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Rollstuhlfahrer, Sehbehinderte Rollstuhlfahrer testen Wege im Wohngebiet Kleers in Quedlinburg: Fünften Rundgang mit Oberbürgermeister Frank Ruch

Von Petra Korn 25.10.2019, 11:56
Wo der Fußweg auf dem Einkaufsmarkt-Parkplatz weitergeht, ist gekennzeichnet. Doch Rollstuhlfahrer Klaus Stegmann kann den Bordstein nicht passieren; Astrid Staudenraus hilft ihm.
Wo der Fußweg auf dem Einkaufsmarkt-Parkplatz weitergeht, ist gekennzeichnet. Doch Rollstuhlfahrer Klaus Stegmann kann den Bordstein nicht passieren; Astrid Staudenraus hilft ihm. Korn

Quedlinburg - Auf dem Fußweg der Kastanienstraße entlangfahrend, ist an der Einmündung Fliederweg für Daniela Schäfer erst einmal Schluss: Bordsteinkanten verhindern ein Weiterkommen.

Daniela Schäfer, die, um mobil zu sein, auf einen elektrischen Rollstuhl angewiesen ist, kennt das Problem. Sie wohnt im Quedlinburger Wohngebiet Kleers. „Wenn ich zum Einkaufen will, muss ich immer auf der Straße fahren“, sagt sie.

Daniela Schäfer gehört zu einer Gruppe von Frauen und Männern, die am Donnerstagvormittag im Kleers unterwegs ist, um genau solche Probleme zu erfassen: Oberbürgermeister Frank Ruch (CDU) hat zum inzwischen fünften Rundgang für ein barrierefreies, zumindest barriereärmeres Quedlinburg eingeladen.

In der Altstadt, im Rosengarten oder am Schlossberg gab es solche Rundgänge bereits. „Es gab stets immer wieder Hinweise, wir sollten das Wohngebiet Kleers nicht vergessen“, sagt Ruch und erklärt, dass hier auch viele ältere Bürger leben.

In der Altstadt, im Rosengarten und am Schlossberg gab es bereits Rundgänge mit Rollstuhlfahrern

Die Arbeitsgruppe „Design für Alle“ hat den Rundgang vorbereitet. Die vier ehrenamtlich in der Gruppe Arbeitenden engagieren sich seit einigen Jahren dafür, die Stadt so gestalten, dass sie für Rollstuhlfahrer, Menschen mit Rollatoren oder Eltern mit Kinderwagen gut zugänglich ist.

„Wir wollten bei dem Rundgang dann nicht einfach so loslaufen“, sagt Astrid Staudenraus, Hausleiterin im Seniorenzentrum Azurit. Bei der Vorbereitung des Rundgangs sei der Fokus auf Wege gelegt worden, die für die Menschen sinnvoll seien. „Viele denken ja, hier im Kleers ist alles barrierefrei. Aber das ist nicht so.“

Das zeigt sich wenig später: An einem Einkaufsmarkt ist zwar der Bereich auf dem Parkplatz, auf den der Gehweg mündet, mit weißen Streifen markiert, damit sich hier kein Autofahrer hinstellt. Doch auch hier gibt es Bordsteinkanten. „An Rollstuhlfahrer wird einfach zu wenig oder gar nicht gedacht“, sagt Klaus Stegmann, der seit vielen Jahren auf einen Rollstuhl angewiesen ist und in der Arbeitsgruppe „Design für Alle“ mitarbeitet.

Am Jasminweg sind die Borde abgesenkt. Doch auch etwa drei Zentimeter Höhe, die als überrollbar gelten, sind für die mitfahrenden Rollstuhlfahrer nicht einfach zu bewältigen. Für Jörg Schulze sind sie aber ganz wichtig:

„Die kleine Bordkante brauche ich, um zu wissen, wie weit geht der Fußweg, wo fängt die Straße an“, sagt der Quedlinburger, dessen Sehfähigkeit enorm eingeschränkt ist und der einen Langstock, mit dem Weg und Umgebung abgetastet werden, nutzt. „Ich laufe sehr viel allein.“

„Die kleine Bordkante brauche ich, um zu wissen, wie weit geht der Fußweg”, sagt der Sehbehinderte Jörg Schulze

Für alle - ob mit Hand- oder elektrischem Rollstuhl, E-Mobil oder Langstock unterwegs - sind durch Baumwurzeln nach oben gedrückte Gehwegbereiche oder Löcher in Fahrbahnen Hindernisse. Nicht nur für sie: „Die Delle im Weg kann auch für die Mutter mit Kinderwagen, die sich nach ihrem anderen Kind umdreht und dabei den Wagen weiterschiebt, zum Problem werden“, sagt Ulrike Döcke, Gleichstellungsbeauftragte der Stadt und ebenfalls in der Arbeitsgruppe aktiv.

Barrierefreiheit, sagt sie, sei für etwa zehn Prozent der Bevölkerung notwendig und für 30 Prozent, die beispielsweise wegen Operationen vorübergehend einen Rollstuhl brauchen, zeitweilig. „Aber für 100 Prozent der Bevölkerung ist Barrierefreiheit sehr komfortabel.“

Frank Ruch bedankt sich am Ende des Rundgangs bei allen Beteiligten, „insbesondere bei den Betroffenen, die uns immer gute Hinweise geben können“. Alle festgestellten Mängel und die Priorität ihrer Beseitigung würden erfasst. Und bis zu einem nächsten Rundgang im Kleers sei die eine oder andere Barriere bereits abgebaut, so Ruch. (mz)