Quedlinburg Welterbe-Managementplan Quedlinburg Welterbe-Managementplan : Blick bis in die Hinterhöfe
Quedlinburg - Das Wort ist ein Ungetüm und schreckt erstmal ab: Welterbe-Managementplan. Unter Welterbe kann sich Otto Normalbürger ja noch einiges vorstellen. Aber Managementplan?
Im Grunde geht es dabei um eine Richtschnur, wie künftig mit dem Welterbe umzugehen ist. Quedlinburg wird demnächst eine solche Richtschnur haben und erfüllt damit eine Forderung der Unesco. Am Ende vereint dieser Plan einen Riesenwust an Informationen, die zum Teil schon da waren und die im Laufe der vergangenen zwei Jahre noch dazu gekommen sind. Denn seit Oktober 2009 wird an den Unterlagen schon gearbeitet. Im Konzept werden zum Beispiel der Denkmalpflegeplan, das Stadtentwicklungskonzept und ein Tourismuskonzept in einer großen Datenbank zusammenfließen.
Mit Hilfe der gewonnenen Erkenntnisse soll die Verwaltung schneller und sachgerechter entscheiden können: über Bauanträge zum Beispiel. Voraussetzung ist, dass die Datenbank akribisch gepflegt und immer weiterentwickelt wird. "Das müssen wir tun, denn es macht keinen Sinn, einen Datenfriedhof anzulegen", sagt Fachbereichsleiter Rolf Langhammer.
Zu denen, die inzwischen annähernd jeden Hinterhof in der Quedlinburger Innenstadt kennen, gehört Christoph Hanske. Er ist Projektleiter in Sachen Denkmalpflegeplan vom Büro Rittmansperger & Partner. Seine Aufgabe und die seiner Mitarbeiter: Was bisher an Daten zusammengetragen wurde, zu kontrollieren, neu zu bewerten und als Planungsgrundlage zusammenzuführen. Der gesamte Welterbebereich Quedlinburgs ist dafür in 45 einzelne Quartiere aufgeteilt worden. Das Spannende daran: In den Denkmallisten sind bisher nur ganze Grundstücke erfasst worden. Nun ging es darum, stärker zu differenzieren, auch Einzelgebäude zu erfassen und zu bewerten. "Die Bereitschaft der Quedlinburger, uns dabei zu helfen, war überraschend groß", lobt Hanske. Denn schließlich wären den Projektmitarbeitern die Hände gebunden, wenn die Grundstücksbesitzer ihnen den Zugang zu ihren Grundstücken verwehrt hätten.
Das ist nicht geschehen, und inzwischen ist die Erfassung im Wesentlichen abgeschlossen. Dabei ging es vor allem um Bauzustand und Sanierungsgrad, um baugeschichtliche Daten, Denkmaleigenschaften und um Hinweise darauf, ob das Gebäude ortsbildprägend ist bzw. vielleicht erhaltenswert ist - obwohl es keinen direkten Denkmalwert besitzt. Laut Hanske haben 90 Prozent der Grundstückseigentümer die Angaben für die teilweise öffentliche Datenbank freigegeben. Und das, obwohl viele die Sorge um den Datenschutz umtreibe. Im Moment jedenfalls sei "noch gar nichts öffentlich", und es werde sehr sorgfältig geprüft, welche Teile der Datenbank öffentlich zugänglich gemacht werden können.
Die Recherchen der Projektgruppe haben unter anderem neue Erkenntnisse zum Leerstand erbracht. Während im untersuchten Bereich 13 Prozent der Wohnungen leer stehen, sind es bei den Gewerbeflächen in der Neustadt 26 Prozent. Während der Leerstand bei den Wohnungen als ein "normaler Wert" gilt, sei ein Viertel Leerstand beim Gewerbe schon "alarmierend", so Hanske. Was den Bauzustand betrifft, so seien 60 Prozent der Gebäude in Altstadt, Neustadt und Westendorf "in Ordnung".
Neben dem Denkmalpflegeplan soll auch die inhaltliche Arbeit am Stadtentwicklungskonzept im April oder spätestens im Mai abgeschlossen sein. Hier spielen die Fragen der Demografie eine wesentliche Rolle. Obwohl 2010 erstmals 87 mehr Zu- als Wegzüge zu verzeichnen waren, ist die Einwohnerzahl geschrumpft. Während Altstadt und Westendorf acht Prozent Einwohner gewonnen haben, ist die Zahl der Bewohner im Kleers um ein Fünftel zurückgegangen. Die Projektmitarbeiter gehen davon aus, dass Quedlinburg in 15 Jahren nur noch 16 200 Einwohner haben wird. Dies sei ein pessimistisches Szenario, wenn sich die Rahmenbedingungen nicht verändern.
Verbessern sie sich, dann könnte sich die Bewohnerzahl auf höchstens 17 300 einpendeln. Heute ist jeder vierte Quedlinburger im Rentenalter. 2025 wird es jeder Dritte sein. Diese Zahlen, eine Stärken-Schwächen-Analyse und wirtschaftliche Faktoren bilden einen Teil der Grundlagen für ein Stadtentwicklungskonzept.