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Lost Place im Harz Mit der Kamera überall dabei: Diese Filme zeigen Ballenstedt und seine Bewohner ganz neu

Am 28. Juni erwacht ein Lost Place in Ballenstedt zum Leben: Was es zu entdecken gibt, wenn die ehemalige GST-Schule zum Kinosaal wird.

Von Rita Kunze 27.06.2025, 18:45
Studenten der Uni Magdeburg haben engagierte Ballenstedter zwei Tage lang mit der Kamera begleitet.
Studenten der Uni Magdeburg haben engagierte Ballenstedter zwei Tage lang mit der Kamera begleitet. Foto: Galerie Lilou/Lisa Schmidt

Ballenstedt/MZ. - „Er wuselt den ganzen Tag rum, das ist echt spannend zu sehen. Es gibt nur wenige stille Momente, und die wollen wir dann auch so sprechen lassen: erst laut und viel los, und dann im nächsten Moment wieder Ruhe.“ Carlo Gose und Terence Habelitz sprechen von ihrem Film über den Chef des Ballenstedter Flugplatzes.

Die Studenten der Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg haben Uwe Gröschler zwei Tage lang mit der Kamera begleitet. Ihr Fazit: „Uwe ist die Seele. Er ist der Flugplatz.“

Studenten der Uni Magdeburg zeigen dokumentarische Porträts in Lost Place in Ballenstedt

Insgesamt 20 Medienbildungs-Studenten haben in dieser Woche in Ballenstedt Menschen in sozialen Berufen, in der Pflege von Kultur und im Vereinsleben getroffen, sie mit der Kamera begleitet und sich so „auf eine besondere Lernreise begeben“, wie es beim Ballenstedter Verein Heimatbewegen heißt, der das Uni-Projekt seit mehreren Jahren unterstützt.

Entstanden sind sechs dokumentarische Porträts, die am Samstag, 28. Juni, beim diesjährigen „Kunstkurort Zauberberg“ von Heimatbewegen zu sehen sind. Ab 17 Uhr öffnet sich dafür ein Lost Place: die ehemalige GST-Schule an den Gegensteinen.

Uni Magdeburg ist zum fünften Mal in Ballenstedt

Dozentin Jana Richter ist das fünfte Jahr mit ihren Studenten für eine Woche in Ballenstedt. Jedes Jahr gibt es eine andere Aufgabe; die angehenden Medienbildner sollen verstehen lernen, wie Medien arbeiten und welche Auswirkungen sie haben, indem sie selbst welche produzieren.

Carlo und Terence aus dem vierten Semester sind das erste Mal dabei. „Es ist genau so, wie ich es mir vorgestellt habe“, sagt Carlo. Und Terence: „Man kommt auf jeden Fall mehr mit den Leuten zusammen, mit denen man vorher vielleicht nicht so viel zu tun hatte.“

Der Kinosaal der ehemaligen GST-Schule in Ballenstedt.
Der Kinosaal der ehemaligen GST-Schule in Ballenstedt.
Foto: Galerie Lilou/Lisa Schmidt

„Unsere Aufgabe war es, einfach nur Schatten zu sein. Die Bilder sollen für sich sprechen“, sagen sie über ihren Kurzfilm, bei dem sie keine Interviews vor der Kamera geführt haben. Sie haben beobachtet und kamen dabei schon mal ins Staunen: „Meine Vorstellung war, dass der Flugplatz tot ist“, gibt Terence zu. „Da kommt kein Flugzeug an, da startet vielleicht alle paar Monate eins. Aber jetzt wissen wir, dass da am Tag circa 40 landen und dass da richtig Action ist.“ „Als außerhalb Wohnender hat man Ballenstedt nicht auf dem Schirm, wenn man an den Harz denkt“, schiebt Carlo hinterher. „Und dann dieser Flugplatz - hier kommt echt Verkehr durch.“

An dem Abend solle nicht nur die Leistung der Studierenden gewürdigt, sondern auch das lokale Engagement in den Mittelpunkt gerückt werden, betont der Verein Heimatbewegen. Und deshalb stehen nicht nur Kurzfilme auf dem Programm, sondern auch Kurzgespräche, geführt von Kindern mit Erwachsenen.

Harzgeröder erzählt von aufregender Zwillingsgeburt

„Ich habe mehr Geburten erlebt als die meisten Frauen in Deutschland“, sagt in einem beispielsweise der Mann, der vielen als Schwimmmeister bekannt ist. 14 Kinder habe er auf die Welt holen dürfen, am aufregendsten sei eine Zwillingsgeburt gewesen, erzählt der Harzgeröder Fritz Fürchtenau von seiner Arbeit im Rettungsdienst.

Zu hören ist dieses Gespräch und alle anderen in Podcasts. Fünftklässler des Wolterstorff-Gymnasiums haben sie unter dem Titel „Engagement auf Sendung“ produziert. Zu hören sind die unterhaltsamen wie interessanten Gespräche beim „Kunstkurort Zauberberg“ und auf der Internetseite von Heimatbewegen unter dem Link „Harzer Kleinstadtkaleidoskop“.

Diese Lost Places gibt es in Ballenstedt

Ballenstedt kann mit mehreren Lost Places aufwarten. Der wohl bekannteste ist das Schulungszentrum Großer Ziegenberg. Die ehemalige Nationalpolitische Erziehungsanstalt (Napola) wurde 1934 gegründet und ist der einzige Neubau einer solchen NS-Eliteschule. In DDR-Zeiten diente der Gebäudekomplex - nun Bezirksparteischule - als Kaderschmiede der SED. Nach der Wende übernahm die Stadt Ballenstedt das Areal, auf dem sich dann bis 1995 die Fachhochschule für öffentliche Verwaltung des Landes befand. Ende 2018 kauften zwei chinesische Investoren das Gelände mit Ausnahme des Turmhauses, das sich in österreichischem Privatbesitz befindet. Das übrige Gelände sollte zu einem Zentrum für Traditionelle chinesische Medizin, Kampfkunst und Kultur ausgebaut werden, gemeinsam mit dem Landesfußballbund sollte eine Fußballschule gegründet werden. Bislang ist davon nichts umgesetzt.

Legendär und weit über die Region hinaus bekannt war die Großraum-Techno-Disko „Mirage“. Heute ist der einstige Tanztempel eine Brandruine: Mehr als 150 Einsatzkräfte aus 19 Feuerwehren kämpften Ende Juli 2020 gegen einen Großbrand in der benachbarten Gummifabrik. Die Flammen griffen auf das „Mirage“ über.

Die Gesellschaft für Sport und Technik, kurz GST, unterhielt in Ballenstedt eine Fahrschule, benannt nach dem SED-Mitbegründer Bernard Koenen. Hier erfolgte eine vormilitärische Kraftfahrt-Ausbildung.