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Landkreis Harz Landkreis Harz: Stachelschwein sorgt in Ermsleben für Aufregung

Von petra korn 08.03.2013, 13:34
Die Bauhofmitarbeiter Rainer Schmidt und Frank Mücke (r.) stellen eine Kastenfalle auf, mit der das Stachelschwein gefangen werden soll.
Die Bauhofmitarbeiter Rainer Schmidt und Frank Mücke (r.) stellen eine Kastenfalle auf, mit der das Stachelschwein gefangen werden soll. Chris Wohlfeld Lizenz

Ermsleben/MZ - „Es war so groß“, lässt Iris Dorf ihre Hände 50, 60 Zentimeter auseinanderschnellen. „Wie mein Labrador“, ergänzt Angelika Schultz. Die beiden Zustellerinnen der Mitteldeutschen Zeitung gehören zu jenen, die ihm schon begegnet sind: einem frei laufenden Stachelschein, das mit seinen nächtlichen Streifzügen durch Ermsleben für Aufregung sorgt. Erstmals soll es am Donnerstagabend gesichtet worden sein. Da war es noch außerhalb des Ortes unterwegs. Inzwischen wurde der Exot, der eigentlich in Asien, Afrika und Südeuropa zu Hause ist, immer wieder gesehen - zuletzt sogar mitten in Ermsleben. Dass es sich tatsächlich um ein Stachelschwein handelt, davon sind alle, die dem Tier begegneten, felsenfest überzeugt. Die Stadtverwaltung Falkenstein/Harz versucht jetzt, es einzufangen - „ehe irgendetwas passiert“, sagt Bürgermeister Klaus Wycisk.

Doch kein Dachs

Jan Bögershausen war vermutlich der erste, der dem nachtaktiven Nagetier begegnete. Der „Herbergsvater“ vom Forsthaus Friedrichshohenberg war am Donnerstagabend gerade auf dem Weg zur Konradsburg, als ihm in der Nähe des Gnadenhofes ein Stachelschwein über den Weg lief. Am Freitag sichteten dann Vereinsmitglieder des Förderkreises Konradsburg das Tier, als sie zu einem Treffen auf der Burg unterwegs waren. Klaus Wycisk, ebenfalls Vereinsmitglied, wollte den Berichten seiner Mitstreiter zunächst gar nicht glauben: „Ich habe gedacht, das war garantiert ein Dachs.“

„Irgendetwas Eigenartiges“

Doch schon am Sonnabend gab es die nächste unerwartete Begegnung. Angelika Schultz hatte gegen 5 Uhr die Zeitung im am Ortsrand liegenden Wohngebiet Hagenbreite zugestellt, ihr Mann auf der Konradsburg. Beide wollten gerade mit dem Auto zurück in Richtung Ortsmitte fahren, als sie plötzlich „irgendetwas Eigenartiges“ sahen. Wie ihr Mann feststellte, handelte es sich um ein Stachelschwein. „Es hatte seine Stacheln aufgestellt und ist neben dem Auto hergelaufen“, erzählt Angelika Schultz. Sie nahm ihre Taschenlampe und leuchtete das Tier an. „Es hat uns mit kleinen braunen Augen angeguckt. Richtig niedlich. Aber begegnen wollte ich ihm nicht.“

Doch genau das passierte am Morgen danach. Die Ermslebenerin war gerade in der Hagenbreite unterwegs, als ihr eine vermeintliche nasse Stelle auf der Straße auffiel und ihr Labrador plötzlich bellte. „Ich habe meine Taschenlampe rausgeholt - und da guckt mich wieder das Stachelschwein an.“ Es hatte seine Stacheln aufgerichtet, „war aufgeplustert so auf Labradorhöhe“, sagt Angelika Schulz. „Das ist gigantisch, wenn man das sieht.“ Ein Bild, das sie im Foto festhalten wollte und deshalb am Dienstag den Fotoapparat mitnahm. „Und dann kommt der nicht“, sagt Angelika Schultz lachend.

Pläne, den Exoten zu fangen

Jedenfalls nicht in die Hagenbreite. Denn am Dienstagmorgen sah sich Iris Dorf, die die Berichte ihrer Kollegin eher ungläubig vernommen hatte, plötzlich in der Grünen Straße dem stachligen Gesellen gegenüber. „Erst habe ich gedacht, da sitzt ein größerer Hund. Dann aber hat er seine Stacheln hochgestellt und kam auf mich zugelaufen.“ Iris Dorf blieb ganz still stehen, bis das Tier vorbei war. „Dann ist mir ein Stein vom Herzen gefallen.“

Derweil liefen schon die Bemühungen, den Exoten einzufangen. Das Ordnungsamt der Stadt war am Sonnabend von der Einsatzleitstelle eingeschaltet worden. Bei einem Meisdorfer Jäger wurde eine Falle ausgeborgt und mit Obst und Gemüse als Lockmittel bestückt, sagt Holger Kitzmann, Leiter der Ordnungsverwaltung. Doch das Tier ließ sich nicht locken - weshalb nun ein neuer Anlauf mit einer größeren Falle gestartet wurde.

Woher das Stachelschwein gekommen sein könnte, dazu gibt es derzeit keine Hinweise. Aus einem Tiergarten? In Halberstadt wird seit längerem eines vermisst. Doch Ermsleben ist viel zu weit weg, sagt ein Tierpfleger. Aus einer privaten Haltung? „Alles ist möglich“, sagt Dietmar Reisky, Leiter des Zoos in Aschersleben. Stachelschweine könnten sehr zahm werden - seien aber Nager, „die von ihren Zähnen reichlich Gebrauch machen“. Und weil sie ihre Behausung in der Natur in unterirdischen Höhlen haben, graben sie auch „unheimlich“. Dass dem im Ermsleben gesichteten Tier die frostigen Nachttemperaturen nichts auszumachen scheinen, ist nicht ungewöhnlich: „Die meisten Stachelschweine, die hier in Zoos und Tiergärten leben, stammen aus dem mittelasiatischen Raum. Die sind schon Kälte gewöhnt.“

Selbstbewusste Tiere

Und „auch selbstbewusst: Sie wissen, dass es nicht so einfach ist, an sie heranzukommen“, sagt Reisky. In Verteidigungsstellung spreizen sie ihre Rückenstacheln auseinander und rennen dann mit ziemlicher Geschwindigkeit auf den Feind zu, um diesen zu stechen. Wenn man solche Stachel, die Widerhaken haben, ins Bein bekommt, ist das schon unangenehm, sagt Dietmar Reisky. Deshalb sollte, wer dem Tier begegnet, am besten ganz ruhig bleiben, das Stachelschwein vorbeilaufen lassen oder selbst an ihm vorbeigehen, so dass es sich nicht erschrickt. Und natürlich die Stadt Falkenstein/Harz informieren.

Der Zoo in Aschersleben hat sich übrigens auch bereiterklärt, das Stachelschwein vorübergehend unterzubringen. „Sofern wir es eingefangen haben. Das ist unsere Aufgabe“, sagt Bürgermeister Klaus Wycisk.