Mühsame Handarbeit in der Forstwirtschaft „Wir laufen dem Käfer hinterher“
Die Aufforstung läuft auf Hochtouren: In den Harzer Wäldern werden in diesen Wochen wieder Hunderttausende Bäume gepflanzt.
Harzgerode/Trautenstein - „So einen Kahlschlag hätten wir unter normalen Umständen nie gemacht“, sagt Hans Schattenberg, der Leiter des Forstbetriebs Ostharz. Aber was ist seit „Friederike“, dem großen Sturmtief, das Anfang 2018 mit voller Wucht über den Harz fegte, schon normal? Es war der Beginn einer Katastrophe, in der der Borkenkäfer letztlich die Oberhand gewonnen hat. „Wir laufen dem Käfer hinterher“, die angerissenen Bestände seien die Keimzelle für den Befall, „wir müssen versuchen, alle befallenen Bäume zu erwischen“, erklärt der Forstbetriebsleiter.
Deshalb sieht es um den Birnbaumteich bei Neudorf seit ein paar Wochen auch so aus, wie es aussieht. Geblieben ist da nicht mehr viel. An den Wegen stapeln sich die Holzpolter. Und nicht nur dort: Von den Flächen, die der Forstbetrieb Ostharz bewirtschaftet - Huy und Hakel ausgenommen -, sind inzwischen 3.200 Hektar kahl. Und die verbliebenen Fichten kämpfen ums Überleben, bilden Zapfen ohne Ende. „Das ist“, so Schattenberg, „nicht normal, ein Alarmzeichen. Die merken, sie sterben aus.“
„Wir versuchen jedes Jahr zwischen 300 und 350 Hektar zu schaffen
Die Aufforstung ist eine Mammutaufgabe. „Wir versuchen jedes Jahr zwischen 300 und 350 Hektar zu schaffen und sind gerade wieder voll dabei – mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln“, sagt er. Im Einsatz sind dabei nicht nur die eigenen Leute; sie bringen etwa ein Fünftel der Pflanzen in die Erde. Das Gros erledigen Fremdfirmen, vorwiegend aus Osteuropa. Noch bis Ende Mai sind sie auf gut 100 Hektar zugange; im Herbst nehmen sie sich weitere 180 vor. Bei durchschnittlich 5.000 Bäumen, die pro Hektar gepflanzt werden, macht das in Summe weit mehr als eine Millionen Pflanzen.
Und die werden, so Schattenberg, hoffentlich die beste Voraussetzungen haben anzuwachsen: Nachdem es jetzt drei Jahre zu trocken war und zu heiß, sodass selbst Eiche und Buche geschwächt wurden, spielt jetzt immerhin in die Karten, dass es einen Winter gab, dass Schnee lag und immer mal wieder Niederschläge fallen.
„Wir sind noch mitten in der Beräumung. Die toten Bestände müssen raus“
Auch im Oberharz, wo der Fichtenbestand noch höher war und sich der Kahlschlag auf einer Fläche erstreckt, die etwa doppelt so groß ist wie im Ostharz, läuft die Aufforstung auf Hochtouren: Wenn die Frühjahrspflanzung abgeschlossen ist, werden nach Auskunft vom Oberharzer Forstbetriebsleiter Eberhard Reckleben 1,2 Millionen Bäume auf 320 Hektar gepflanzt worden sein. „Wenn wir in dem Rhythmus weitermachen, brauchen wir 20 Jahre“, sagt er.
Nur: Stemmen lässt sich eben auch nicht mehr. „Wir sind noch mitten in der Beräumung. Die toten Bestände müssen raus. Alles, was stehen bleibt, ist eine Falle“, macht auch Reckleben unmissverständlich klar. Und hier wie da arbeiten Förster und Waldarbeiter am Anschlag.
„Es ist wirklich aufwendig, was wir hier betreiben“, sagt Schattenberg. Zumal die Aufforstung im Harz reine Handarbeit ist und sehr kräftezehrend sein kann. Je nach Lage und Bodenverhältnissen. Gepflanzt wird auf verschiedenen Böden: Einige ebene Bereiche sind großflächig gemulcht. „Das sieht zugegebenermaßen nicht schön aus, ist aber einfacher“, und die Anwuchsbedingungen seien besser, sagt Schattenberg. An einem Steilhang im Neudorfer Revier zwischen lauter Gestrüpp sind dagegen Peter Hüthel, Philipp Noa und Tobias Wehle im Einsatz. Mit einem Göttinger Fahrradlenker, einer Art Pflanzspaten, und der Wiedehopfhaue, einem Mix aus Hacke und Axt, heben sie alle drei Meter Pflanzlöcher für Douglasien aus. Bäumchen um Bäumchen findet so seinen neuen Platz.
„Die Douglasie hat die Kapriolen bisher gut überstanden, und sie wächst schnell“
„Die Douglasie hat die Kapriolen bisher gut überstanden, und sie wächst schnell“, sagt Schattenberg. Es ist eine von vielen Baumarten, auf die er und seine Kollegen setzen: neben Lärche - eine „wunderbare Vorwaldbaumart“, die der Förstergeneration in 20, 30 Jahren ermögliche, darunter weitere Arten zu pflanzen - und Höhenkiefer auch Bergahorn, Winterlinde und Nussbaumarten wie die Schwarznuss. Sie wächst unter ähnlichen Bedingungen wie die vom Eschentriebsterben bedrohte Esche.
Dazu kommen Buchen und Eichen. Ihre Anordnung erfolgt schachbrettartig. Und für die Waldrandgestaltung werden Arten wie Wildapfel, -birne und Esskastanie gewählt, also niedrigere Bäume. So soll der dahinterliegende Baumbestand geschützt, dem Wind nicht die volle Angriffsfläche geboten werden.
Die Vielfalt kommt nicht von ungefähr. Sie ist Teil der Strategie. „Wir wissen nicht, wie sich das Klima in den nächsten Jahrzehnten entwickelt“, sagt Schattenberg. Also wird Risikovorsorge betrieben, weit vorausschauend entschieden. Denn: „Der Landwirt sieht im nächsten Jahr, ob er Mist gebaut hat, der Förster erst zwei Generationen später.“ (mz/tho)