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Polittalk in Quedlinburg Polittalk in Quedlinburg: OB Frank Ruch und Stadträte stellen sich Fragen

Von uwe kraus 13.09.2015, 17:21
Andreas Löbel von der Lebenshilfe befragt die Experten auf dem Podium (von rechts): Thomas Malnati, Leiter des Fachbereichs Bau bei der Stadt Quedlinburg. Oberbürgermeister Frank Ruch, Oliver Schlegel, Chef der Unteren Denkmalschutzbehörde, Stadträtin Susan Sziborra-Seidlitz und Klaus-Dieter Plate vom Sanierungsträger Baubecon. Moderiert wurde die Diskussion von MZ-Redakteur Ingo Kugenbuch.
Andreas Löbel von der Lebenshilfe befragt die Experten auf dem Podium (von rechts): Thomas Malnati, Leiter des Fachbereichs Bau bei der Stadt Quedlinburg. Oberbürgermeister Frank Ruch, Oliver Schlegel, Chef der Unteren Denkmalschutzbehörde, Stadträtin Susan Sziborra-Seidlitz und Klaus-Dieter Plate vom Sanierungsträger Baubecon. Moderiert wurde die Diskussion von MZ-Redakteur Ingo Kugenbuch. chris wohlfeld Lizenz

quedlinburg - Für den Chef der Unteren Denkmalschutzbehörde der Kreisverwaltung Harz, Oliver Schlegel, stand am Ende des ersten Quedlinburger Polittalks „Denkmalschutz trifft Lebensqualität“ ein Date: Er verabredet sich mit der 83-jährigen Edith Grawemeyer aus Bad Suderode. Sie hatte auf dem Quedlinburger Markt zu jenen gehört, die mit Oberbürgermeister Frank Ruch (CDU) und Vertretern aus Stadtrat und Verwaltung in den Dialog traten. Nachdem Schlegel in der von Ingo Kugenbuch, Leiter der MZ-Lokalredaktion Quedlinburg, moderierten Runde erklärt hatte, „70-jährige Rentner haben schlechte Chancen, bei den Banken einen Sanierungskredit zu bekommen“, wollte die rüstige Seniorin von ihm wissen, wie sie ihr nach der Sanierung unter Denkmalschutz gestelltes Haus künftig in Schuss halten kann.

Beim Bürgergespräch auf dem Markt verstand jeder schnell, welche Last der Schatz ist, der mit dem Welterbe über die Stadt gekommen ist. So sei der Einsatz jener nicht hoch genug zu schätzen, die den Mut aufbringen, historische Substanz zu erhalten und zu nutzen. Der Oberbürgermeister schaute mit einem realistischem Blick auf die Zukunft der Unesco-Welterbestadt: „Auch unsere Ururenkel wird die Sanierung begleiten.“ Das müsse von Verstand und dem Herzen gleichermaßen getragen werden. Mittelfristig gehen die Fachleute von einem Finanzbedarf von mehr als 53 Millionen Euro aus. Dazu zählten die Arbeiten am Stiftsberg, an den zwei Kilometern Stadtmauer, aber auch Geld für die Entwicklung der Infrastruktur. Ohne Finanzspritzen von Land und Bund, so ist man sich in Quedlinburg einig, wird es nicht vorangehen. Die Welterbestadt zu erhalten sei „anstrengend und kostet viel“, bemerkte Ingo Kugenbuch und verweist auf die fünf Millionen Euro, die allein in die Sanierung des Marktes geflossen seien und jene 140 Millionen Euro Fördermittel, die in die Sanierung der Altstadt gesteckt wurden. „Dazu kommen viele Millionen Euro, die private Bauherren investierten.“

Sanierung nötig

Unterdessen sei jeder vierte Quedlinburger Bewohner der Innenstadt. Die Entwicklung werde sich fortsetzen. Längst gehört die Zeit der Vergangenheit an, in der an Fachwerk-Häusern oder Gründerzeit-Villen Verkaufsschilder prangten. Das Problem: In Quedlinburg sind keine Gebäude auf dem Markt, die Interessenten kaufen könnten. „Es gibt zu viele Eigentümer, die weder sanieren noch verkaufen oder ihre Buden sichern wollen“, umreißt Schlegel seine Sorgen. Dazu komme, dass „Sammler viele Objekte, die schön und günstig waren, erworben haben. Sie können eine Sanierung zum Teil weder intellektuell, noch finanziell stemmen“.

