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Kita „Eigen-Sinn“ Kinder aus Quedlinburg werden Bewegungshelden

Die Einrichtung hat sich beim Gothaer Verein Symbioun um die Teilnahme beworben. Warum es um mehr als nur um Spiele geht.

Von Susanne Thon 31.03.2022, 15:18
Ihren „Oscar“, ein Modell-Skelett, hat Diana Saupe (r.) immer mit dabei.
Ihren „Oscar“, ein Modell-Skelett, hat Diana Saupe (r.) immer mit dabei. Thon

Quedlinburg/MZ - Ihren „Oscar“ hat Diana Saupe immer mit dabei. Das kleine Skelett-Modell kommt auch heute wieder in der integrativen Kindertagesstätte „Eigen-Sinn“ in Quedlinburg zum Einsatz. Die Yogalehrerin, die auch Kurse für Kinder, Schwangere und Mütter mit ihren Babys gibt, streift Oscars grünes Jäckchen ab. Sie wiederholt mit den Kindern, was sie vor ein paar Tagen über das Knochengerüst gelernt haben. „Es geht auch darum, den Körper kennenzulernen“, erklärt sie. Und es passt insofern, als sie erst vor ein paar Minuten, zum Lied vom Schmetterling, das Geradesitzen – es schont Rücken und Wirbelsäule – geübt haben. Diana Saupe geht seit zwei Wochen in der Kita ein und aus, noch bis Freitag ist die Thüringerin im Haus. Dann sind die Mädchen und Jungen „Bewegungshelden“.

„WOW! – Wir werden Bewegungshelden“ heißt das noch neue, auf Kita- und Grundschulkinder ausgerichtete Bewegungsprogramm des Gothaer Vereins Symbioun. Es ist entstanden infolge der pandemiebedingten Einschränkungen, der Kita- und Spielplatzschließungen und Vereinssportverbote, die Bewegungsmöglichkeiten und Spielräume der Kinder stark eingeschränkt haben. Mit ihm „sollen die Kinder wieder in Bewegung gebracht werden“, sagt Diana Saupe.

Aufholen nach Corona

Die Kita „Eigen-Sinn“ – Träger ist die Stadt Quedlinburg – gehört zu den 73 Einrichtungen, die in der aktuellen Pilotphase teilnehmen. Die Finanzierung ist über ein Programm der Deutschen Kinder- und Jugendstiftung, gefördert vom Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, sichergestellt. Es ist Teil der Aktion „Aufholen nach Corona“ der Bundesregierung.

Die Pandemie hat auch den Alltag in der Einrichtung in der Adelheidstraße ziemlich durcheinandergewirbelt. Zum Beispiel wegen der zwischenzeitlich vorgeschriebenen Kohortenbildung, der räumlichen Trennung in festen Gruppen. Die Einrichtung setzt normalerweise auf offene Gruppenarbeit. Das heißt: Die Kinder hätten zwar ihre Stammgruppen, seien zu den Mahlzeiten und festen Angeboten zusammen, aber darüber hinaus könnten sie sich frei bewegen, erklärt Kerstin Reichel, die stellvertretende Kita-Leiterin das Konzept. Im Haus gibt’s Kreativ-, Spiel- und Bewegungsräume, die von allen genutzt werden. Und genau das funktionierte plötzlich nicht mehr. Hinzu kommt, dass viele Kinder über lange Zeit nicht mehr in der Einrichtung waren. „Um das Sozialgefüge wiederherzustellen, haben wir uns um das Projekt beworben“, erklärt Reichel. Und nach anderthalb Wochen fällt ihr Fazit positiv aus: „Den Kindern macht’s Spaß. Es ist eine Bereicherung.“

Umfasst es doch weit mehr als altbekannte Bewegungs- und Ballspiele. Klar, die täglichen Bewegungseinheiten bilden die Basis. Aber es gehe auch um die Themen Körperwahrnehmung, Rückengesundheit und Koordinationstraining, darum, den Körper beherrschen zu lernen und gleichzeitig die Konzentration zu schulen, erklärt Diana Saupe. Und Entspannungsübungen stehen ebenfalls auf dem Programm.

Auch mit den Mitarbeiterinnen der Einrichtung hat sie schon Yoga-Übungen gegen Stress gemacht. Das gehöre dazu: nicht nur im Auge zu behalten, was die Kinder brauchen, sondern auch die Erzieher. Sie leisteten hervorragende Arbeit, aber es sei eben auch ein anstrengender Beruf, so die Yogalehrerin.

Teamgeist und Fairplay

Die Voraussetzungen, die die Kinder mitbringen, sind ganz verschieden. „Manche sind schon mit drei richtig gut, andere haben mit sechs noch Schwierigkeiten“, die nun spielerisch überwunden werden sollen. Zudem würden Teamgeist und Fairplay gefördert, sagt Diana Saupe. Sie ist inzwischen nach draußen gegangen. Dort warten die nächsten Kinder auf sie. Die haben das mit Fairplay schon verinnerlicht, beantworten die Frage nach den Regeln sogleich mit einem „nicht treten, nicht hauen“; dann schallt ein lautes „Sport frei“ über den Hof. Diana Saupe schmeißt wieder ihre Musikbox an. Und die Mädchen und Jungen wissen schon, was sie machen müssen: winken, den rechten Arm an linkes Knie, den linken Arm ans rechte Knie und Hampelmann … Den „Sportinator“- so heißt das Lied – kennen sie mittlerweile bestens. Und danach messen sie ihre Kräfte in einem Staffelspiel – beim Eierlaufen und Rollerfahren.

Tag der offenen Tür ist geplant

56 Kinder im Alter von zwei bis sechs Jahren besuchen die Kita „Eigen-Sinn“, in der der Name Programm ist. Wie Kerstin Reichel sagt, sei die Förderung der Sinne, der Wahrnehmung, Bestandteil des Konzepts. Neben dem Bewegungsprojekt, das am Freitag mit einer Art Sportfest seinen Abschluss findet, werden auch in den Gruppen verschiedene Themen bearbeitet. Eine befasst sich passenderweise gerade unter dem Titel „Das bin ich“ mit dem Körper, eine andere erkundet die Welt der Zahlen.

Apropos Zahlen: 20 Jahre besteht die Kita unter dem Namen „Eigen-Sinn“ nunmehr. Das soll im Juli mit einem Tag der offenen Tür gefeiert werden. Seit 1999 ist die Einrichtung eine integrative. „Es geht darum, die Kinder dort abzuholen, wo sie stehen“, mit ihren ganz besonderen Bedürfnissen, sagt Reichel.