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Vietnamesin wird mit Bundesverdienstkreuz ausgezeichnet Vietnamesin wird mit Bundesverdienstkreuz ausgezeichnet: In neuer Heimat keine Fremde

Von Andreas Bürkner 06.07.2014, 18:35
Huong Thanh Trute versteht sich als Vermittlerin zwischen den Kulturen. Dafür erhält sie heute das Bundesverdienstkreuz am Bande.
Huong Thanh Trute versteht sich als Vermittlerin zwischen den Kulturen. Dafür erhält sie heute das Bundesverdienstkreuz am Bande. Chris Wohlfeld Lizenz

Wernigerode/MZ - Als der amerikanische Schauspieler George Clooney in Wernigerode seinen 52. Geburtstag feierte, mögen vor allem viele Frauen Huong Thanh Trute beneidet haben.

Mit der Verleihung des Verdienstordens, der höchsten Auszeichnung der Bundesrepublik Deutschland, dankt der Staat Personen für herausragende Leistungen für das Gemeinwohl. Der Verdienstorden wird in acht Stufen verliehen. Als Erstauszeichnung wird die Verdienstmedaille oder das Verdienstkreuz am Bande verliehen. Weitere Ausführungen sind das Verdienstkreuz 1. Klasse, das Große Verdienstkreuz, das Große Verdienstkreuz mit Stern, das Große Verdienstkreuz mit Stern und Schulterband sowie das Großkreuz. Letzteres ist nur Staatsoberhäuptern vorbehalten. Die Ehrung „anregen“ kann jeder für jeden, in der Regel bei den Ministerpräsidenten der Länder. Diese unterbreiten dem Bundespräsidenten Vorschläge zur Verleihung des Verdienstordens.

Die Chefin des asiatischen Spezialitätenrestaurants „Orchidea“ hinter dem Wernigeröder Markt, wo Clooney einkehrte, zeichnet am Montag Landesvater Reiner Haseloff mit dem Bundesverdienstkreuz am Bande aus.

Allerdings hat das eine mit dem anderen fast nichts zu tun. Die Ehrung erfolgt für den unermüdlichen Einsatz der 56-Jährigen zur Integration von Migranten. „Vor allem Jugendlichen möchte ich vermitteln, dass sie so früh wie möglich am gesellschaftlichen Leben teilhaben und sich einbringen“, betont sie. „Dabei ist das Herkunftsland völlig egal.“

Schon als Kind auf sich gestellt

„Mit ihrem ehrenamtlichen Engagement leistet sie einen eindrucksvollen Beitrag zum sozialen Ausgleich und zur interkulturellen Verständigung“, begründet Susi Möbbeck, Integrationsbeauftragte der Landesregierung, den Vorschlag für die Auszeichnung. „Ich bin vermutlich die erste vietnamesische Staatsbürgerin, die diesen Orden bekommt“, ist sich die Gastronomin ihrer Rolle bewusst.

Wohl nur wenige haben in ihrem Leben solch umfangreiche Erfahrungen gesammelt - nicht nur, was es heißt, eine „Fremde“ zu sein. Huong Trute: „Ich habe auch andere Menschen kennengelernt, die sich schützend vor mich gestellt und mir geholfen haben.“ Zuerst denkt sie dabei an ihre spätere Schwiegermutter in Trautenstein, der sie vieles verdankt. „Sie war so herzlich, meine zweite Mutter.“

Während des Krieges in ihrer Heimat wurde sie als Kind mehrfach von den Eltern in Hanoi getrennt und war im Dschungel den Repressalien der Mitschüler ausgesetzt. Mit Geschick und ihrem bis heute gebliebenen einnehmenden Wesen konnte sie die Widersacher meist für sich gewinnen.

Rebellion gegen Überwachung

Ebenso fremd war ihr die DDR, in der sie ab 1976 den Berufs einer Zerspanungsfacharbeiterin in Zittau erlernte. „Mit 18 Jahren kam ich in eine ganz andere Welt.“ Strenge Regularien für Gastarbeiter hätten Kontakte zu Einheimischen verhindert. Auch während des Studiums zur Ingenieurpädagogin in Karl-MarxStadt (heute Chemnitz) sei eine Überwachung erfolgt, gegen die sie rebelliert habe. „Das hat mir einen Verweis eingebracht, über den sogar meine Eltern informiert wurden“, lächelt sie heute. Damals drohte ihr die Abschiebung. Als Huong, was „Duft“ bedeutet, 1981 nach dem Studium nach Vietnam zurückkehrte, hatte sich vieles geändert. Plötzlich war ihr die eigene Heimat fremd geworden. „Ich war deutsche Normen gewohnt, die sich dort nicht umsetzten ließen.“

1987 kehrte sie für fünf Jahre in die DDR zurück, als Dolmetscherin für die Gastarbeiter im Harz. „Für mich stand zu diesem Zeitpunkt fest, dass ich nicht mehr nach Vietnam zurückgehe“, wusste Huong Thanh, bevor sie im Jahr darauf Heinz Trute kennenlernte.

Es habe sich so ergeben, „ich war nicht auf Männersuche“, stellt sie klar. „Er hat uns als Busfahrer zur Arbeit gebracht. Weil ich die einzige war, die deutsch verstand, kamen wir ins Gespräch.“ Immer wieder besuchte sie seine Familie in Trautenstein. Es ist der Ort, in dem sie noch heute wohnt.

Mit dem Mauerfall entstand für Gastarbeiter, obwohl die DDR-Verträge für sie weiter galten, eine rechtlich komplizierte Situation. Vor Ablauf ihrer Aufenthaltsgenehmigung wurde Huong 1992 zu Frau Trute. Sie fand - „zum Glück“, wie sie betont - Arbeit bei einem Fotografen. „In der Hermannshöhle habe ich Besucher abgelichtet.“ Ein Professor aus Münster, „der sich nicht fotografieren ließ“, riet ihr, „lieber in die Wirtschaft zu gehen“. Das setzte sie schon bald um.

Zurück zur Gastronomie

Im März 1993 begann sie in einer Braunlager Gaststätte. Obwohl anfangs argwöhnisch beobachtet, setzte sie sich mit ihrem Fleiß durch. „Ich wusste, was ich wollte.“ Ein dreiviertel Jahr später eröffnete sie in Hasselfelde bereits ihr eigenes Restaurant. Im Westharz hatte die noch immer gertenschlanke Huong vor allem ihre Kenntnisse aufgefrischt. „Meine Mutter leitete einen Gastronomie-Betrieb. Mehrfach habe ich die Mitschüler zu Feiern bekocht.“ 2006 startete sie mit dem „Orchidea“ in Wernigerode durch, das zu den beliebtesten Lokalen im Harz gehört. Dort engagiert sie sich in der Städtepartnerschaft zwischen Wernigerode und Hoi An in Vietnam. „So komme ich wieder öfter in die alte Heimat.“

Zu kulinarischen Abenden oder Besuchen in Schulen und Kitas stellen sie und die Mitstreiter des „interkulturellen Netzwerks“ die Heimatländer vor. „Wir tanzen, singen und spielen.“ Huong Thanh Trute: „Ich möchte anderen helfen, hier schneller Fuß zu fassen.“