Pestalozzistraße 10-12 in Ballenstedt Pestalozzistraße 10-12 in Ballenstedt: Mieter kämpfen gegen Heizkosten-Explosion

ballenstedt/MZ - Das Schreiben der BAL Stadtentwicklungsgesellschaft, das die Mieter im Wohnblock Pestalozziring 10-12 in Ballenstedt erreichte, jagte ihnen einen Schrecken ein. „Mieterhöhung nach erfolgter Modernisierung“, lautete der Betreff des Briefs vom 30. September 2011. Die Modernisierungskosten von knapp 300 000 Euro für das Haus könnten zu 11 Prozent auf die Jahresmiete umgelegt werden, hieß es. Ein Beispiel: Für eine Wohnung in dieser Straße mit gut 70 Quadratmetern Wohnfläche sind seit Dezember 2011 statt der bisherigen Grundmiete von 278 Euro 390 Euro fällig. Von der Modernisierung sind zwei Wohnblöcke mit insgesamt 48 Wohnungen betroffen.
In dem Brief der BAL gab es allerdings auch eine gute Nachricht: „Durch die energetischen Sanierungsmaßnahmen wird künftig eine Einsparung der Heizkosten in Höhe von ca. 30 Prozent erreicht.“ Diese Ankündigung jedoch empfindet so mancher Mieter nach der Betriebskostenabrechung für das Jahr 2012 als Hohn und Spott. „Darin musste man feststellen, dass die Heizkosten von 2011 auf 2012 extrem angestiegen sind“, sagt Anke Herlt, Rechtsberaterin beim Mieterverein Wernigerode und Umgebung, an den sich Pestalozzistraßen-Mieter gewandt hatten.
89-prozentige Steigerung
Die betroffenen Wohnungen der BAL werden mit Fernwärme aus einem Heizhaus im Pestalozziring versorgt. Nach Angaben der städtischen Wohnungsgesellschaft wird dort die Wärme durch das Verbrennen von Öl und Holzpellets erzeugt. „Die Kosten der Fernwärme sind im Vergleich zum Abrechungszeitraum 2011 von 129,66 Euro auf 245,56 Euro je Megawattstunde gestiegen“, wirft der Mieterverein der BAL vor. „Damit liegt eine Preissteigerung von 89 Prozent vor.“
Aber nicht nur die Kosten pro Megawattstunde seien gestiegen, generell sei das Heizen trotz energetischer Sanierung inklusive „Vollwärme-Dämmverbundsystem“ und neuer Fenster teurer geworden. Als Beispiel nennt der Mieterverein eine Gutschrift von mehr als 350 Euro aus der Betriebskostenabrechnung 2011 für eine der Wohnungen - und die geforderte Nachzahlung von fast 300 Euro für das Jahr 2012. Verschärft wurde die Situation, da die BAL voller Optimismus die monatlichen Vorauszahlungen der Mieter für 2012 gesenkt hatte. Aber auch wenn die niedrigeren Abschläge berücksichtigt werden, bleibt die Differenz frappierend. Anke Herlt fragt sich: „Wo ist die versprochene Einsparung bei den Heizkosten von 30 Prozent geblieben?“
„Unter Berücksichtigung der preis- und verbrauchsabhängigen Faktoren gibt es Mieter, die eine Einsparung in dieser Größenordnung genießen“, behauptet die BAL. Alle Vorwürfe des Mietervereins weist die BAL zurück. Die Brennstoffkosten hätten sich nicht mit einer Steigerung von 89 Prozent fast verdoppelt, so Uwe Biermann, der Leiter der Immobilienverwaltung. „Es handelt sich hier lediglich um Recheneinheiten. Die Verwendung der Maßeinheit Megawattstunden in den Einzelabrechnungen ist im System des Abrechnungsunternehmens hinterlegt. Dies führte gelegentlich zu Irritationen und wird in zukünftigen Abrechnungen nicht mehr so ausgewiesen.“
„Gewichtige Faktoren“
Nach Angaben der BAL fielen im Jahre 2010 in dem Wohnblock Pestalozziring 10-12 Heizkosten inklusive Heiznebenkosten in Höhe von insgesamt 20 082,90 Euro an, im Jahre 2011 waren es 18 172,11 Euro und 2012 schließlich 20 190,13 Euro. Die BAL räumt ein: „Nun ist - betrachtet man allein die Zahlen - freilich festzustellen, dass im Jahre 2012 (nach der Sanierung) im Vergleich zu 2010 (vor der Sanierung) die angefallenen Heizkosten um 0,5 Prozent gestiegen sind.“ Dabei müssten allerdings „gewichtige Faktoren“ berücksichtigt werden: „die strenge und lange Winterperiode im Jahre 2012, die bekanntlich angestiegenen Preise für Brennstoffe und übrige (Neben-) Leistungen und nicht zuletzt das individuelle Nutzerverhalten“.
Einen ganz anderen Hintergrund für die gestiegenen Heizungskosten vermutet der Mieterverein: Die BAL lasse die Fernwärme über das Modell des so genannten Contractings erzeugen. Dabei kauft oder pachtet ein Dritter, der so genannte Contractor, die Heizungsanlage und betreibt sie auch. Im Gegenzug schließt der Kunde mit diesem einen langfristigen Liefervertrag für Wärme ab, in dem auch die Investitions- und alle weiteren Kosten berücksichtigt werden. Der Mieterverein vermutet, dass die BAL ungünstige Konditionen für ihre Mieter ausgehandelt hat.