Wie weiter mit dem Deutschlandticket im Harz? Landrat: „Die Situation ist jetzt schon prekär“
Die Landkreise in Sachsen-Anhalt haben im Streit um ihre unzureichende Finanzausstattung mit dem Aus für das Deutschlandticket gedroht. Thomas Balcerowski, Landrat im Lankreis Harz, kritisiert Wortbrüche und spricht von „politischer Zechprellerei“.

Landkreis Harz/MZ. - Das neue Schuljahr hat im Landkreis Harz mit einem Novum begonnen: Statt der bisherigen Schülerfahrausweise wurden beziehungsweise werden zurzeit Tausenden Schülern Deutschlandtickets ausgehändigt. Doch die Freude darüber könnte nur von kurzer Dauer sein. Auch Pendler und Urlauber – kurzum: alle, die das bundesweit gültige 49-Euro-Ticket nutzen – dürften lange Gesichter machen, sollte eintreten, was Sachsen-Anhalts Landkreise im Streit um ihre unzureichende Finanzausstattung angedroht haben: den Ausstieg aus dem Deutschlandticket, das dann eben nicht mehr überall gelten würde.
Es gehe nicht um das Deutschlandticket allein, sagt der Harzer Landrat Thomas Balcerowski (CDU).
Vielmehr wäre der Ausstieg „ein erstes sichtbares Zeichen“, dass „Leistungen, die man kennt, einfach nicht mehr gewährleistet werden können – an dem Punkt sind wir nämlich. Die Situation ist jetzt schon prekär.“
Und bisher ist es noch so – Beispiel Deutschlandticket –, dass der Landkreis für die Einnahmeausfälle bei Harzer Verkehrsbetrieben und Halberstädter Verkehrs-GmbH, die durch die Nutzung des Deutschlandtickets entstehen, einen Ausgleich vom Land bekommt. Für das Jahr 2024 sind das nach Angaben der Kreisverwaltung rund 1,44 Millionen Euro. So viel, wie es auch schon 2023 waren. Sie decken die Einnahmenverluste zu den bisherigen Ticketpreisen. Bei den Schülertickets macht der Unterschied zum Deutschlandticket den Angaben nach rund 90.000 Euro pro Monat aus. Kosten entstehen jedoch für den digitalen Umstellungsprozess. Er wird zu 90 Prozent durch das Projekt „harzbewegt“ gefördert; 15.000 Euro entfallen aber auf den Landkreis.
Das ist nur ein Bruchteil dessen, was 2025 auf den Landkreis zukommen könnte: Denn die Ausfallfinanzierung sei – Stand jetzt – nicht gesichert, „und gleichzeitig bekommen wir Einnahmen angerechnet, die wir nicht haben. Es werden fiktive Kreisumlagen verbucht, die wir nicht erzielen können“, erklärt der Landrat. Damit zieht sich die Kostenschlinge für den Landkreis weiter zu.
„Wir hatten das eigentlich ausdiskutiert“, den Landkreisen sei zugesichert worden, dass ihre Haushaltssituation nicht schöngerechnet werde, „elf Landräte haben das gehört. Aber das Gegenteil ist der Fall. Man kann den Ministern nicht mehr trauen, ein gegebenes Wort scheint nichts mehr zu gelten“, echauffiert sich Balcerowski. „Dass der Finanzminister vielleicht am Ende seiner Kunst ist, mag ja sein. Aber dass das Land kein Geld mehr hat, können doch nicht die Bürger vor Ort ausbaden“, so der Landrat weiter.
Schon jetzt würden angesichts klammer Kassen ausscheidende Mitarbeiter der Landkreisverwaltung nicht mehr in jedem Fall ersetzt; soweit fachlich möglich, erfolge die Umsetzung vorhandener Kollegen, was zu einem Rückgang der Dienstleistungen und verlängerten Bearbeitungszeiten führe. „Wir machen dann nur noch Notbetrieb – das ist die Konsequenz.“ Aber auch noch nicht das Ende möglicher Leistungseinschränkungen: „Dann geht es weiter bei den kreiseigenen Betrieben, den Schulen, dem öffentlichen Personennahverkehr …“
Wie die Auseinandersetzung zwischen Landkreisen und Land um die Kommunalfinanzen ausgeht, bleibt abzuwarten. Und damit auch, wie es mit dem Deutschlandticket im Landkreis Harz weitergeht. Wenn es keine Lösung gebe, werde der Kreistag bis Dezember über den Ausstieg befinden müssen, so Balcerowski. Klar ist: Ohne finanziellen Ausgleich ginge es weiter in die Verschuldung.
„Das ist für mich politische Zechprellerei. Einer bestellt, bezahlt aber nicht. Macht man das im Restaurant, macht man sich strafbar, in der Politik ist das gang und gäbe“, sagt der Landrat, der an anderer Stelle durchaus Einsparpotenzial sieht: „Da muss man auch mal an die Fleischtöpfe der Landesverwaltung ran. Wir haben Landesämter, die mehr Bürokratie als Nutzen produzieren.“
Auch in den Zügen der Harzer Schmalspurbahnen – ausgenommen zwischen Drei Annen Hohne und Brocken – gilt das Deutschlandticket. Der Ausgleich erfolgt über die Nahverkehrsservice Sachsen-Anhalt GmbH.