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Quedlinburg Quedlinburg: Getrieben vom Heimweh

Von RITA KUNZE 11.11.2011, 15:29

QUEDLINBURG/MZ. - Mit keckem Blick sieht Adrian seine Mutter an: "Wenn dir jetzt nichts einfällt, dann werde ich sauer!" Antje Czerwenka soll sagen, was ihr gefallen hat am Sauerland, wo sie mit Sohn und Tochter 16 Jahre lang gelebt hat. Natürlich fällt ihr etwas ein, etwas sehr Bedeutsames sogar: Adrian ist im Sauerland zur Welt gekommen.

Anfang dieses Jahres ist die Zahnarzthelferin aus Nordrhein-Westfalen heimgekehrt nach Quedlinburg. "Meine Rückkehr habe ich mir lange überlegt. Ich habe mich gefragt, ob der Zeitpunkt für die Kinder gut ist", sagt die brünette Frau. Tanja, die Ältere, hatte ihr Abitur fast in der Tasche, und Adrian war neun Jahre alt, als die Entscheidung fiel. Er fing gerade an, sich einen festen Freundeskreis aufzubauen. "Er hatte lange Zeit, sich mit dem Wechsel auseinander zu setzen - und hat es ganz gut hingenommen", freut sich die Mutter, die ihren Kindern die Heimkehr als etwas Positives vermitteln wollte.

Sie selbst hat dieser Gedanke stets mit Freude erfüllt, besonders, als der Umzugswagen vor der Tür stand. "Ich fühle mich in Quedlinburg einfach wohl, ich kann das nicht unbedingt in Worte fassen. Es passt eben alles."

Das Heimweh hatte sie getrieben. Der Wechsel in den Westen sei ihr schon schwer gefallen, sagt sie. Aber die Arbeitslosigkeit habe ihr damals keine Wahl gelassen. Die neuen Kollegen waren nett, die Landschaft schön, aber ein Heimatgefühl, das hat Antje Czerwenka in all der Zeit nicht empfunden. "Die Kinder haben zum Sauerland immer Regenland gesagt, weil es dort so oft regnet", sagt sie und muss lachen. Schnee gibt es freilich auch: Mit ihrem Sohn hat sie im Sauerland das Skifahren gelernt. Jetzt will sie wieder Radfahren: "Die Berge im Sauerland sind steil, da muss man ganz schön treten. Hier geht es etwas leichter."

Wie so manches andere. "Ich war immer eine berufstätige Mutter und musste mich durchsetzen. Als ich im Sauerland anfing, gab es für Tanja, die ja noch sehr klein war, keine Mittagsbetreuung. Also musste ich sie immer nach Hause bringen zu meinen Eltern, die zu der Zeit mit im Sauerland lebten. Irgendwann hatte ich dann die Möglichkeit, Essen für die Kleine vorzukochen und mitzugeben. Da konnte ich sie dann über die Mittagszeit in der Betreuung lassen. Später kamen immer mehr Kinder dazu." Eine recht umfassende Kinderbetreuung wie in Sachsen-Anhalt war das dann zwar nicht, aber immerhin: "Tagesstätten wie hier waren verpönt. Jetzt fängt man langsam damit an."

Antje Czerwenka hat nie einen Hehl aus ihrer Herkunft gemacht. "In der Praxis war ich immer das Ossi-Mädchen. Klar bin ich ein Ossi, habe ich dann gesagt. Ich brauche mich doch nicht zu verstecken - wofür?" Den Menschen an ihrer damaligen Arbeitsstätte sei Sachsen-Anhalt egal gewesen. "Die haben selbst gesagt, dass sie sich dafür nicht interessieren." Ein "guter Mix aus Ost und West", das wäre für die Quedlinburgerin optimal. Finanziell stellt sie immer noch "krasse Unterschiede" fest, gerade in ihrem Beruf: "Man merkt das Gefälle extrem, aber ich bin mit weniger zufrieden, weil ich das Gefühl habe, dass hier mein Platz ist."

Ihre Tochter Tanja ist in Nordrhein-Westfalen geblieben, sie studiert in Siegen. "Das ist bei uns nur verdreht", sagt sie. "In anderen Familien gehen die Kinder weg, weil sie studieren, und bei uns bin ich eben geblieben und Mama ist gegangen." Ein eigenes Zimmer hat Tanja in der neuen Quedlinburger Wohnung trotzdem. Und Adrian hat auch schon Besuch von seinen Freunden aus dem Sauerland bekommen.