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Stadtgeschichte wird präziser

Von Gerd Alpermann 18.07.2008, 18:17

Quedlinburg/MZ. - Das Grabungsteam hat die Arbeiten auf dem Hof der Bosseschule in Quedlinburg abgeschlossen. In etwa zwei Wochen soll dort mit dem Bau einer neuen Einfelder-Turnhalle begonnen werden. "Die Tiefe und die Stärke der Stadtmauerfundamente haben wir so nicht erwartet", nennt Oliver Schlegel ein Ergebnis der Grabungen, das wieder ein Stück Stadtgeschichte präzisiert.

Das Archäologie sehr anstrengend sein kann, demonstrierten Oliver Schlegel und Grabungstechniker Jens-Uwe Pflug, als sie einen stattlichen Stein der Stadtmauer aus dem Weg räumten, um den Untergrund einsehen zu können. Bis zu 1,60 Meter sind die Fundamente an dieser Stelle breit. Sonst weisen sie in der Altstadt meist nur um die 1,20 Meter auf. Früher muss der Bereich des heutigen Schulhofs zum Mühlgraben hin deutlich abgefallen sein. Im späten 19. Jahrhundert hat es Aufschüttungen gegeben, so dass die Fundamente der Stadtmauer heute so tief liegen. Der Straßenname Klink weist auf das Wort Klint, für Abhang, hin, erklärt der Kreisarchäologe.

Die Bosseschule steht auf dem Areal eines ehemaligen Klosters, von dem noch die so genannte Kapelle vorhanden ist. Klostermauern wurden auch an die Stadtmauer angesetzt. Die gefundenen Fundament sind 80 Zentimeter bis einen Meter breit. Sie stammen wahrscheinlich aus dem 13. Jahrhundert. Im Jahr 1525 wurden die Franziskaner mit den Wirren des Bauernkrieges aus dem Kloster vertrieben. Äbtissin Anna richtete dort 15 Jahre später das Quedlinburger Gymnasium ein. Mit dem Bau der Bosseschule vor gut 100 Jahren verschwanden die meisten Klostergebäude. Schulleiter Manfred Scherer hat noch einige Fotos, wie es vor dem Bau der Schule auf dem Klostergelände aussah.

"Wir haben wieder für kurze Zeit ein Fenster in die Geschichte öffnen können", erklärt Kreisarchäologe Oliver Schlegel. Damit sei wieder ein Stück der Entwicklung der Stadt Quedlinburg dokumentiert. Spektakuläre Funde habe es nicht gegeben, doch kleinere Gegenstände erfreuen auch, wie der Bügel einer mittelalterlichen Feinwaage. Die freigelegten Fundamente werden vor dem Baubeginn der Turnhalle mit Schotter abgedeckt, gehen also nicht verloren, verweist der Kreisarchäologe auf die Chance weiterer Untersuchungen, vielleicht in 100 Jahren. Wichtig sei, dass der Zeitplan für das Bauvorhaben eingehalten wurde. Er dankt der Schule für den Einsatz von zwölf Schülern, die bei den Grabungen der Archäologen halfen (die MZ berichtete).