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Schmalspurbahn Schmalspurbahn: Von der Vision zu Wirklichkeit

Von Dirk Bahnsen 03.03.2016, 14:49
Die festliche und von einem großem Feuerwerk begleitete Einfahrt des Eröffnungszuges im Bahnhof Quedlinburg.
Die festliche und von einem großem Feuerwerk begleitete Einfahrt des Eröffnungszuges im Bahnhof Quedlinburg. Matthias Bein

Quedlinburg - Vor 10 Jahren feierten Tausende von Menschen am nördlichen Harzrand ein Ereignis, das zu dieser Zeit bereits als ein kleines Wunder galt und überregional für eine große Ausstrahlung sorgte: Mit der ersten Fahrt eines Dampfzuges der Harzer Schmalspurbahnen GmbH (HSB) wurde die 8,5 Kilometer lange Verlängerung der Selketalbahn von Gernrode in die Welterbestadt Quedlinburg eröffnet.

„Damit wurde in Deutschland nicht nur erstmals seit vielen Jahrzehnten wieder eine neue Schmalspurbahnverbindung gebaut. Der Harz erhielt auch eine weitere Attraktion, die seitdem noch wichtigere Impulse für den Tourismus setzt und heute aus der Region nicht mehr weg zu denken ist“, weiß Dirk Bahnsen, Leiter Unternehmenskommunikation der HSB. Das Streckennetz der HSB umfasste ab sofort eine Gesamtlänge von 140,4 Kilometer. Die Aufnahme des fahrplanmäßigen Verkehrs folgte am 26. Juni 2006.,

Schmalspurbahn ist Touristenmagnet

Auch zehn Jahre später werden die Züge der HSB von und nach Quedlinburg gut frequentiert. Nicht nur die Urlauber im Selketal nutzen die Verbindung für einen Besuch der Welterbestadt. Im Gegenzug fahren auch die dortigen Gäste und Einwohner mit der Bahn zu verschiedenen Ausflugszielen in den Harz. Täglich besteht auch eine Verbindung mit einmaligem Umsteigen zum höchsten Berg des Harzes, dem Brocken. Diese wird seit 2010 sogar immer donnerstags, freitags und samstags während der Sommerfahrplanperiode als Dampfzugfahrt angeboten. Jährlich nutzen insgesamt rund 100 000 Fahrgäste die Züge der Selketalbahn.

Auf der nächsten Seite erfahren Sie mehr über das ungewöhnliche Schmalspur-Projekt.

Doch wie kam es dazu? Wo heute die Züge der HSB auf dem einen Meter breiten Gleis rollen und Zwischenhalte in Bad Suderode sowie Quarmbeck einlegen, fuhren einst Züge auf der Standard-Spurweite von 1 435 Millimetern von Quedlinburg über Gernrode hinaus bis nach Frose. Auf dieser Bahnlinie wurde der Betrieb zwischen 1868 und 1885 in zwei Teilabschnitten eröffnet. Das Ende des von der Deutschen Bahn AG (DB) erledigten Personenverkehrs wurde am 14. Dezember 2003 eingeläutet. An diesem Tag endete zunächst der Verkehr zwischen Frose und Gernrode.

Am 31. Januar 2004 folgte der weiterführende Abschnitt nach Quedlinburg. Damit war die Selketalbahn, deren erster Streckenabschnitt zwischen Gernrode und Mägdesprung am 7. August 1887 von der Gernrode-Harzgeroder Eisenbahn (GHE) eröffnet wurde und die seit dem 1. Februar 1993 von der HSB gemeinsam mit der Harzquer- und Brockenbahn betrieben wird, nicht nur vom „großen“ Bahnnetz, sondern auch von der damaligen Kreisstadt Quedlinburg abgeschnitten.