Auch viele „barocke Mietskasernen“ warteten auf eine Sanierung. Doch, da schien sich Oliver Schlegel mit Klaus-Dieter Plate vom Sanierungsträger Baubecon und Thomas Malnati von der städtischen Bauverwaltung einig, diese einst prachtvollen Bauten könnten nur Investoren wieder zu neuer alter Schönheit erwecken. „Bisher scheitert das auch am Mietpreisniveau. Doch zum Glück scheint das derzeit endlich zu steigen.“

Eine Anwohnerin des Kornmarktes mahnte an, dass Eigentümer auch eine Verantwortung der Stadt gegenüber hätten. Es stehe das traurige zehnjährige Jubiläum des Brandes am Kornmarkt 3 bevor. Man dürfe nicht weitere zehn Jahre warten, bis hier etwas Neues entstehe.

OB Frank Ruch sieht das ähnlich. „Das ist eine zentrale Ruine Quedlinburgs. Ich habe dem Eigentümer ein Gesprächsangebot unterbreitet und werde alles tun, ihn zu überzeugen.“ Klaus-Dieter Plate und Thomas Malnati erinnerten daran, dass zu dieser Fläche, auf die fast alle Touristen aus Richtung Marschlinger Hof zumarschieren, ein Studentenwettbewerb stattgefunden habe. Es gab hilfreiche Ideen, wie ein Welterbe-Standort mit moderner Architektur aussehen könne. „Bloß, wenn ein Eigentümer nicht will, wird es für uns schwer. Mit Zwang lässt sich nichts verändern“, so Malnati.

Thema eingeschränkte Mobilität

Wollen will die Lebenshilfe schon seit rund zehn Jahren, kritisierte Andreas Löbel. Nämlich ein Hotel errichten. Weil sich jedoch Denkmalschutz und ein benötigter Fahrstuhl widersprächen, wurde daraus nichts. Thomas Malnati berichtet, wie schwer es sei, die Anforderungen von heute mit dem Denkmalcharakter zu vereinen. Wogegen Oliver Schlegel auf Einzelfallentscheidungen verwies. „Man war früher nicht auf Barrierefreiheit eingerichtet. Ein Aufzug ist schon ein maßgeblicher baulicher Eingriff, ob in die Innengliederung eines Gebäudes oder eine Fassade. Wie sähe es aus, wenn hier rund um den Marktplatz an die Häuser Lifte angebaut werden würden?“

Susan Sziborra-Seidlitz, Chefin der Stadtratsfraktion Grüne/QfW erinnerte daran, dass ihre Fraktion das Thema eingeschränkte Mobilität auf die Agenda gebracht habe. Sie forderte: „Es muss anders gedacht werden im Denkmal.“ So sollten alle Sprechstunden der Verwaltung im barrierefreien Bürgerbüro stattfinden. Sie schlägt vor: „Es soll nicht darüber nachgedacht werden, wie das Erdgeschoss in die vierte Etage kommt, sondern, wie die vierte Etage runter zum Bürger kommt.“ Dafür fand sie durchaus Gehör beim Oberbürgermeister. Den hatte Rudi Weiß darauf aufmerksam gemacht, „wie viele brisante Ecken es für Rollstuhlfahrer in Quedlinburg gibt“. Ruch steht zu seinem Wahlkampfversprechen Anfang des Jahres. Er werde sich mit einem „behindertentypischen Hilfsmittel“ und Betroffenen auf den Weg durch die Stadt begeben. Und das mindestens einmal im Jahr. „Vertreter der Behindertenverbände und Wohlfahrtsorganisationen werden darüber wachen, dass ich nicht den leichtesten Weg nehme.“ (mz)