Quedlinburg Quedlinburg: Dem Traum von der Bühne ein Stück näher
QUEDLINBURG/MZ. - Viele Menschen haben einen Lebenstraum, können ihn sich aber nie erfüllen. Für Antje Krüger aus Rieder könnte ein solcher allerdings Realität werden. "Schon immer wollte ich einmal vor Publikum auf einer Bühne stehen", träumte die zwar in Sachsen geborene, aber in Quedlinburg aufgewachsene Joga-Lehrerin, "doch erst mit der dadurch erworbenen inneren Stärke traue ich mir es auch zu." Sie gehörte zu den über 20 meist weiblichen Kandidaten, die sich im Quedlinburger Theater bei einem Casting um Rollen für zwei musikalische Sommerinszenierungen im Bergtheater Thale und auf weiteren Freilichtbühnen bewarben. Für "Im weißen Rössl" von Ralph Benatzky sowie Mozarts "Die Zauberflöte" suchte das Nordharzer Städtebundtheater per Zeitungsanzeige vor allem sangesfreudige Statisten im Alter zwischen 16 und 50.
Ohne sich von der Nervosität anderer anstecken zu lassen, meisterte die 40-jährige ihren Soloauftritt nach Ansicht der Jury mit Bravour und gehört nun zu bisher zehn Mitwirkenden, aus denen Regisseurin Rosmarie Vogtenhuber für die Geschichte, welche nahe ihrer früheren Heimat in Österreich spielt, sechs für die Erstbesetzung auswählen muss. "Auch wenn ich alle nehmen würde", schränkte sie ein, "reicht dafür mein Etat leider nicht aus." Obwohl Statistenleiter Bertram Beier zu Beginn ausdrücklich keinen Vergleich mit der Jury von Dieter Bohlen bei der Superstarsuche ziehen wollte - zumindest bei der Anzahl der Jurymitglieder schienen sich die Theatermacher trotzdem am Vorbild zu orientieren. Mit Vogtenhuber, Repetitorin Violetta Kollar und Beier befand ebenfalls ein Dreigestirn über eine mögliche künstlerische Zukunft.
Die Entscheidung über Glück oder Pech der Kandidatinnen blieb eng. Nicht jede konnte überzeugen, als sie, von Kollar am Klavier begleitet, einzeln immer wieder den Beginn eines der Lieder der Revue-Operette mit "Im weißen Rössl am Wolfgangsee, da steht das Glück vor der Tür" intonieren mussten. Optisch gebührte die Spitzenposition Cornelia Horn. Im schwarz-weißen Anzug mit blumengeschmücktem Hut passte das Outfit schon zur künftigen Rolle, aber unbeabsichtigt. "So bin ich immer", reagierte der Musikfan auf Nachfrage.
Rein stimmlich aber dominierte die Schülerin Friederike Meinke im großen Saal des Marschlinger Hofes, was vielleicht am Heimvorteil lag: Sowohl Vater Edgar als Posaunist als auch Mutter Ursula Meinke als Chorsängerin gehören bereits zum Ensemble des Städtebundtheaters. Auch sie sammelte schon erste Bühnenerfahrung.
Doch was bringt Menschen dazu, auf eine solche Ankündigung in der Zeitung zu reagieren? Die Thalenserin Sofia Morcinek träumt von einer Schauspielerkarriere, hat sich nach dem Abitur schon um einen Studienplatz beworben, wenn bisher auch vergeblich. "Mit den Auftritten will ich mich weiter verbessern", verliert sie ihr Lebensziel nicht aus den Augen und beteiligte sich auch an anderen Inszenierungen, auch von freien Theatergruppen. Obwohl sie noch immer auf den Durchbruch hofft, absolviert sie zur Sicherheit derzeit an der Quedlinburger Berufsschule eine Ausbildung zur Sozialassistentin.
Für Anne Rienecker aus Allrode, die jetzt in Quedlinburg wohnt, ist es einfach "eine neue Erfahrung und Abwechslung zu der Tätigkeit als Sozialpädagogin bei der Lebenshilfe in Weddersleben." Die Proben sind abends, "ob ich das zeitlich koordinieren kann, weiß ich noch gar nicht", will sie sich aber die Chance offen halten. Ähnlich geht es auch Jutta Renner, die in Quedlinburg eine Lernstube betreibt: "Erst mal informieren, ob es auch geht."
Eine Gesangsrolle strebt Steve Thüne nicht an. Mit den ersten Erfahrungen, die er in der Theatergruppe des Ballenstedter Gymnasiums sammelte, und dem von der Mutter vererbten Talent, sagt sie, will er lieber als stummer Darsteller in der Zauberflöte mitwirken. Die Chancen stehen gut, denn Männer werden weiterhin gesucht. Nur für den kleinen Elias, der sich wiederholt lautstark meldete, gab es noch keine Rolle - "noch zu jung". Seine Mutter konnte zwar die ersten Bühnenschrittchen des Einjährigen nicht verhindern, muss aber auf dessen richtigen Auftritt noch warten.
Manchmal werden beim Casting Talente entdeckt, mit denen gar keiner rechnet. Für Antje Sabe aus Halberstadt könnte trotz ihrer tiefen Gesangsstimme die frühere Ausbildung im Fanfarenzug zu einem Glückstreffer werden. "Ich kann Trompete spielen", ließ sie bei der Frage nach Vorkenntnissen wissen. "Wir suchen auch immer Könner für die Bühne", freute sich Bertram Beier.
Nun heißt es für die Auserwählten bis zum Sommer fleißig üben, "keiner darf häufig fehlen", lautete die Vorgabe der Jurymitglieder. Bis dahin bleibt auch die Frage weiterhin offen, ob sich der Lebenstraum von Antje Krüger wirklich erfüllen wird.