Schwitzen und Hetzen fürs Festmenü
Wernigerode/Quedlinburg - Unter den sechs Besten in jeder Berufsgruppe, die am Sonnabend ein viergängiges, kreatives Festmenü ausrichten mussten, waren auch zwei Auszubildende aus dem Altkreis Quedlinburg.Lachsschaumboot auf Weißweingelee an krossem Zitronenbrot, Gorgonzolasuppe mit sautiertem Birnenfächer und gerösteten Walnüssen, mit Pflaumen gefülltes Schweinefilet im Mangoldmantel an Harzer Zapfenkartoffeln, Gewürzkaffeeparfait an gebackenen Mäusen (Hefeteig).
Was wie die Speisekarte eines Vier-Sterne-Feinschmeckerlokals klingt, ist der Wettbewerbsbeitrag von Annika Schneider. Die blonde junge Frau mit den vor Anstrengung hochroten Wangen steht genauso wie ihre fünf Kollegen aus unterschiedlichen Ausbildungsbetrieben im Harzkreis vor einer schwierigen Aufgabe: Aus einem vorgegebenen Warenkorb ein kreatives Menü nicht nur zu erdenken, sondern natürlich auch zu kochen und zu präsentieren. Pünktlich um 12.30 Uhr, wenn die ersten Gäste kommen, muss die aufwändige Vorspeise auf den Tellern und alles andere so gut wie fertig sein.
Dafür haben sich die jungen Leute - Annika ist das einzige Mädchen unter den Köchen - schon morgens um sieben die Schürzen umgebunden und die ungewohnte, aber top ausgestattete Küche im Gothischen Haus in Augenschein genommen.
Unter den strengen Jurymitgliedern, die den angehenden Köchen mit Argusaugen auf die Finger schauen, ist bei diesem von der Dehoga ausgerichteten Wettbewerb auch Gerhard Dammert aus Hannover - ein vierfacher Weltmeister, zweimaliger Olympiasieger und Träger der Goldenen Kochmütze. "Das Niveau hier ist sehr hoch", lobt er die jungen Köche, während er jeden ins Visier nimmt und besonders auf Sauberkeit, Arbeitstechnik und die Ausnutzung der Rohstoffe achtet.
Auch draußen, im festlich mit Kristalllüstern erleuchteten Saal, wird gefiebert. Die ersten Hürden hat Daniel Barth schon überwunden: Er kann eine legierte Suppe und unterschiedliche Biersorten erklären, Rotwein dekantieren, Fleisch tranchieren und betriebswirtschaftliche Aufgaben lösen. "Sein" Tisch strahlt in festlichem Glanz, Gläser und Besteck blinken.
Um dem diesmal ausgegebenen Motto "Wilhelm Busch" auch mit der Tischdekoration gerecht zu werden, hat er in der Verwandtschaft herumgefragt und ein uraltes Bügeleisen aufgetrieben, welches tatsächlich vom Schneider Böck stammen könnte. Das wunderschöne Rosengesteck im Zentrum des runden Tisches stammt von angehenden Hotelfachleuten. Die Jury, allesamt Männer und Frauen aus der Praxis, lassen ihren strengen Blick auch hier schweifen. Er entdeckt jede noch so kleine Nachlässigkeit, die Bewertungsbögen auf den Klemmtafeln werden später über Sieg und Platzierung entscheiden. Ob er mit seinem bisherigen Einsatz ganz vorn mitspielen kann, weiß Daniel, der im Romantikhotel Am Brühl in Quedlinburg lernt, noch nicht. Gleich muss er an die Bar, um unter den Augen der Juroren Cocktails zu mixen, und beim Bedienen der Ehrengäste wartet die nächste Herausforderung.
Sophie Ehrig, die im Schlosshotel Meisdorf eine Ausbildung zur Restaurantfachfrau macht, fürchtet sich ein wenig vor dem Englischen Service, also dem Vorlegen der Speisen von Platten. Das hat sie bisher selten gemacht, doch die Teilnahme am Wettbewerb empfindet sie als "gute Vorbereitung auf die Prüfung".
Der Zeiger der Uhr rückt unaufhaltsam vorwärts. In der Küche steigt die Temperatur nicht nur wegen der Hitze, die von den Herden ausgeht. Gabriele Kuhnt, erfahrene Berufsschullehrerin und für die Organisation des Wettbewerbs bei den Köchen zuständig, übertönt mit ihrer rauen Stimme jegliche Hektik: "Schön ruhig Jungs, schön ruhig! Ihr schafft das!" Sie weiß um die enorme Anspannung, hat bei Wettbewerben schon Hünen erlebt, die weinend zusammengebrochen sind. "Die Arbeit in der Küche ist verdammt hart", sagt sie, und auch die anderen Gastronomen, die an diesem Tag die "Prüfungen" abnehmen, wissen, dass es nicht mehr so leicht ist, junge Leute für Berufe in der Gastronomie zu gewinnen. "Sie müssen mit vielen Entbehrungen leben, arbeiten immer dann, wenn andere feiern", so Renate Zwies, Chefin vom "Warnstedter Krug", die sich wünscht, dass sich künftig mehr Teilnehmer aus dem Altkreis Quedlinburg dem Wettbewerb stellen.
Derweil schauen die Köche nicht mehr hoch. Der Zeitpunkt, zu dem die Vorspeise fertig sein sollte, ist verstrichen. Außer einem ist niemand damit fertig geworden, "aber das ist normal", erklärt der Weltmeister, "weil hier alle alles machen müssen". In der Praxis sei das nicht so, da spezialisieren sich die Köche, wenn sie ein Menü für eine große Gästeschar vorbereiten. Draußen im Festsaal bekommt niemand etwas mit von der Hektik, die jetzt auch "den Service" erfasst. Alles soll noch heiß und gleichzeitig auf den Tisch kommen, die Jungen und Mädchen, die die Teller hinaustragen, strecken den Rücken durch, lächeln und alles ist gut.