Rechtsstreit in Ballenstedt Rechtsstreit in Ballenstedt: Gericht: Stadt-Mitarbeiterin durfte nicht suspendiert werden

Ballenstedt - Das Arbeitsgericht Magdeburg hat am Montag die Suspendierung einer Mitarbeiterin der Ballenstedter Stadtverwaltung vom Dienst vorläufig für unwirksam erklärt.
Die Suspendierung eines Angestellten, Beamten oder sonstigen Arbeitnehmers ist eine vorläufige Arbeitsleistungs- bzw. Dienstenthebung, die vom Arbeitgeber oder Dienstherrn einseitig - zum Beispiel wegen des Verdachts einer strafbaren Handlung - ausgesprochen wird.
Sie gab damit dem Antrag der Frau auf eine einstweilige Verfügung statt. Die Klägerin soll vertrauliche Unterlagen weitergegeben haben, deshalb soll ihr eine außerordentliche Kündigung ausgesprochen werden. Der Antrag wurde dem Personalrat am 23. Januar vorgelegt, am 27. wurde die Frau vom Dienst suspendiert.
Das Gericht hält die Suspendierung für rechtswidrig und hob sie gestern auf. Es muss aber noch im so genannten Hauptsacheverfahren darüber verhandelt werden. „Wir sind der Meinung, dass die Zweiwochenfrist nicht eingehalten wurde“, sagte der Vorsitzende Richter Rigolf Methling der MZ. Hintergrund: Der Antrag auf eine außerordentliche Kündigung hätte dem Personalrat innerhalb von zwei Wochen nach Bekanntwerden der Kündigungsgründe vorgelegt werden müssen.
Weder Höhepunkt noch Ende
Die Entscheidung des Arbeitsgerichts Magdeburg ist aber weder der Höhepunkt noch das Ende eines beispiellosen Rechtsstreits, der zwischen der 36-jährigen Frau aus Heteborn und der Ballenstedter Stadtverwaltung entbrannt ist. Der Konflikt begann offenbar 2008, drei Jahre, nachdem die Klägerin ihren Dienst bei der Stadt begonnen hatte. „Ich habe damals einen Antrag gestellt, meine Eingruppierung in die Entgeltgruppe 6 zu prüfen“, sagte sie. Sie arbeitete als stellvertretende Bauamtsleiterin, war für die Bauleitplanung, die Stadtsanierung und die Bearbeitung von Bauanträgen zuständig. Darum sah sie sich mit ihrer Gehaltsklasse als unterbezahlt an und wollte nach eigenen Angaben rund 100 Euro brutto mehr im Monat, zumal sie ab 2010 auch noch für die Ausbildung in der Stadtverwaltung verantwortlich zeichnete.
Zwar sei die Eingruppierung der einzelnen Mitarbeiter durch eine eigens dafür beauftragte Firma geprüft worden, berichtete die Frau, „aber wir haben nie ein Ergebnis bekommen“. Daraufhin hat sie am 11. Oktober 2011 einen Anwalt beauftragt, vom Gericht klären zu lassen, welche Entgeltgruppe ihr zusteht. Nicht einmal eine Woche später sei sie ihren Stellvertreterposten und die Ausbildungsverantwortung losgewesen. „Damit fing der Krieg an“, sagte sie.
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Als Retourkutsche seien ihr von Bürgermeister Michael Knoppik (CDU) Aufgaben entzogen und andere dafür zugewiesen worden, mit denen sie sich nicht auskannte. So habe sie sich etwa um die stadteigenen Grundsteuern kümmern müssen. Dort habe sie „Unrichtigkeiten und Unstimmigkeiten“ festgestellt. Als sie die „sachliche Richtigkeit“ per Unterschrift bescheinigen sollte, habe sie sich geweigert, berichtete die Klägerin. Daraufhin sei sie zum 1. Januar 2014 auf die Stelle der Schulsekretärin in Rieder versetzt worden, sagte die Frau - für sie eindeutig Schikane und der Auslöser, Bürgermeister Knoppik und seine Hauptamtsleiterin Annett Ograbek beim Personalrat wegen Mobbings anzuzeigen.
Vor Gericht hat sie mittlerweile den Prozess um die Entgeltgruppe in der zweiten Instanz gewonnen, außerdem entschied das Arbeitsgericht Magdeburg, dass die Versetzung nach Rieder rechtswidrig war. Aber noch sind die Urteile nicht wirksam. Der Personalrat, dessen stellvertretende Vorsitzende sie ist, widersprach ihrer außerordentlichen Kündigung. Seine Zustimmung soll jetzt durch einen Beschluss des Verwaltungsgerichts ersetzt werden.
Eine entscheidende Rolle in diesem Drama spielen die staatsanwaltlichen Ermittlungen gegen Bürgermeister Knoppik (die MZ berichtete). Ihm wird in einer Anzeige unter anderem vorgeworfen, dass er rechtswidrig die Grundsteuer für sein Haus nicht bezahlt hat. Die Ermittlungen zu diesem Punkt wurden mittlerweile eingestellt. Aber in den Akten tauchte eine ausgedruckte Liste auf, die beweisen sollte, dass Knoppik gegen das Gesetz verstoßen hat. Nach Ansicht der Stadtverwaltung stammt der Ausdruck mit den sensiblen Daten von der gekündigten Mitarbeiterin, die damals noch im Bauamt arbeitete. „Der Zugriff kann nur von ihrem Rechner erfolgt sein“, sagte Hauptamtsleiterin Ograbek gestern vor Gericht.
„Keine Schikanen“
Das streitet die Frau entschieden ab, sie habe die Daten weder ausgedruckt noch weitergegeben. Jeder in der Stadtverwaltung habe Zugriff auf ihren Rechner gehabt, da alle Mitarbeiter auf Weisung im Mai 2013 ihre Zugangskennwörter preisgeben mussten. Das Passwort sei aber nie benutzt worden, beteuert Ograbek und verweist auf eine eidesstattliche Versicherung dazu. Woher die Information über Knoppiks angebliche Steuerschuld kam, blieb gestern ungeklärt.
Die gekündigte Mitarbeiterin glaubt, dass Knoppik das Ganze nur als Vehikel nutzt, um sich an ihr zu rächen, „weil ich für meine Rechte kämpfe“. Sie komme mental und finanziell an ihre Grenzen, denn sie sei Alleinverdienerin, weil ihr Mann seit Jahren die schwerstbehinderte Tochter betreut. Bürgermeister Knoppik will sich zu ihren Vorwürfen mit Verweis auf das schwebende Verfahren und seine Fürsorgepflicht nicht äußern. „Es sind aber rein arbeitsrechtliche Probleme“, sagte er, „und hat nichts mit Schikane zu tun.“ (mz)