Hütte baut nicht nur Häuser, sondern auch Menschen auf
QUEDLINBURG/MZ. - Darum ist er besonders stolz, dass vor zehn Jahren in Quedlinburg eine Jugendbauhütte gegründet wurde und von hier aus die Bauhüttenidee ihren Siegeszug antrat. Unterdessen gibt es derer bundesweit neun, ab September kommen drei in Stade und Regensburg sowie die erste Gartenbaujugendhütte dazu.
Bilden und Bewahren
Der Regierungschef gab am Freitag im Palais Salfeldt ein deutliches Bekenntnis zur Jugendbauhütte ab: "Jährlich 20 vom Land geförderte Plätze für die Denkmalpflegeprojekte der Jugendbauhütten werden wir uns auch in Krisenzeiten leisten können." Immerhin hätten dadurch seit 1999 aus Sachsen-Anhalt 200 Jugendliche an den Bauhüttenprojekten mitgewirkt. Damit sei viel für die Bewahrung des historischen Erbes passiert. "Gleichzeitig unterstützen wir so wichtige Bildungsangebote für Heranwachsende."
Böhmer beeindruckt die Haltung jener Mitglieder in den Dombauhütten des Mittelalters, die an Bauten arbeiteten, deren Fertigstellung sie nicht mehr erlebten. Und mit Blick auf die Gegenwart fügte er hinzu: "Heute sind ja die Gremien quälenden Phasen länger als die Bauzeit." Wolfgang Böhmer faszinierte beim Gang ins Palais der Stand der Schmiede einer Jugendbauhütte mit der glühenden Kohle besonders - und er schwärmte von seiner Kinderzeit. "Mein Großvater war ja Schmied und ich hatte bei ihm als Kind einen Amboss. Das Schmieden hat mir eigentlich Spaß gemacht. Doch irgendwann meinte mein Opa zu meiner Mutter, als Schmied sei ich zu schmal auf der Brust und riet ihr, mich Schulmeister werden zu lassen. Zum Aktentaschen tragen würde es reichen."
Für Gottfried Kiesow, Vorsitzender der Deutschen Stiftung Denkmalschutz, gelten die Jugendbauhütten als Erfolgsstory. Quedlinburg sei die erste Gaststadt gewesen, die eine Hütte aufnahm und ihr aus dem Treuhandvermögen das Haus Pölle 5 zur Verfügung stellte. Die großherzige Spende des Ehepaares Linhard ermöglichte eine Wohnheimfinanzierung für die Bauhüttler. "Sie gaben der Hütte eine Hütte", erzählt Ann-Katrin Preuschoft, Geschäftsführerin des wichtigsten Partners der Bauhütten, den Internationalen Jugendgemeinschaftsdiensten (ijgd).
Sichtlich bewegt erlebten Brigitte und Hans Linhard mit, welche Früchte ihr Engagement trägt. "Genau damit bereiten sie auch uns viel Freude. Es ist wunderschön, miterleben zu dürfen, wie die Projekte wachsen."
Mehr als ein Zwischenparken
Für Quedlinburgs Bürgermeister Eberhard Brecht ist das freiwillige Jahr in der Denkmalpflege, das rund 1400 junge Leute in den Jugendbauhütten ableisteten, "mehr als ein Zwischenparken von Humankapital". Hier werden Fachkenntnisse am Häusern aus sieben Jahrhunderten vermittelt, es gehe um Werteorientierung und interessante Projekte. Die Quedlinburger seien stolz auf die Goldstraße 25, das Gartenhaus von Klopstock und darauf, das künftig der Kürassierhof gestaltet werde. Und, mal ehrlich, Quedlinburg ist Provinz. Da erweist sich der Kontakt zu jungen ausländischen Mitbürgern von der Jugendbauhütte durchaus als produktiv.
Die ijgd-Geschäftsführerin für Sachsen-Anhalt und Thüringen, Ann-Katrin Preuschoft, zählt auf, was das freiwillige Jahr in der Denkmalpflege alles für die jungen Leute bringe: Selbstfindung und das Gefühl gebraucht zu werden, das Erlebnis, mit anderen Menschen etwas zu schaffen. Dazu helfe die Zeit bei der Berufsfindung.
Im Metier geblieben
Carmen, eine der Jugendbauhüttler, wollte Restauratorin werden. Doch diese Arbeit sei nicht allein glänzend und schön, sondern mit Polieren und Schleifen verbunden, Geschick und Ausdauer seien nötig. Carmen wurde schließlich Kosmetikerin. "Und blieb damit im Metier der Oberflächenbehandlung", ergänzt Ann-Katrin Preuschoft schmunzelnd.
Sie zitierte auch aus den Erinnerungen der Niederländerin Anja Wibbeke. Die 24-jährige Teilnehmerin der Quedlinburger Jugendbauhütte arbeitete 2002 / 2003 im Deutschen Fachwerkzentrum. Die Diplomarbeit an der Kunstakademie Maastricht hatte sie verhauen, mut- und kraftlos brauchte sie eine Auszeit. Sie lernte in Quedlinburg das Vermessen und engagierte Kollegen kennen. Sie fand ein neues Diplomarbeitsthema und ihre eigene Würde wieder. Und ihre Quedlinburger Freunde vermisst sie sehr. Ihr Fazit: "Die Jugendbauhütte baut nicht nur Häuser, sondern auch junge Leute (wieder) auf!"