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Tourismus Tourismus: In Quedlinburg wird über die Gästeführer gestritten

Von Ingo Kugenbuch 12.06.2015, 15:19
Für Touristen wohl eher ein ungewohntes Bild: Kampf um Gäste auf dem Quedlinburger Marktplatz.
Für Touristen wohl eher ein ungewohntes Bild: Kampf um Gäste auf dem Quedlinburger Marktplatz. Frank Ruprecht Lizenz

Quedlinburg - In Quedlinburg tobt ein Krieg, der nur von jenen wahrgenommen wird, die genau hinsehen - obwohl er sich direkt im Zentrum der Stadt abspielt. Es ist der Kampf der Gästeführer um ihre Kunden. Ob „Quedlinburg-Information“, „Arbeitsgemeinschaft Quedlinburg Tourismus“, „Quedlinburger Stadtinformation“ oder deutschlandweit agierende Reisebus-Unternehmen - sie alle bieten diverse Stadtführungen an.

„Halbwissen und Lügen“

Dass diese sich qualitativ sehr unterscheiden, kritisiert zum Beispiel Heide Escher. Die 74-Jährige wohnt seit 1980 in Quedlinburg und hat schlechte Erfahrungen mit einer Führerin der „Stadtinformation“ gemacht. Diese habe drei Frauen aus Essen, die Quedlinburg besuchten, regelrecht schockiert. „Sie hat behauptet, in der DDR gab es kein Kataster und kein Grundbuch“, so Heide Escher. Außerdem habe sie auf ihrer Führung gesagt, dass ganz Quedlinburg zu DDR-Zeiten abgerissen werden sollte und man sich damals an den Häusern bedienen konnte, wie man wollte, und einfach Baumaterial mitnehmen durfte. „Man kann doch nicht alles schlechtmachen, was mal war, und Halbwissen und Lügen verbreiten“, schimpft Heide Escher. „Das ist hier kein Dorf, das ist das Welterbe.“

Gästeführer ist laut Ralf Riediger, Vorsitzender des Gästeführervereins Quedlinburg, keine geschützte Berufsbezeichnung. „Niemandem kann verboten werden, eine Stadtführung anzubieten“, sagt Riediger. Es ist also kein Wunder, dass es in Quedlinburg mehrere Anbieter für Stadtführungen gibt.

Der Gästeführerverein rät Touristen, auf das Zertifikat des Deutschen Tourismusverbands - das weiße „i“ auf rotem Grund - zu achten, das in Quedlinburg nur die städtische Tourist-Info besitzt.

Peinlicher Imageschaden

„Dass die gesamte Stadt abgerissen werden sollte, ist maßlos übertrieben“, sagt Ralf Riediger, der Vorsitzende des Quedlinburger Gästeführervereins. Zwar habe es in den 1960er Jahren den Plan gegeben, etwa Dreiviertel der historischen Bausubstanz platt zu machen, sagt Riediger. „Von diesem Vorschlag hat man sich aber in den 70er Jahren verabschiedet.“ Ein Straßenzug sei tatsächlich abgerissen worden, so Sabine Houben aus dem Vorstand das Gästeführervereins. „Aber das Baumaterial wurde aufgehoben und ist im Lager für historische Baustoffe gelandet.“

Riediger sieht Führungen, in denen Halbwahrheiten verbreitet werden oder die Stadt miesgemacht wird, mit Sorge. „Da entsteht ein riesiger Image-Schaden“, sagt er. „Das ist einfach nur peinlich.“ Als Gästeführer, da sind sich Riediger und Houben einig, müsse man seine Stadt positiv darstellen. „Und da muss man gar nicht übertreiben oder lügen - es gibt ja genug Positives zu berichten“, sagt Sabine Houben.

Verhärtete Fronten

Der Gästeführerverein versucht die hohe Qualität seiner etwa 50 Führer durch eine halbjährige Ausbildung und regelmäßige Seminare, Weiterbildungen und gemeinsame Exkursionen zu halten. Seine Stadtführer sind vor allem für die am Markt 4 beheimatete Quedlinburg-Information der städtischen Quedlinburg-Tourismus-Marketing GmbH unterwegs. Die Aufträge zu Führungen werden von der Info gegen eine Provision vermittelt. „Das ist ein Partner, der auf Qualität achtet“, sagt Riediger.

Die kritisierte Gästeführerin arbeitet beim Konkurrenten, der „grünen Info“, direkt nebenan am Markt 3. Dass die Frau eine schlechte Führung gemacht haben könnte, weist Chef Hartmut Heger weit von sich. „Sie hat eine Ausbildung absolviert und ist richtig fit“, sagt er. Seine Mitarbeiter seien ohnehin besser als jene der städtischen „roten Info“ und „überwiegend Mitglied im Gästeführerverein“. Wenn das stimmt, hat Heger nur drei Führer. Denn laut Riediger arbeiten genau zwei seiner Vereinsmitglieder für die „grüne Info“. (mz)