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Am 6. März ist Europäischer Tag der Logopädie Wie aus „Slange“ eine „Schlange“ wird - Logopädin aus dem Harz gibt Tipps für Zuhause

Wenn das Sprechen Probleme bereitet, helfen Steffi Ungefroren und ihre Kolleginnen. Die 40-Jährige ist Logopädin in Radisleben. Warum sie den Beruf ergriffen hat, wie sie vorgeht und wie Eltern auch schon mit einfachen Mitteln zu Co-Therapeuten werden können.

Von Susanne Thon Aktualisiert: 06.03.2024, 10:45

Radisleben/MZ. - Theoretisch“, sagt Steffi Ungefroren, „könnte man eine Therapie auch mit einem weißen A4-Blatt und einem Bleistift gestalten. Es kommt halt immer drauf an, was man daraus macht. Man muss nur kreativ sein.“ Die 40-Jährige und ihre Kolleginnen sind kreativ, mögen’s aber etwas bunter, wohl auch, weil die meisten ihrer Klienten Kinder sind. Etliche Sprach- und Lernspiele stapeln sich in den Schränken; in den Regalen stehen Bücher. Und auch Ungefrorens Puppenhaus, das ihr ihr Vater einst gebaut und mit dem sie als Kind gespielt hat, ist – nach kleineren Sanierungsarbeiten – vom Dachboden in die Praxis gezogen: in die Praxis für Logopädie Domänenhof in Radisleben

„Das Puppenhaus ist der Renner, bei den Mädchen, bei den Jungs“, erzählt sie, „hier können wir verschiedene Situationen super nachspielen und bestimmte Satzmuster anbieten: Der Papa schläft. Die Mama kocht und so weiter.“

Logopädie, das heißt, wenn man es wörtlich übersetzt, Worterziehung. Logopäden behandeln Sprach-, Sprech-, Stimm- und Schluckstörungen. Und der heutige 6. März ist ihr Tag: Zum 20. Mal wird der Europäische Tag der Logopädie begangen. Er wurde ins Leben gerufen, um auf den Beruf, die Vielfalt und Notwendigkeit der Logopädie aufmerksam zu machen.

Die Zahl der Kinder mit Sprachstörungen ist zuletzt stark angestiegen. Laut einer Erhebung der KKH zwischen 2012 und 2022 um 59 Prozent. Auch Ungefroren bestätigt, dass immer mehr Kindern eine logopädische Therapie verordnet werde. „Als ich in der Grundschule war, brauchte ein einziger Junge Logopädie, weil er gestottert hat“, erinnert sie sich. Auch die Störungsbilder seien komplexer geworden, sagt sie. Da werden mitunter mehrere Laute nicht beherrscht, Anlaute wie das „Sch“ bei Schokolade nicht herausgehört; die Kinder können teils keine Silben klatschen, nicht reimen.

Die Gründe dafür sind vielfältig: Sicherlich spiele der Medienkonsum der Eltern eine Rolle, aber „nicht alles kann auf fehlende Kommunikation zwischen Eltern und Kindern geschoben werden“, sagt Ungefroren. Auch anatomische und genetische Ursachen gibt es. „Manche Kinder haben vergrößerte Mandeln, können also in der Sturm- und Drangzeit der Sprachentwicklung zwischen zwei und vier Jahren manches nicht hören, und dann sprechen sie so, wie sie es verstehen“, nennt die Logopädin ein Beispiel. Bei der Anamnese wird deshalb ganz genau geguckt, viel gefragt. Sie ist Teil der Diagnostik. Dann wird ein individueller Therapieplan erstellt und gegebenenfalls auch noch mal an einen Arzt verwiesen.

Während einige schon nach zehn Sitzungen erste Erfolge verzeichnen, brauchen andere länger. „Die Kinder müssen erst eine Eigenwahrnehmung entwickeln, heißt: sich beim Sprechen zuhören können, damit sie selbst merken, dass sie ,Slange‘ und nicht ,Schlange‘ sagen“, sagt Ungefroren. Mit am Wichtigsten sei, die Kinder zu motivieren, selbst dann, wenn’s noch nicht geklappt hat, sie es aber probiert haben. „Das macht was mit den Kindern“, da werde Dopamin freigesetzt, ein „Glückshormon“, „und das wirkt sich positiv aufs Sprachzentrum aus“.

Aber nicht nur Kinder gehen in der Praxis in Radisleben ein und aus. Auch Demenzpatienten, Menschen nach Schilddrüsen-OP oder Schlaganfall sind Klienten. „Kommen wir über den verbalen Kanal nicht weiter, arbeiten wir auch mit Kommunikationsgeräten“, erklärt die Logopädin. Bei einem ALS-Patienten war das zum Beispiel eine Hilfe per Augensteuerung.

Seit 17 Jahren arbeitet Ungefroren, die aus Harzgerode stammt, als Logopädin. Einen schöneren Beruf könnte sie sich nicht vorstellen. „Mein Herz hängt da so sehr dran“, sagt sie. Zu verdanken hat sie das ihrer Oma: „Oma hat gesagt, Logopädin wäre doch ein schöner Beruf“, erzählt Ungefroren, die da gerade in der elften Klasse war. Nach der Ausbildung in Leipzig fasste sie in einer logopädischen Praxis in Aschersleben beruflich Fuß. Dort blieb sie viele Jahre. Dann zog es sie nach Ballenstedt; und auch beruflich verschlug es sie bald in den Harz. Anfang 2021 fing die dreifache Mutter in der damals noch recht neuen Praxis in Radisleben an.

Tipps für Zuhause

Bei einer logopädischen Sitzung à 45 Minuten pro Woche hängt der Therapieerfolg auch davon ab, wie zu Hause mitgearbeitet wird. „Denn wir können nicht zaubern“, sagt Ungefroren. „Die Elternarbeit ist wichtig. Ich erkläre den Eltern immer, dass sie meine Co-Therapeuten sind“, so die Logopädin. Merkspiele eigneten sich, um die visuelle Wahrnehmung zu fördern und die auditive Merkspanne zu verbessern, sagt sie. Beim Hörtraining könne man den Fokus darauf legen, bestimmte Laute zu erkennen; die Zungenränder ließen sich kräftigen, in dem man einen Strohhalm mit der Zunge umschließe; und Esspapier eigne sich für Ansaugübungen am Gaumen, nennt sie weitere Beispiele. „Schon mit kleinen Dingen kann man viel erreichen“, so Ungefroren.