Tradition und Neues in Neinstedt Tradition und Neues in Neinstedt: Nahe am Glück

neinstedt/MZ - Unter dem Motto „Nahe am Glück“ ist am Sonntag in Neinstedt das 164. Jahresfest begangen begangen worden. Allerdings nicht mehr von den „Neinstedter Anstalten“, sondern von der zukünftigen Evangelischen Stiftung Neinstedt. „Anstalt“ - hinter dieser Begrifflichkeit des 19. Jahrhunderts stehe seit Langem ein Fragezeichen in der Diskussion um das Selbstverständnis der Neinstedter Einrichtungen. Auch viele Heimbewohner und Patienten der Stiftung wollten nicht in einer Anstalt leben - fixiert und verwahrt, betonte Diakon Hans Jaekel in der offiziellen Bekanntgabe der umfassenden Veränderungen. „Der Inhalt bestimmt die Form“, so Jaekel. Neben der Änderung des Namens und Logos fanden seit Anfang diesen Jahres auch strukturelle Umwälzungen innerhalb des Unternehmens statt. Unter dem Kuratorium, bestehend aus Dietrich Bretthauer als vorsitzendem Vorstand, dem pädagogisch-diakonischen Vorstand Hans Jaekel sowie Stephan Zwick als kaufmännischem und Personalvorstand, fungieren nun zehn Frauen und Männer als Bereichsleiter über die einzelnen Arbeitsbereiche.
"Der gute Hirte"
Die Pflege, Betreuung und heilpädagogische Förderung von Menschen mit geistiger Behinderung, die sogenannte Eingliederungshilfe, ist Schwerpunkt der Evangelischen Stiftung Neinstedt. 660 Plätze in Heimen und Außenwohnungen werden den Patienten zur Verfügung gestellt. Seit Sommer 2013 zähle dazu ebenso „Der gute Hirte“ Wernigerode, ab August 2015 sei die Eröffnung einer Wohneinheit in Blankenburg geplant, erklärte Hans Jaekel. Insgesamt rund 850 Mitarbeiter seien für das Wohl der Betreuten zuständig.
Unter dem Schutz der Kirche konnten sich die „Neinstedter Anstalten“ in der DDR zur größten Einrichtung für geistig behinderte Menschen entwickeln. Seit Mitte der 60er Jahre begannen der Aufbau kleiner Wohn- und Fördergruppen und die deutlichere Trennung der Wohn-, Arbeits- und Beschäftigungsbereiche für Menschen mit Behinderungen. Heute sind beispielsweise in den modernen Werkhallen der „teamwork-Werkstätten“ Neinstedt 360 Mitarbeiter tätig. Körperlich, geistig oder seelisch behinderte Menschen werden hier von Fachkräften aus Handwerk und Technik nach ihren Bedürfnissen und Neigungen ausgebildet und in den Arbeitsprozess integriert. Industrie- und Privatkunden können unter anderem in den Bereichen Holz, Metall, industrielle Montage oder Landschaftsbau individuelle Lösungen für sich nutzen.
Daneben bietet die Evangelische Stiftung Neinstedt vielfältige Angebote in der Seniorenbetreuung und -pflege in Neinstedt, Gernrode, Quedlinburg und Harzgerode. Geistig behinderte Kinder und Jugendliche aus dem Harzkreis leben im Wohnheim „Buntes Haus“ und lernen in der Johannenschule beim Förderunterricht. Die Schule lud zahlreiche interessierte Eltern zu einem Tag der offenen Tür ein. Umfassende medizinischen Betreuung und Krankenhilfe finden Betroffene im Fachkrankenhaus für Psychiatrie, der Ambulanz und der Physiotherapie. Am Stand vor der Ergotherapie konnte man von den Patienten gefertigte, kleine Kunstwerke erstehen. „Da ist nichts, was die nicht können, eben alles auf ihre Art“, beschreibt Adelheit Mühlmann, Leiterin der Ergotherapie, Kerzen, Körbe, Tücher und Schmuck, deren Erlös in neue Therapiemittel einfließt.
Unter dem Dach der Stiftung bietet die Fachschule für Heilerziehungspflege Ausbildungsplätze und berufliche Perspektiven für junge Leute in der Region.
Sponsoren, Dorfbewohner und Gäste informierten sich in einer Führung über das Projekt „Grüne Wärme“ und die technischen und ökologischen Hintergründe des neuen Heizsystems der Neinstedter Stiftung. Dieses würde vorwiegend aus Wärme gespeist, die aus regenerativen Energien erzeugt wird, hieß es. Der hierbei ebenfalls produzierte Strom aus zwei Blockheizkraftwerken werde an den Stromversorger verkauft.
Familienfreundlich, offen und informativ zeigte sich die Evangelische Stiftung Neinstedt. Am Beispiel des Kulturprogramms vor dem Claudius-Haus, das weitgehend von Bewohnern der einzelnen Einrichtungen selbst gestaltet wurde, zeige sich „unsere Haltung zu den uns anvertrauten Bewohnern und unser kooperatives Verständnis des Umgangs miteinander“, sagte Hans Jaekel. „Wir durften über 2 000 Besucher begrüßen“, freute sich Stephan Zwick. „Diese Zahl verdeutlicht die hohe Akzeptanz der Evangelischen Stiftung Neinstedt in der Bevölkerung.“
