Landkreis Harz Landkreis Harz: Karabiner im Kleiderschrank
HALBERSTADT/MZ. - Nein, sagt kategorisch Heinrich Dhemant, Leiter des Ordnungsamtes des Landkreises. "Nicht ein jeder, der eine Waffe besitzt, schießt automatisch auf Leute." Man könne den Waffenbesitzern aber nicht in den Kopf gucken. Was nach seiner Meinung im Waffengesetz verschärft werden sollte, sei eher die Mithaftung der Waffenbesitzer, wenn diese ihre Waffen nicht ordentlich in entsprechenden Behältnissen verschlossen haben - natürlich getrennt von der Munition. Die Achillesferse sei auch oft die Aufbewahrung des Schlüssels für den Waffenschrank.
3 531 Bürger des Landkreises Harz haben zur Zeit eine Waffenbesitzkarte, darunter sind 1 471 Jäger. Jeder von ihnen hat im Durchschnitt zwei Kurzwaffen, wie Pistolen und Revolver, und mehre Langwaffen, wie Gewehre, Flinten und Büchsen. Vollautomatische Waffen, wie Maschinenpistolen, dürfen sich nicht in privatem Besitz befinden. Insgesamt sind es 14 490 Gewehre und Pistolen, die sich offiziell und rechtmäßig in privater Hand befinden. Der Mehrzahl wird in den heimischen vier Wänden der Waffenbesitzer aufbewahrt, nur wenige bei den Schützengesellschaften. Insgesamt gibt es im Landkreis Harz 119 schießsportliche Vereinigungen, wie die Schützenvereine.
Dass nun Dhemants Goslarer Kollegen verschärft die Waffenbesitzer kontrollieren wollen, hält der Amtsleiter für puren Populismus. Es sei nämlich laut Grundgesetz unmöglich, unangemeldet in den privaten Wohnungen zu kontrollieren. Dies sei nur auf richterliche Anordnung oder bei Gefahr im Verzug möglich. Doch dann sei dies schon eher ein Fall für das Sondereinsatzkommando der Polizei. "Wenn wir angemeldet kommen, ist ja alles vorbildlich", stellt er fest.
Frank Ruch, Abteilungsleiter Waffen und Jagd, spricht in Fragen Waffenbesitz von einer guten Zusammenarbeit zwischen der Behörde und dem Kreisschützenbund sowie den Vereinen. Wenn es da Auffälligkeiten gibt, wie Alkoholmissbrauch oder anderes, dann werde es dem Ordnungsamt gemeldet. Es folgt dann eine Überprüfung des Waffenträgers. Die waffenrechtliche und jagdrechtliche Zuverlässigkeit werde ohnehin alle drei Jahre überprüft. Dazu werde auch das Bundeszentralregister genutzt. "Wir arbeiten im Landkreis bei der Ausschöpfung der Kontrollmöglichkeiten am Maximum."
Die Ausgabe einer Waffenbesitzkarte ist an vier Kriterien gebunden, erklärt Ruch. Das sind Sachkunde, Zuverlässigkeit, persönliche Eignung und Bedürfnis. Die Sachkunde ist mit einem Lehrgang und einer Prüfung nachzuweisen. Zuverlässigkeit heißt unter anderem, dass keine Straftaten begangen worden sind. Wenn jemand zu 60 Tagessätzen verurteilt wurde, kann die Behörde den Waffenbesitz zum Beispiel schon versagen. Unter Bedürfnis wird verstanden, dass Menschen als Jäger oder Schütze regelmäßig schießen. Wer sich nicht mehr aktiv betätigt und keine Schießübungen absolviert, ist verpflichtet, seine Waffenbesitzkarte zurück zu geben und seine Waffen einem Berechtigten zu überlassen oder zu verkaufen. Im Regelfall lässt die Behörde dafür 14 Tage Zeit, um die Veränderungen zu melden. Bei Verstößen dagegen sind schon einmal 35 bis 100 Euro Bußgeld fällig.
28 Verstöße gegen das Waffengesetz habe das Kreisordnungsamt im vergangenen Jahr registriert. Das höchste Bußgeld betrug sogar 2 000 Euro gegen einen ehemaligen Waffenhändler, der die ordentliche Entsorgung von Waffen nicht nachweisen konnte. Neun Waffenbesitzverbote wurden erlassen und neunmal wurde die Waffenbesitzkarte widerrufen.
Eine Sondergenehmigung erhalten Waffensammler, wie Edgar Kaufhold, Sachgebietsleiter Waffenrecht, zu berichten weiß. Im Landkreis gibt es derzeit neun Mitbürger, die Waffen sammeln. Ein Sammler erhält eine rote Waffenbesitzkarte. Alle seine Waffen werden bei der Behörde erfasst. Durch die enge Zusammenarbeit von Behörde und Vereinen konnte auch die ordentliche Aufbewahrung von Waffen besonders nach dem Amoklauf von Erfurt vor sechs Jahren verbessert werden, ist sich Frank Ruch sicher. So mussten in einem Zeitraum von drei Jahren die Waffenbesitzer der Behörde mitteilen, dass sie ihre Waffen in normgerechten Waffenschränken getrennt von der Munition aufbewahren. Rund 25 Prozent der Angeschriebenen hatten Nachbesserungsbedarf. "In einem Fall war sogar ein Karabiner im Kleiderschrank gelagert", weiß der Ordnungsamtsleiter vom bis dahin leichtfertigen Umgang durch den Waffenbesitzer zu erzählen.
Was passiert eigentlich mit den sichergestellten Waffen? Sie werden in der Waffenkammer des Ordnungsamtes aufbewahrt. Türkensäbel, selbst gebastelte Waffen und Karabiner sind dort eingelagert. Die Rarität in dem Sammelsurium: ein Landsturmgewehr aus dem Zweiten Weltkrieg. Beschlagnahmte Waffen werden durch das Technische Polizeiamt vernichtet, ebenso gefundene Waffen, bei denen kein Halter mehr ermittelt werden kann. Wie Edgar Kaufhold verweist, ist der Besitz von Gasdruckwaffen, Signal- oder Schreckschusspistolen waffenscheinfrei. Dieser wird dann aber benötigt, sobald die Waffe unverpackt das Privatgrundstück verlässt. Wer dagegen verstößt, kann schon mit einem Strafbescheid in Höhe bis zu 600 Euro rechnen.