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Quedlinburg Quedlinburg: Schuldenfalle schnappt schnell zu

Von DETLEF HORENBURG 29.11.2011, 17:09

QUEDLINBURG/MZ. - Im Altkreis Quedlinburg reißt der Strom der überschuldeten Bürger nicht ab. Pro Jahr wird bei der Schuldner- und Insolvenzberatung der Arbeiterwohlfahrt (Awo) Kreisverband Harz ein Zuwachs von etwa 300 Fällen registriert. Insgesamt sind es etwa 1 500, die im Jahr bearbeitet werden. "Die Problematik der Überschuldeten ist komplexer geworden", sagt Schuldnerberaterin Ilona Dubrau. Waren es vor zehn Jahren "nur" Versandhausschulden, sind jetzt zunehmend Schwierigkeiten mit den neuen Medien wie dem Internet dazugekommen.

"Die Tendenz ist leicht steigend", unterstreicht die Schuldnerberaterin. Seit 20 Jahren arbeitet sie in diesem Bereich. Sie wird unterstützt von zwei weiteren Beraterinnen. Etwa zehn Ratsuchende kommen täglich in ihr Büro im Mummental 1. Die ratsuchenden Anrufer sind da nicht mitgerechnet.

An der Spitze der Schuldenarten stehen Bankkredite, Versandhaus-und Handyrechnungen, gefolgt von Autokrediten, Immobilienfinanzierungen und Miete. Schulden seien durchaus nicht nur ein Problem der Sozialschwachen im Harz. Betroffen sind alle sozialen Schichten und Altersgruppen zwischen 18 und 80. Gründe für Überschuldung seien vor allem Arbeitslosigkeit, Scheidung, Krankheit sowie falsches Konsum- und Kreditverhalten, Firmenpleiten und Erwerbsunfähigkeit. Besonders die Einführung von Hartz IV habe zu größeren Schulden geführt.

Den Großteil der Schuldner bilden die 18- bis 25-Jährigen. "So verzeichnen wir hier eine starke Zunahme", sagt Julia Issel. Sie leitet das Projekt Schuldenprävention für Jugendliche und junge Erwachsene, welches vom Landkreis Harz gefördert wird. "Jungen Menschen fehlt häufig der vernünftige Umgang mit dem Geld." Bei ihnen sei auch die Jagd nach der neuesten und mitunter auch teuersten Technik besonders stark verbreitet. "Mancher folgt dem Motto: Ohne dieses iPhone lebe ich jetzt nicht weiter".

Angesichts der Situation auf dem Arbeitsmarkt, wonach jungen Menschen oft nur gering bezahlte Jobs angeboten würden, kämen viele aus der Schuldenfalle nicht heraus. Andere hätten keinen Schulabschluss oder keine Ausbildung und somit kein regelmäßiges Einkommen.

Deshalb sieht Julia Issel ihre Aufgabe darin, besonders in den Schulen und bei anderen Bildungsträgern aufzuzeigen, wie schnell man in die Schuldenfalle tappen kann. Neben Gruppengesprächen werde auch das individuelle Gespräch gesucht, um bei drohender Verschuldung frühzeitig gegenzusteuern. "Viele junge Menschen schieben das Thema weit von sich", berichtet sie aus Erfahrung, "weil die Eltern bisher alles bezahlten". Doch das an der eigenen Wohnung auch nicht nur die reine Miete hängt oder zum eigenen Auto auch die Betriebskosten anfallen, wird oft verdrängt.

Doch nicht immer bleibt es bei einer Schuldnerberatung. Im vergangenen Jahr mussten etwa 100 Schuldner wegen Zahlungsunfähigkeit die Verbraucherinsolvenz anmelden. Die Durchschnittsverschuldung liegt hier bei 50 000 Euro. Schnell wird nämlich der eingeräumte Überziehungskredit der Bank so strapaziert, dass die Raten nicht mehr bezahlt werden können. Wie in einem Fall einer 78-jährigen Frau, die ihre monatliche Verbindlichkeit von 650 Euro durch die Rente in Höhe von 900 Euro nicht mehr begleichen kann. Bei den Insolvenzen beträgt die Überschuldung zwischen 5 000 bis zu mehreren 100 000 Euro. Spitzenreiter ist ein angehäufter Schuldenberg von 2,5 Millionen Euro bei einem Insolvenzschuldner.