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Minuspunkte bei lästigen Stummeln

Von Uwe Kraus 04.07.2006, 14:46

Gernrode/MZ. - Sebastian Hotze, dem man von der Statur her abnimmt, dass er im Wald Bäume ausreißen könnte, steht Silke Seiler gegenüber, streckt seine Hände vor, dreht sie um. "In Ordnung, keine Verletzungen", sagt die Frau vom Betreuungsforstamt Annaburg, die sich vor Wettkampfbeginn schon das Verbandspäckchen des jungen Mannes zeigen ließ, zu ihrem Schiedsrichter-Kollegen Stephan Miehe vom Forstamt Flechtingen. Der trägt 22 Punkte in den Wettkampfbogen des Auszubildenden zum Forstwirt ein und wünscht ihm an den folgenden Stationen viel Erfolg. Der Thüringer mit der Startnummer 21 bewies an der ersten Station der 14. Harzer Waldarbeitermeisterschaften sein Können bei der Motorsägenmontage.

Sägekette und -schiene galt es zu wechseln und die nötige Spannung für die kommenden Disziplinen einzustellen. Die mitgereisten Freunde und Kollegen vom Forstamt Bleicherode kommentieren Sebastians Auftritt fachkundig. "Naja, er hätte ruhiger bleiben müssen. Technisch hat er es voll gepackt, aber das Zeitproblem wirft ihn erstmal zurück." Der Ostharzer Peter Hirschfeld wirkte da deutlich abgeklärter. Verständlich, zählt er doch zu den erfahrenen Waldarbeitern in seinem Forstbetrieb. Nach 28 Sekunden drückte Schiedsrichter Stephan Miehe auf seine Stoppuhr. Doch wenig später ärgert sich auch Hirschfeld. "Der eine Stamm ist ja in Ordnung, aber schaut doch mal, der ist total eirig", knurrt er die Schiedsrichter beim Kombinationsschnitt an.

"Na ja, nicht zu ändern", winkt er ab, während die Juroren ihre Messinstrumente ansetzen. Hier galt es von zwei Stämmen jeweils eine Scheibe von drei bis acht Zentimeter Dicke abzuschneiden, zur Hälfte von unten, zur Hälfte von oben, so dass sich beiden Schnitte möglichst korrekt treffen. Gut sichtbar für die Wettkampfteilnehmer und den riesigen Pulk von Zuschauern vermerken die Schiedsrichter mit dicken Stiften die Werte auf den "Wettkampfscheiben". Es kann weiter gehen. Der Niedersachse Marius Weraneck lässt seine Säge hochtouren, die sich auf einer großen Wiese am Rande von Gernrode in das Konzert von Besucherstimmen, dem fernen Muhen einer Kuh und der weiteren scharfen Wettkampfinstrumente mit Schwert und Kette einfügt. Das Startkommando lässt den angehenden Forstwirt an die beiden Stämme eilen, an denen er Präzisionsschnitte auszuführen hat.

Erst kräftig, dann schon fast bedächtig frisst sich das starke Kettensäge-Blatt durch das Holz. Er muss den Stamm durchtrennen, darf aber das darunter liegende Brett nicht anritzen. Geschafft. Der junge Waldarbeiter gönnt seiner Säge und den Ohren der Umstehenden eine Pause, schiebt Helm und Gehörschutz vom Kopf und streift die Schnittschutzhandschuhe ab. Wenig später wechseln die 22 ausgebildeten und angehenden Forstwirte aus Sachsen-Anhalt, Niedersachsen und Thüringen ihr Werkzeug. Nicht umsonst wird der Sieger mit der "Silbernen Axt" geehrt. Die Teilnehmer sollen beweisen, wie sie auch damit umgehen können. Mit leuchtender Farbe ist auf dem 15 Zentimeter dicken Stamm jener 25-Zentimeter-Abschnitt markiert, an dem er in kürzester Zeit mit der Axt durchtrennt wird. Bei knapp 30 Grad Celsius ein Schweiß treibendes Unterfangen, bei dem die Späne nur so nach allen Seiten fliegen. Hier ist ebenso Augenmaß gefragt wie beim späteren Schätzen des Volumens von bereitliegenden Stämmen ohne ein Hilfsmittel zum Messen.

