Missbrauchsfall in Quedlinburg Missbrauchsfall in Quedlinburg: Menschen sind geschockt über die Horrortat

Quedlinburg - Mit Fassungslosigkeit haben die Menschen im Harz auf die Missbrauchsvorwürfe gegen eine 35-jährige Quedlinburgerin reagiert. Sie soll ihre minderjährige Tochter, anfangs erst zehn Jahre alt, und ein weiteres, fünf Jahre älteres Mädchen zum Sex an Männer verkauft haben. Seit Bekanntwerden der Vorwürfe kochen in der Stadt und im Netz die Emotionen hoch. In Kommentaren auf der Facebookseite der MZ-Lokalredaktion schwingt Wut mit und Bestürzung: „So was dürfte sich nicht Mutter nennen“, schreibt eine Nutzerin. „Traurig, dass über die vielen Jahre keiner was mitbekommen hat, das Kind ist gezeichnet fürs Leben“, eine andere.
Die 71-jährige Barbara Held, die am Mittwoch in Quedlinburg unterwegs ist, findet „scheußlich“, was den Kindern widerfahren sei. „Auch die Männer, die Geld dafür bezahlen, gehören verurteilt. Was sie gemacht haben, ist fast noch schlimmer. Sie haben schließlich gewusst, dass sie sich an Minderjährigen vergreifen“, so Held. Unentschuldbar sei so etwas, sagt Raik Müller und ringt um Worte. „Man findet einfach keine.“ Zudem zeige sich: „Wir haben es hier nicht mit einem großstädtischen Phänomen zu tun.“
Ein Fall wie dieser ist nach Angaben des Kinderschutzbundes in Sachsen-Anhalt einzigartig. Landes-Geschäftsführerin Andrea Wegner kritisiert die Arbeit des Jugendamtes im Landkreis Harz. „Ich weiß nicht, ob dieses Drama von Quedlinburg hätte verhindert werden können“, sagt sie. „Aber ich weiß, dass ich auf Nachfrage in angezeigten Einzelfällen im Jugendamtsbereich des Harzkreises öfter als anderswo zur Antwort bekam: ,Die Familie ist hinlänglich bekannt. Es werden aber Hilfen abgelehnt.‘“ Künftig dürfe „nie mehr einfach so ein Haken drangemacht werden“, fordert Wegner. Es gebe genug Fachkräfte, die solch „abgehängte“ Familien dazu bringen könnten, sich helfen zu lassen. Kinderschutz-Netzwerke seien genau dafür da: für den Einzelfall richtige Hilfen zu finden. „Was ich mir auch wünsche: weniger Schreibkram, mehr Zeit für Beziehungspflege in der sozialen Arbeit“, so Wegner.
Die gesetzlichen Regelungen für die Verfolgung von Kindesmissbrauch und auch das Zusammenspiel der Akteure dabei seien in Sachsen-Anhalt dagegen gut geregelt, sagt die Kinderschutzbund-Geschäftsführerin. „Aber man kann den subjektiven Faktor nicht per Dekret normieren. Es sind Menschen, die Einschätzungen und Entscheidungen nach angezeigtem Verdacht auf Kindeswohlgefährdung verantworten“, sagt sie. „Ich wünsche mir mancherorts mehr fallbezogene Kommunikation auf Augenhöhe zwischen sozialpädagogischen Mitarbeitern freier Träger und Mitarbeitern des Jugendamtes.“ Im Harz herrsche die Auffassung, als Jugendamt nicht verpflichtet zu sein, in den Besprechungen des Netzwerkes Kinderschutz über Einzelfälle zu reden, so Wegner. „Ich wage auch zu bezweifeln, dass in jedem Falle Entscheidungen vom Sachverstand her gefällt werden.“ Das begünstige, dass „dubiose Eltern-Kind-Beziehungen“ unentdeckt blieben.
Das Jugendamt lehnte am Mittwoch mit Verweis auf das laufende Verfahren jegliche Stellungnahme ab. Kreissprecherin Ingelore Kamann teilte nur mit: „Das Kind wurde durch das Jugendamt am 20. November in Obhut genommen und befindet sich jetzt in einer Jugendeinrichtung.“ Unterdessen sitzt die Mutter in Halle in Untersuchungshaft, berichtet ihr Anwalt Jens Glaser. Sie sei am 23. Dezember in Dresden verhaftet worden und zunächst in Chemnitz in ein Gefängnis gekommen. Er habe bis heute keine Akteneinsicht nehmen können und seine Mandantin noch nicht getroffen, so Glaser. Daher könne er zum Fall nichts sagen. (mz)
