Infektionen nachvollziehen?

Wenn es beispielsweise erst einen Fall in einer Kindereinrichtung gibt und in der Folge weitere bei Kindern und deren Verwandten oder wenn Arbeitskollegen zwar räumlich getrennt gearbeitet, aber eben doch gemeinsam gefrühstückt haben - dann bei diesen Infektionsketten ja, sagt die Amtsärztin. Doch bei gut der Hälfte der Infektionen sei nicht bekannt, wo die Ansteckung erfolgte. „Es gibt immer wieder positiv Getestete, die nicht sagen können, wo sie sich angesteckt haben.“

Welche Rolle spielt die britische Mutation im Landkreis Harz?

„Momentan hat sich auch die britische Virusmutation im Landkreis ausgebreitet, die von uns auch entsprechend dokumentiert und gemeldet wird“, erklärt Heike Christiansen. „Leider kann der Nachweis aus logistischen und Kapazitätsgründen der Labore nicht in allen Fällen gewährleistet werden.“ Es sei aber davon auszugehen, dass nur noch wenige Fälle nicht durch die britische Variante verursacht würden.

Helfen Testungen im Zusammenhang mit der Modellregion?

Die Modellregion biete ein gutes Mittel, den Bürgern wieder einen Teil des alltäglichen Lebens zu ermöglichen, erklärt die Amtsärztin. Die Einrichtung von Testzentren im gesamten Landkreis sorge mit den tagesaktuellen Testungen für ein gewisses Maß an Sicherheit für Bürger und Gewerbetreibende. Die Schnelltestungen böten allerdings stets nur eine Momentaufnahme des aktuellen Gesundheitszustandes und müssten daher im Idealfall täglich erneuert werden.

„Soll die Testung nicht nur dazu dienen, mehr oder weniger zufällig Fälle zu erkennen, bevor Symptome auftreten, sondern auch gezielt dafür eingesetzt werden, dass möglichst gar keine Infektionen beispielsweise im betrieblichen Kontext weiter getragen werden, müssten die Testungen im Zwei-Tages-Abstand erfolgen“, sagt Heike Christiansen und erläutert: Wenn jemand beispielsweise beim Testen am Montag noch negativ gewesen sei und dann am Mittwoch positiv getestet werde, habe er am Dienstag wahrscheinlich noch nicht sehr viele Viren ausgeschieden, weil sich die Infektion erst entwickelt hat. „Dies setzt selbstverständlich eine sachgerechte Testung voraus.“

Wie kann man sich vor Ansteckung schützen?

Die Befragung von Betroffenen bei den Ermittlungen habe gezeigt, dass viele Ansteckungen zu vermeiden gewesen wären, wenn auf das Tragen von medizinischen Mund-Nasen-Schutz sowie ausreichende Lüftung und die damit vermeidbare Anreicherung von Aerosolen in der Raumluft geachtet worden wäre, erklärt die Amtsärztin. Somit sei das konsequente Einhalten der allgemein bekannten Hygieneregeln ein wirksames und einfach durchzuführendes Mittel zum Schutz vor Ansteckung. „Besteht die Möglichkeit einer Impfung, sollte diese natürlich auch in Betracht gezogen werden“, sagt Heike Christiansen.

Auch wenn dadurch kein vollständiger Schutz sichergestellt werden könne, würden die Infektionsgefahr und Übertragung signifikant minimiert und auch der Krankheitsverlauf deutlich abgeschwächt. „Wichtig ist auch, dass nicht immer wieder Personen zur Arbeit oder Kinder zur Schule gehen, die selbst Symptome einer Erkältung zeigen oder in deren Familien es solche Fälle gibt“, so die Amtsärztin weiter. „Hier sollte immer erst eine Abklärung durch einen Test - möglichst bei einem Arzt - erfolgen.“ (mz/pek)