Quedlinburg Quedlinburg: Uwe Ochsenknecht und ich
Quedlinburg/MZ. - "Sogar in meinem eigenen Bü-roooooooooooooooooooo!!!" Die Stimme Uwe Ochsenknechts überschlägt sich, als er hysterisch durch das Quedlinburger Rathaus brüllt. Nicht einmal, nicht fünfmal, gefühlte 38-mal trompetet der Entrüstete wie eine Knallcharge durchs Haus: "Sogar in meinem eigenen Bürooooooooooooooooooo!!!"
Ochsenknecht spielt im Kino-Kinderfilm "Das kleine Gespenst" wunderbar überdreht den Bürgermeister von Eulenberg - einer Stadt, die bei den Dreharbeiten im Harzkreis aus Wernigerode und Quedlinburg entsteht. Gerade hat er gemerkt, dass ein Unbekannter auf allen Bildern des Bürgermeisters herumgekritzelt hat - und das sogar in seinem eigenen Bü-rooooooooooo!
Und da kommt eine weitere Knallcharge ins Spiel: Redakteur Ingo Kugenbuch soll als namenloser Polizist den dreisten Schmierfink finden - und mit mir neun Komparsenkollegen. Während wir im ersten Stock des Rathauses Anweisungen von Regieassistent Sebastian Ballhaus - Sohn von Kamera-Künstler Michael Ballhaus - bekommen, ziehen Scharen von Menschen mit Walkie-Talkie und Kopfhörern an und zwischen uns vorbei. Alles wirkt ein wenig wie eine Kolonie von Blattschneider-Ameisen, die ihre Beute durch den Dschungel schleppen. 60 Frauen und Männer umfasst die "Gespenst"-Crew - alle nur für diesen einen Film engagiert.
Ballhaus schiebt mich einen halben Schritt nach vorn, schaut, schiebt mich wieder einen viertel Schritt zurück, schaut, ist nicht zufrieden und beginnt von vorn. "Wir haben in Eulenberg nicht die intelligentesten Polizisten", sagt Ballhaus freundlich, während er breitbeinig wie John Wayne durchs Rathaus stapft.
Ein Mann taucht auf, an dem die ganze Hektik abzuperlen scheint: Regisseur Alain Gsponer ("Lila, lila"). Lächelnd geht er mit jedem von uns Polizisten durch, was zu tun ist. "Sie schauen in der Toilette nach", sagt er zu mir und streicht sich eine Haarsträhne zurück. "Sie sehen unter der Bank nach", weist er einen Kollegen an. Strähne zurück. "Und Sie schauen hinter das Bild an der Wand." Strähne.
Da kommt auch schon unser Chef angetänzelt. Aljoscha Stadelmann hat alles, was ein schmieriger Polizei-Hauptmann braucht: Schnauzer und Schmerbauch. Mit sonorer Stimme feuert er uns an: "Also auf, Männer, findet den schwarzen Unbekannten." Und wir tun unser Bestes - gucken hierhin und dorthin, rennen durcheinander wie verrückt. Unterstützt werden wir von Filmhund Eros, der eigens aus dem Chiemgau hergeholt wurde, um hier den Kommissar Rex zu mimen.
Die Proben laufen gut, Alain Gsponer ist bereits zufrieden, als er sich zum 15. Male die Strähne zurückgeschoben hat. "Sinn ist nicht wichtig, wichtig ist Bewegung", gibt er uns noch mit auf den Weg.
Dann wird es ernst. "Absperrposition einnehmen!", sagt Ballhaus in sein Funkgerät. Unten versperrt nun ein Sicherheitsdienst die Tür zum Rathaus. Ton läuft, Kamera läuft. Gsponer: "Und bitte." Wir suchen inbrünstig und erfolglos nach dem schwarzen Unbekannten - der natürlich das kleine Gespenst ist. Nach dem dritten Versuch sagt Gsponer: "Wir schaffen noch eine schöne Kamerafahrt."
Und tatsächlich: Nachdem wir uns noch einmal zum Klops gemacht haben, sagt der Regisseur: "Gestorben" - soll heißen: Diese Szene ist im Kasten, und wir trotteligen Polizisten haben erst mal frei.
Was sind das für Leute, die einen kompletten Tag opfern, um vielleicht für ein paar Sekunden im Film aufzutauchen? "Wegen des Geldes macht das keiner", sagt Herstellungsleiter Jens Oberwetter von der Produktionsfirma Claussen, Wöbke und Putz. Das stimmt. Die gut 50 Euro, die ein Komparse kriegt, sind wahrlich nicht die Welt.
Detlef Wittich, 41, ist Beamter in der Landesvermessung aus Aschersleben und wollte beim Casting für den "Medicus" in Querfurt eigentlich nur seinen Sohn vorstellen. Er wurde aber gleich selber gebucht und steht nun schwitzend in seiner dunkelblauen Uniform im Quedlinburger Rathaus. "Schauen wir uns den Spaß mal an", sagt er. Für seine Polizistenrolle hat er extra Urlaub genommen.
Der teuerste Darsteller in dem Film, der im Herbst 2013 in die Kinos kommen soll, ist übrigens nicht Uwe Ochsenknecht oder Herbert Knaup, sondern - das kleine Gespenst. Laut Oberwetter verschlingt die Animation der Trickfigur, der Anna Thalbach ihre Stimme geliehen hat, rund ein Viertel des 7,6-Millionen-Euro-Etats. Dafür darf es dann auch schon mal Plakate beschmieren. Sogar im Büroooooooooooo des Bürgermeisters.