Zum internationalen Regelwerk für derartige Waldarbeitermeisterschaften zählt neben dem Kombi- und Präzisionsschnitt auch das Entasten. Dabei trennen die Teilnehmer 30 Äste vom Stamm ohne ihn zu beschädigen, aber auch ohne lästige Stummel zu hinterlassen. "Wir haben aber auch andere Disziplinen mit aufgenommen, die zum täglichen Brot der Waldarbeiter gehören", erläutert Oberschiedsrichter Hartmut Otto, der sonst als Arbeitslehrer an der Landesanstalt für Landwirtschaft, Forsten und Gartenbau in Magdeburgerforth wirkt. "Dazu gehört neben dem Axt-Hacken das Spalten und Setzen von Stammholzstücken sowie das Scheiben schneiden vom senkrechten Stamm mit der Motorsäge und das anschließende Ablegen."

Im Rahmen des Harzfestes organisierten die Landesanstalt für Landwirtschaft, Forsten und Gartenbau in Magdeburgerforth, der ebenfalls dort ansässige Verein zur Förderung der Ausbildung von Forstwirten und Forstwirtschaftsmeistern sowie das Betreuungsforstamt Harz mit Unterstützung zahlreicher Sponsoren die Wettkämpfe. Wolfgang Menz, Wolfgang Kilian und Forstoberrat Egbert Thiele hatten sich ebenso wie Hartmut Otto in die Vorbereitung der Landesgrenzen übergreifende Meisterschaft der Harzer Waldarbeiter gekniet. Lob gab es auch für die regelkundigen Forstwirtschaftsmeister aus dem Betreuungsforstämtern, die als Schiedsrichter darüber wachten, dass Qualität und Sicherheit eingehalten wurden. Hartmut Otto weiß, der Forst-Beruf ist trotz aller Technik nach wie vor ein körperlich schwerer. "Doch das Interesse der jungen Leute ist ungebremst. Die privaten Betriebe halten sich da noch stark zurück. Das Land Sachsen-Anhalt bildet aus, 30 Einstellungen werden wir 2006 leider nur haben, für das kommende Lehrjahr deutet sich die gleiche Auszubildendenzahl an. Der Bedarf liegt durchaus bei 800."

Und ausgebildete Forstwirte sind in der Forstwirtschaft, bei privaten Waldbewirtschaftern und in der Landschaftspflege sehr gefragt. "Das sind flexible Leute, die mit dem hochtechnisierten Vollernter ebenso umzugehen verstehen wie mit anderer Rücketechnik, mit der Motorsäge und mit der schlichten Axt", so Otto. Er hoffe, dass die Ausbildung im Land Sachsen-Anhalt erhalten bleibt, wo sieben Betriebe und die überbetriebliche Berufsschule in Magdeburgerforth den Forstarbeiternachwuchs fit machen. Sein Leben lang hat Helmut Krause sein Geld "in der Forst" verdient. "Als Egbert Thiele mich gefragt hat, ob ich zum Harzfest nicht mal den alten Maschinenpark vorführe, habe ich natürlich gleich zugesagt." Mit Söhnen und Neffen zeigt er dem von weither angereisten Gästen, wie die Holzfäller einst arbeiteten.

"Wenn man den ganzen Tag mit der Schrotsäge Stämme zu Brettern geschnitten hat, da fehlte abends selbst die Kraft, um eine Ohrfeige auszuteilen." Der Kräfteverschleiß der Harzer Holzfäller wurde oft mit dem der Bergleute verglichen. So ist Helmut Krause stolz, dass der Fortschritt in der Branche Einzug gehalten hat. Doch mit viel Spaß erklärt er den Besuchern der Waldarbeitermeisterschaften, lässt die alte "Dolmar" von 1944 aufkreischen, verweist auf den drehbaren Schwimmervergaser der "Drushba", die in Sibirien erprobt wurde, und die Einmann-Kettensäge aus der 1960er Produktion der Barkaswerke. "Ich werde wohl bis zum Schluss dem Forst verbunden bleiben", meint der agile Waldarbeiter-Senior mit dem grünen Hut.