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Radlertour durchs Selketal Radlertour durchs Selketal: (Draht-)Esel vorm Pferdestall

Von Uwe Kraus 07.09.2014, 19:22
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ALEXISBAD/RIEDER/OPPERODE/MZ - Die Selketalbahn schnauft voll besetzt von Gernrode nach Alexisbad. Besonders dicht gefüllt ist an diesem Morgen der letzte Waggon: Ein Fahrrad schmiegt sich ans andere. Es ist wieder der erste Sonntag im September. Zum elften Mal laden Harzgerodes ehemaliger Ortsbürgermeister Horst Schöne und die Stadt Harzgerode zum „Fahrrad-Tag“ ins Selketal ein. Längst haben Fahrradfreunde aus der Umgebung dieses Datum fest in ihrem Kalender vermerkt.

Unter dem Motto „Mit Rad und Bahn durchs Selketal“ schoben Hunderte Radler ihre Gefährte an den Start in Alexisbad und Gernrode, um eine 32-Kilometer-Runde durch das Selketal und das Harzvorland zu drehen - oder gar die doppelte Strecke. Siebenjährige und Veteranen über 75 steigen in den Sattel. Die Hightech-Maschine steht neben dem Hollandrad, das Mountainbike schiebt sich neben ein altes DDR-Diamant-Rad. Für die Teilnehmer steht die Bewegung obenan, das Naturerlebnis und der Spaß am Radfahren.

Lesen Sie auf der nächsten Seite, wer alles unterwegs war.

Zahllose Helfer tragen zum Erfolg des Radlertages im Selketal bei, das eigentlich von Alexisbad über Mägdesprung und bis zur Selkemühle auto- und busfrei sein sollte. Die Ausschilderung mit dem Rad-Muffel, die Besetzung der Stempelstellen, die Versorgung der Radler, all das muss organisiert werden, erklärt Schöne. Doch er ist nicht glücklich damit, dass die Verkehrsbehörde sich mit einer Komplettsperrung nicht anfreunden konnte, Busse sich zwischen den Radlern bei Alexisbad schlängeln und vom Carlswerk aus Autos mit Tempo 20 durch das Selketal rollen dürfen. „Es wurde wieder der Eindruck erweckt, wir mit unseren umweltfreundlichen Fortbewegungsmitteln seien das wahre Problem im Straßenverkehr“, merkt er bitter an. Schöne selbst schwingt sich aufs Rad, um die komplette Runde zu drehen und in Meisdorf traditionell seinen Ex-Amtskollegen Detlef Kunze zu treffen.

Mit auf Tour geht auch Martin Skiebe, der von zwei seiner Töchter begleitet wird. „Ganz privat und zum elften Male“, merkt der Landrat an und verschwindet im bunten Peloton der Teilnehmer. Harzgerodes Bürgermeister Jürgen Bentzius muss dagegen in Alexisbad noch mal amtlich werden, bevor er sich aufs Rad schwingt. Er durchschneidet das Startband für die 32-Kilometer-Runde.

In der ersten Reihe der Radler steht Familie Blümcke aus Harsleben. Gleich drei Generationen machen sich auf die Tour. Oma Rita und Enkel Janek sind ebenso dabei wie Annett und Guido Blümcke. „Unterdessen nehmen wir zum fünften Mal teil. Heute war es mit dem Radwagen ab Gernrode gut organisiert, dazu das prima Wetter.“ Das erste Mal beim Fahrradtag dabei ist dagegen Jacqueline Daniela Koch aus Gernrode. „Ich will mal schauen, wie es so ist. Auf den 32 Kilometern checke ich mein Durchhaltevermögen. Auch die 64-Kilometer-Radler haben mal klein begonnen.“

Dass die Fahrt durchs Selketal durchaus ein Ereignis ist, für das man einige Kilometer Anreise auf sich nimmt, beweisen Dirk und Gabi Hartung aus Walkenried. Er ist zum dritten Mal dabei, sie hat auf den 32 Kilometern Premiere. „Weil die Eltern dabei sind, haben wir gleich einen schönen Familientag. Die Strecke scheint nicht übermäßig schwer, so dass für alle was dabei ist“, meinen sie an der Stempelstelle am Carlswerk Mägdesprung.

Olaf Becker kann kaum aufblicken, so viele Radfahrer möchten sich ihren Pass abstempeln lassen. Schließlich wird am Ende des Tages ein teures Rad verlost. Auch die Familien Schönfeld und Adolph, die zum fünften und vierten Start aus Zerbst anreisten, lassen sich hier ihre erste Etappe bestätigen und etwas beim Beantworten der Rätselfragen helfen. „Wir sind ja nicht von hier“, merken sie fast entschuldigend an. Auf das Radsport- und Naturereignis stießen sie vor Jahren bei einem Harzbesuch. „In der Kutscherstube lag ein Prospekt. Das hat uns neugierig gemacht und seither kommen wir regelmäßig und bringen die andere Familie mit. Das ist schon Tradition. Und haben wir nicht schönes wetter mitgebracht?“, fragen die Schönfelds. Eine vergleichsweise kurze Anreise hatten Bianca Menz mit Mann und Tochter Emely. „Früher haben wir in Neudorf gewohnt, jetzt leben wir in Quedlinburg. Da wollten wir mal mit von Alexisbad aus auf die Runde gehen.“

Horst Schöne freut es, dass die Teilnahme am „Fahrrad-Tag“ für viele Harzfreunde schon ein fester Termin ist. „Aber auch wir sorgen dafür, dass es nicht auf ausgefahrenen Pfaden durch die Region geht. Erstmals fahren wir nicht über den Fürstenweg bei Ballenstedt, sondern über die Gegensteine. Denn wir haben den Reiterhof Gothe als Partner gewonnen.“ Dort steht Beatrice Hoffmann am neunten Stempel der Tour. Gerade rollen Ellen und Frank Fauser aus Halberstadt heran. Im Gegensatz zur Mehrheit der Teilnehmer starteten sie nicht in Alexisbad, sondern kommen aus Richtung Gernrode. Damit haben sie den Hauptkanten noch vor sich und lehnen die freundliche Einladung von Reiterhof-Chef Peter Gothe zur Erbsensuppe aus der Gulaschkanone erst einmal ab. Mit Ehefrau Inge kocht er selbst. „Das schmeckt wie aus Mutters Küche und bringt Kraft für die nächste Etappe“, wirbt er.

Jürgen Klocke steht wenige Stempelstellen weiter. Als Vertreter des Gemeindekirchenrates von St. Nicolai und St. Petri betreut er die Radfahrerkirche in Opperode. „Wir möchten Platz zur Besinnung und zum Innehalten bieten“, erklärt er, während Norman Schur und Göran Heßler aus Harsleben mit ihm ins Gespräch kommen. Wer über die Schwelle der Kapelle trete, der verliere keine Zeit, sondern nehme sich Minuten der Besinnung. „Das ist ein Ort zum Auftanken“, sagt er. Auch wenn das Fahrrad keinen Sprit braucht.

Zwischenstopp an der Stempelstelle am Carlswerk (rechts).
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uwe kraus Lizenz
Fahrräder, so weit das Auge reicht.
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