Landkreis Harz Landkreis Harz: Immer mehr Menschen haben Schreckschusswaffen

Halberstadt/Harzgerode - Nach den sexuellen Attacken auf Frauen in der Silvesternacht in Köln und anderen deutschen Städten rüsten die Harzer auf. Der Kleine Waffenschein, der zum Führen von Signal-, Reizstoff- und Schreckschusswaffen berechtigt, ist so begehrt wie nie zuvor. „Es gibt da einen Trend nach oben, die Nachfrage ist erheblich gestiegen“, sagt Martina Schulz, Leiterin der Waffen- und Sprengstoffbehörde beim Landkreis Harz.
Während im gesamten Jahr 2015 nur 29 Anträge für diesen Schein gestellt worden sind, waren es bis zum vergangenen Freitag, 22. Januar, in nicht einmal einem Monat nach Angaben der Sachgebietsleiterin bereits 33. Im Jahr 2015 gab es im Landkreis Harz insgesamt 441 Menschen mit einem Kleinen Waffenschein. Diese Zahl könnte sich in diesem Jahr verdoppeln.
Martina Schulz warnt allerdings davor, den Waffenschein als Persilschein für wildes Herumballern zu sehen. „Wir bemühen uns, den Leuten klar zu machen, dass dieser Schein nur zum Führen der Waffe berechtigt - nicht zu ihrem Einsatz“, sagt sie in einem Pressegespräch. Und außerdem gibt sie zu bedenken, dass ein Verteidigungsversuch mit einer Schreckschuss-Pistole böse enden kann - zum Beispiel dann, wenn ein echter Ganove mit echter Waffe die Schreckschuss-Pistole für echt hält. Dann fliegen auch schon mal echte Kugeln. In einem Zeitungsinterview betont zudem Rainer Wendt, Chef der Deutschen Polizeigewerkschaft: „Im entscheidenden Moment kann ein Laie weder ein Pfefferspray richtig bedienen noch eine Schreckschusswaffe.“
Wer einen Kleinen Waffenschein bekommen möchte, muss dafür einen Antrag bei der Waffenbehörde stellen. Man kann ihn zum Beispiel auf der Homepage der Kreisverwaltung unter der Adresse www.kreis-hz.de/de/formulare/formulare-waffenbehoerde-20006960.html herunterladen und dann dort einreichen.
Die Erteilung einer Erlaubnis ist an folgende Voraussetzungen gebunden: Der Antragsteller hat das 18. Lebensjahr vollendet. Der Antragsteller ist „zuverlässig und persönlich geeignet“.
Bei der Frage der Zuverlässigkeit geht es im Waffengesetz vor allem darum, ob der Antragsteller wegen einer Straftat verurteilt worden oder Mitglied in einer verfassungsfeindlichen Organisation ist.
Bei der persönlichen Eignung wird geprüft, ob der Antragsteller geschäftsfähig und nicht süchtig oder psychisch krank ist. Der Antragsteller sollte mindestens fünf Jahre in Deutschland leben.
Rechtlich ist der Umgang mit Signal-, Reizstoff- und Schreckschusswaffen im Waffengesetz geregelt. Kaufen kann sie zunächst jeder, der mindestens 18 Jahre alt ist. Und wenn derjenige diese Waffe auch nur bei sich zu Hause einsetzen will, muss er auch gar nichts weiter tun. Um die Waffe aber mit sich führen zu dürfen, ist der Kleine Waffenschein nötig. Jeder Mensch ohne eine kriminelle Karriere wird diesen durch einen einfachen Antrag bei der Kreisverwaltung bekommen (siehe Kasten „Zuverlässig und geeignet?“).
Komplizierter sind die Regelungen für Jäger, Waffensammler und Sportschützen. Sie haben im Allgemeinen keinen Waffenschein, sondern eine Waffenbesitzkarte in Grün, Gelb oder Rot. Der Jäger hat außerdem seinen Jagdschein. Schützen dürfen ihre Waffen schließlich nicht öffentlich führen - dazu berechtigt der Waffenschein -, sondern nur auf dem Schießplatz. Und auch die Jäger müssen ihr Gewehr oder die Flinte außerhalb ihres Reviers im Auto lassen. Wer eine scharfe Schusswaffe stets mit sich führen möchte oder muss, der braucht die grüne Waffenbesitzkarte und den so genannten Großen Waffenschein. Den gibt es im Landkreis Harz exakt einmal - für ein Bewachungsunternehmen. Insgesamt sind kreisweit allerdings 3 221 Waffenbesitzer mit 14 597 Waffen registriert.
In vier Geschäften im Landkreis Harz werden Waffen verkauft - es gibt zwei in Wernigerode und zwei in Harzgerode. Bernd Rabethge, Inhaber des Harzgeröder „Waldläufers“, hat noch keinen auffälligen Run auf Schreckschusspistolen ausgemacht. „Da ist alles normal“, sagt er. „Dafür werden Pfeffersprays stark nachgefragt.“ Während er früher kaum welche verkauft habe, seien es jetzt mehr als ein Dutzend Sprayflaschen pro Woche. Die seien zwar frei verkäuflich, dürften aber legal nur gegen Tiere eingesetzt werden. Rabethge rät zudem jedem, der eine Schreckschusswaffe im Auto mit sich führt, die Polizei bei einer Kontrolle darauf aufmerksam zu machen. Sonst, warnt Rabethge, könne eine Routine-Überprüfung böse enden. (mz)