Startschuss für die Steckenplanung

Bereits im Jahre 1994 entwickelte der damalige Landkreis Quedlinburg die visionäre Idee eines direkten Anschlusses Quedlinburgs an die Selketalbahn über ein sogenanntes Drei-Schienen-Gleis. Hierfür sollte eine dritte Schiene in das bestehende Regelspurgleis eingebaut werden, um den Schmalspurzügen das Fahren darauf zu ermöglichen. So innovativ diese Idee auch war, es blieb zunächst bei der Vision. Nachdem sie fünf Jahre später noch einmal Aufwind erhielt, kam der richtige Durchbruch dann erst mit der Einstellung des „regelspurigen“ Zugverkehrs. Am 19. November 2003 verkündete Sachsen-Anhalts Verkehrs- und Bauminister Karl-Heinz Daehre in Magdeburg, dass die Stadt Quedlinburg Anschluss an das Netz der Harzer Schmalspurbahnen erhalten sollte. Eine Sensation, die sich wie ein Lauffeuer herumsprach und damals nicht nur in der Harzregion für Freude und Furore sorgte. Die ursprüngliche Idee eines Drei-Schienen-Gleises wurde aufgrund der Einstellung des „normalen“ Bahnverkehrs allerdings jetzt nicht mehr verfolgt. Vielmehr sollte die durchgehende Schienenanbindung Quedlinburgs in den Harz nun durch einen Umbau der Gleisanlagen nach Gernrode auf die Meterspur hergestellt werden.

Ein ambitioniertes Vorhaben

Das ambitionierte und europaweit einzigartige Projekt nahm rasch Fahrt auf. Bereits am 11. Mai 2004 übergab Minister Daehre den ersten Fördermittelbescheid für das viel beachtete Vorhaben an die HSB. Nur ein knappes Jahr später, am 18. April 2005, nahm er im Bahnhof Gernrode gemeinsam mit HSB-Geschäftsführer Matthias Wagener, Gernrodes Bürgermeister Werner Grundmann und Quedlinburgs Bürgermeister Eberhard Brecht den offiziellen Baustart durch Wegschieben eines symbolischen Prellbocks vor.

Gegen Ende August desselben Jahres begann die HSB mit den Arbeiten zum Umbau der Strecke. Es kamen dabei Schienen mit einem Gesamtgewicht von etwa 850 Tonnen, rund 13 800 Betonschwellen und fast 12 000 Tonnen Schotter zum Einbau. Auch fünf Bahnübergänge wurden im Zuge der Arbeiten jeweils mit einer neuen automatischen Sicherungsanlage ausgerüstet. Nach einer nur rund halbjährigen Bauzeit kam für das vom Land Sachsen-Anhalt mit insgesamt 6,5 Millionen Euro finanziell unterstützte Bauvorhaben dann am 4. März 2006 der große Augenblick: In Anwesenheit des damaligen Ministerpräsidenten Sachsen-Anhalts, Wolfgang Böhmer, und einem Volksfest gleich fuhr der erste offizielle Dampfzug der Harzer Schmalspurbahnen am Nachmittag über die neue und 8,5 Kilometer lange Strecke von Gernrode nach Quedlinburg.

„Tausende von Einwohnern und Gästen säumten bei Sonnenschein und eisigen Temperaturen die Strecke und bejubelten den festlich geschmückten Zug bei der Abfahrt in Gernrode, beim Halt in Bad Suderode sowie bei der Einfahrt in den Bahnhof der Welterbestadt“, erinnert Bahnsen. Hier wurde der Eröffnungszug darüber hinaus noch mit einem großen Feuerwerk begrüßt und die Feierlichkeiten mit einem bunten Bahnhofsfest bis in den späten Abend fortgesetzt. Aus der Vision von 1994 war an diesem Tag Wirklichkeit geworden. Das Streckennetz der HSB umfasste ab sofort eine Gesamtlänge von 140,4 Kilometern. Die Aufnahme des fahrplanmäßigen Verkehrs folgte am 26. Juni 2006. (mz)

Matthias Wagener (HSB-Geschäftsführer) und der damalige Verkehrsminister Karl-Heinz Daehre (v.l.) beim Abfahrtspfiff.
Matthias Wagener (HSB-Geschäftsführer) und der damalige Verkehrsminister Karl-Heinz Daehre (v.l.) beim Abfahrtspfiff.
Matthias Bein