Thale Thale: Wilhelmine Heimburg war bekannter als Fontane
Thale/MZ. - In einem Brief aus dem Jahr 1885 schreibt Theodor Fontane, dass er ein Gespräch am Nachbartisch mit angehört habe, bei dem mit unbeschreiblicher Faszination über ein Buch der Heimburg gesprochen wurde. "Ich glaube nicht, dass jemals … über irgendwas, das ich geschrieben, auch nur annähernd mit solcher Begeisterung gesprochen wurde", ereifert sich der Mann. Weit über 100 Jahre nach diesem Brief ist sein Name jedoch der Allgemeinheit nach wie vor ein Begriff. Der Name Heimburg ist dagegen nur absoluten Literaturfreunden und Fans bekannt.
Die Frau, deren Bekanntheitsgrad Fontane gegen den Strich ging, gehörte in ihrer Zeit zu den Bestsellerautoren. Sie veröffentlichte Geschichten in der allseits beliebten und gern gelesenen "Gartenlaube" und brachte eine Reihe von Romanen heraus. Etliche davon haben als Handlungsorte Thale, Quedlinburg oder Ballenstedt. Hier kannte sich die im 19. Jahrhundert beliebte Autorin aus, hier war sie quasi zu Hause.
Wilhelmine Heimburg ist ein Künstlername, hinter dem sich Emilie Wilhelmine Bertha Behrens verbirgt. Sie wurde am 7. September 1848 in Thale geboren. Gestorben ist sie am 9. September 1912 in Dresden. Ihr Todestag jährte sich in diesem Jahr also zum 100. Mal. Wilhelmines Großvater war der Förster Karl Daude, der auf der Thalenser Hubertusinsel wohnte, die dortige Solequelle neu fassen ließ und damit Heilungssuchende in größerer Zahl anlockte. Wilhelmine war das erste Kind des Arztes Hugo Behrens und der Daude-Tochter Karoline Henriette Berta. 1852 siedelte die Familie nach Quedlinburg über, wo der Vater eine militärärztliche Karriere anstrebte. In Quedlinburg, wo die Behrens in der Langen Gasse wohnten, verbrachte Wilhelmine Kindheit und Schulzeit. Sie soll bereits mit vier Jahren lesen gekonnt haben, aber ansonsten eine mittelmäßige, zerstreute Schülerin gewesen sein, die sich nur für Literatur und die deutsche Sprache begeistern konnte.
1873 wurde Vater Hugo Behrens nach Salzwedel versetzt. Dort machte sie ihre ersten literarischen Gehversuche. Zu Weihnachten 1875 schenkte Wilhelmine dem Vater die Novelle "Melanie". Ihr Erstlingswerk wurde 1876 gedruckt. Ihren ersten Roman mit dem Titel "Aus dem Leben meiner alten Freundin" schickte der Vater zur "Gartenlaube". Diese Zeitschrift war ein Vorläufer moderner Illustrierten und das erste erfolgreiche deutsche Massenblatt. "Die Gartenlaube" lehnte eine Veröffentlichung jedoch ab. Der Roman erschien daher zunächst in der "Magdeburgischen Zeitung", die dadurch ihre Auflage verdoppelte. Wenig später kam er als Buch heraus und hatte bis 1885 innerhalb kürzester Zeit fünf Auflagen. Die Heimburg war mit einem Schlag bekannt. Jetzt war sie auch bei der "Gartenlaube" willkommen, deren wichtigste Mitarbeiterin sie wurde. Nachdem sie einige Zeit in Frankfurt am Main gelebt hatte, zog die gesamte Familie nach Kötzschen-broda bei Dresden, wo sie in der Nachbarschaft von Karl May wohnte. 1908 erwarb sie in Niederlößnitz bei Dresden die heute denkmalgeschützte Villa Heimburg, die sie "Haus Heimburg" nannte. Zwei Jahre später verlor sie, nachdem Anfang 1880 bereits ihr heiß geliebter Bruder verstarb, beide Eltern. Wiederum zwei Jahre später, nur zwei Tage nach ihrem 64. Geburtstag, schloss auch Wilhelmine Heimburg ihre Augen für immer.
In einem Gedächtnisblatt zu ihrem 80. Geburtstag im Jahr 1928 schreibt Albert Helbig in der Zeitschrift "Der Harz": "Mit Wilhelmine Heimburg ist eine liebenswürdige Romantikerin dahin gegangen, die in der deutschen Frauenwelt viel Liebe und Verehrung genossen hat. In Thale erinnern zwei Straßennamen und der Name eines Hotels täglich an die Verblichene; an ihrem Geburtshause weihte der Harzklub eine Erinnerungstafel aus Marmor mit der Inschrift: In diesem Hause wurde am 7. September 1848 die allbekannte Schriftstellerin Berta Behrens (Wilhelmine Heimburg) geboren."
Die Heimburgstraße gibt es noch in Thale. Zudem erinnert ein Teil der ständigen Ausstellung im Kloster Wendhusen an die einst so berühmte Tochter der Stadt.