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Medaille zum 85. Geburtstag Medaille zum 85. Geburtstag: Ein Andenken an eine Traditionsfirma

Von Uwe Kraus 26.10.2020, 13:56
Günter Spröggel, der am Donnerstag 85 Jahre alt wird, zeigt vor dem heutigen Haus eine alte Fotografie des früheren Firmensitzes des Familienunternehmens in der Marktstraße 4.
Günter Spröggel, der am Donnerstag 85 Jahre alt wird, zeigt vor dem heutigen Haus eine alte Fotografie des früheren Firmensitzes des Familienunternehmens in der Marktstraße 4. Detlef Anders

Quedlinburg - „Das 200. Jubiläum haben wir nicht geschafft“, bedauert Günter Spröggel. 2002, nur zwei Jahre vorm 200., war für das Familienunternehmen aus wirtschaftlichen Gründen Schluss. „Die Zahlungsmoral der Kunden ... Die nicht beglichenen Rechnungen waren eine Last, die drückte ganz schön“, erinnert er sich.

„Damit ging ein wesentliches Stück Handwerksgeschichte zu Ende“

Schließlich zog er mit seiner Frau aus dem alten Familienstammsitz in ein neu gebautes Haus. „Damit ging ein wesentliches Stück Handwerksgeschichte zu Ende. Wir galten damals als ältestes Unternehmen in Quedlinburg“, erzählt Günter Spröggel, der am 29. Oktober 85 Jahre alt wird.

„Im Andenken an die Firma und die vielen Angestellten haben wir uns entschlossen, dem Vorbild vieler engagierter Quedlinburger zu folgen. Wir werden eine Medaille stiften. Zwar liegt die Marktstraße 4 nicht direkt darauf, sondern etwas abseits vom direkten Stifterweg, aber das tut ja der guten Idee keinen Abbruch“, so Günter und Rosel Spröggel.

Verbundenheit und persönliche Erinnerungen zum Ausdruck bringen

Durch den Erwerb der Medaillen haben Bürger die Möglichkeit, ihre Verbundenheit mit Quedlinburg sowie persönliche Erinnerung zum Ausdruck zu bringen und gleichzeitig mit einer Spende die Stiftungszwecke der Bürgerstiftung Quedlinburg zu unterstützen.

Die Geburtsstunde der Firma Gustav Spröggel schlug am 4. Oktober 1804 in einem Gebäude hinter dem Rathaus, der sogenannten Scharrengasse. „Den Straßenzug gibt es so heute nicht mehr, der fiel der Erweiterung des Rathauses zum Opfer“, so Spröggel. „An dem Gebäude hat unsere Firma sogar noch Blecharbeiten gemacht.“

In Halberstadt stecken die eigentlichen Wurzeln

Eigentlich stecken die Wurzeln der Spröggels in Halberstadt. Nach dem Umzug findet man Günter Spröggel Ururgroßvater mit dem noch heute vorhandenen Bürgerbrief der Stadt als Gelbgießer im benachbarten Quedlinburg. Die Firma stellte Messingschlüssel her, Scharniere und Riegel. Es wurde graviert und ziseliert, seit 1845 in der Marktstraße 4, wo die Firma bis zu ihrem Ende ihre Heimat behielt.

„Alte Handwerkstechniken lebten in unserer Firma fort, das Bleirohrlöten hatten wir bis zum Schluss im Angebot.“ August Spröggel, ein geschickter Klempnermeister folgte auf den Firmengründer, das Unternehmen florierte dank des Wirtschaftsaufschwunges durch die Entwicklung der Stadt als Saatgutzentrum.

Firma brannte vor 100 Jahren ab

Vor 100 Jahren mussten Spröggels einen harten Schlag wegstecken. Am 4. April 1920 brach im Nachbargrundstück ein Feuer aus, das auf das Gelände Marktstraße 4 übergriff. Die Firma Spröggel brannte im wahrsten Sinne des Wortes ab.

Nach dem Zweiten Weltkrieg, in dem das Unternehmen für die Rüstungsproduktion verpflichtet wurde, hatte die Firma Spröggel 80 Mitarbeiter und war in den Bereichen Sanitär, Heizung und Elektro sowie Dachklempnerei tätig. Günter Spröggel erlebte die Umwandlung des Familienbetriebes in einen florierenden volkseigenen Betrieb mit 157 Mitarbeitern.

Im eigenen Haus zur Miete gewohnt

Zum 190. Betriebsjubiläum erinnerte er sich: „In den Jahren bis 1989 war ich Meister in dem früheren Unternehmen meiner Familie. Es hat schon gewurmt, im eigentlich eigenen Haus zur Miete zu wohnen und die Firma zwangsweise verkauft zu haben.“ Doch es habe damals - 1972 - kein Entrinnen gegeben.

Nach der Wende wagte er den privatwirtschaftlichen Neustart mit der Günter Spröggel GmbH und Co. KG, die Heizung, Sanitär- und Elektroinstallation anbot, während seine Frau das zur Firma gehörenden Geschäft für Lampen und Haushaltsgeräte betrieb. „Auch da mussten wir uns der Konkurrenz der Baumärkte mit Billigprodukten beugen“, schaut der 85-Jährige, an dessen Zimmerwand der Goldene Meisterbrief im Installateurshandwerk hängt, zurück. (mz)