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Quedlinburg Quedlinburg: Schauen und Staunen

Von RITA KUNZE 23.12.2011, 15:55

QUEDLINBURG/MZ. - Die romantisch anmutenden Kleider aus blauem und rotem Satin hängen an zwei dicken Holzbalken des Fachwerkhauses. "König und Prinzessin", erklärt Jörg Finck, der gerade mit Frau und Freunden das heimische Wohnzimmer zum Probenraum für ein Märchenstück gemacht hat: "Die goldene Gans".

Finck und seine Freunde hat das Adventsfieber gepackt. Nicht zum ersten Mal; das Haus in der Langen Gasse, am Fuße des Schlossbergs, öffnete auch schon in vergangenen Jahren seine Türen für den "lebendigen Adventskalender".

Keine Scheu vor Regen

Der kann im siebten Jahr seines Bestehens auf eine erfolgreiche Vorweihnachtszeit blicken. "Die Besucherzahlen waren sehr gut", resümiert Hans-Jürgen Furcht vom Verein q-ARTus und Erfinder dieser adventlichen Besonderheit in Quedlinburg. "Nachdem im vergangenen Jahr so viel Schnee lag und kaum jemand herausgekommen war, lief es jetzt richtig gut - selbst bei Regen sind die Leute zum Adventskalender gekommen." In der Woche waren es weniger, an den Wochenenden mehr Zuschauer; beim letzten Advent in den Höfen zählte Furcht mindestens 100 Erwachsene und wenigstens 25 Kinder, die sich die kleinen Märchengeschichten nicht entgehen lassen wollten.Inzwischen hat der lebendige Adventskalender Stammgäste. "Die kommen seit drei, vier Jahren und du kannst zusehen, wie die Kinder größer werden", sagt Furcht. "Inzwischen sind es die kleinen Geschwister dieser Kinder, die Gedichte aufsagen oder Lieder singen." Das Rezitieren und Singen gehört zum Ritual, erst danach öffnet sich die Tür des Adventskalenders. Und wer sich nach vorne traut, bekommt ein kleines Extra-Geschenk.

Furcht findet es "unglaublich erstaunlich", was alles dargeboten wird. "Vor ein paar Tagen hat ein Dreijähriger alle drei Strophen von ’Schneeflöckchen, Weißröckchen’ gesungen, und das vor 40 Leuten", erinnert sich Furcht. Eine tolle Leistung, bei der der Kleine konsequent einen Versprecher dabei gehabt hätte: "Schneeröckchen, Weißflöckchen..."

Ein anderes Mal hatte ein drei Jahre altes Mädchen ein Gedicht frei improvisiert. "Daran merkt man, wie intensiv sich Familien mit ihren Kindern zu Hause auf das Fest vorbereiten", sagt der Adventskalender-Initiator, für den solche Augenblicke echte Glücksmomente sind. Aber nicht nur für ihn: "Wir machen hier etwas, das unbezahlbar ist", sagt Jörg Finck, der am 21. Dezember den Hof seines Hauses zum Schauplatz für ein weiteres Adventskalender-Märchen machte und selbst mitgespielt hat. "Die großen Kinderaugen zu sehen, das ist einfach schön."

Spaß am Spiel

1994 sind Fincks mit ihren Kindern - die sind inzwischen volljährig - nach Quedlinburg gekommen, seit 2008 wohnen sie unterm Schlossberg. Sie wollten dabei sein beim lebendigen Adventskalender: "Wenn man am Schlossberg wohnt, sollte man mitmachen", sagt er. "Das ist eine super Idee, etwas Besonderes. Und wir machen mit, weil es einfach Spaß macht." Zwölf Mitstreiter waren sie in diesem Jahr, so viel wie noch nie: Familie, Kollegen, Freunde. Die Kostüme haben sie vom Theaterverein des GutsMuths-Gymnasiums und vom Kinder- und Jugendtheater Thale ausleihen können.

Und für jeden wurde eine Rolle gefunden, denn "wir haben versucht, das ganze Märchen umzusetzen. Wir suchen immer etwas, wo viele mitspielen und wenig Text lernen müssen." So wie die Märchen vom Rübchen oder den Bremer Stadtmusikanten.

Der Enthusiasmus der Mitwirkenden begeistert auch Hans-Jürgen Furcht. Denn es sei leicht, so ein Projekt ins Leben zu rufen, aber ungleich schwerer, es über die Jahre am Leben zu erhalten. "Da kommt keine Routine rein, sondern es passiert immer wieder was Neues. Aber der Adventskalender ist noch nie ausgefallen, nicht einen Tag." Darauf ist Furcht besonders stolz. Das sei auch nur möglich, weil viele mitmachen. Und so freut er sich, dass er auf dem Schlossberg und in der Wassertorstraße neue Mitstreiter gefunden hat.

Dankbar ist Furcht auch dem Bauhof der Stadt, der seit einigen Jahren einen Weihnachtsbaum und Tannengrün zur Verfügung stellt, mit dem der Platz vor dem Finkenhaus und das Märchenzimmer im Haus weihnachtlich geschmückt werden können.