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«Holzwürmer» in vierter Generation

Von Detlef Anders 03.04.2007, 13:21

Harzgerode/MZ. - Treppen, Türen, Schränke, Tische, mit Holz verkleidete Wände und sogar ein Vogelhaus, sind beim Blättern in der Fotomappe mit Arbeitsbeispielen der Firma Beilecke zu sehen. Das Arbeitsfeld der Harzgeröder ist groß. "Das Vogelhaus haben wir für eine Rentnerin gemacht, die gern Vögel beobachtet", berichtet Horst Beilecke schmunzelnd.

Existenzgründerkurs

Der 60-jährige Firmenchef hat sich 1994 nach dem Besuch eines Existenzgründerlehrgangs in der alten Werkstatt seines Großvaters selbständig gemacht und war damit etwas überraschend in die Fußstapfen seiner Vorfahren getreten. Er selbst hatte nämlich nie hier gearbeitet. Nachdem die Tischlerei seines Vaters in den fünfziger Jahren Teil einer Produktionsgenossenschaft des Handwerks (PGH) wurde, war der Familienbetrieb aus allen Fugen geraten. Doch der Reihe nach:

Der 1881 geborene Firmengründer Friedrich Beilecke, dessen Vater ebenfalls Tischler war, hatte in seinem Wohnhaus an der Ecke Augustenstraße eine kleine Tischlerei eröffnet. Nur zwei Räumen reichten in den ersten 20 Jahren. Weil die Auftragslage stieg, wurde 1928 die heute noch genutzte Werkstatt gebaut und mit modernsten Maschinen ausgestattet. Der Tischlermeister hatte sich einen guten Namen bei den Harzgerödern gemacht. Viele ließen sich ihre Schlafzimmer hier bauen. Manche Küchenbüffets und Wohnzimmerschränke stehen heute noch in Harzgeröder Gartenlauben, Werkstätten oder Wohnungen, hat Horst Beilecke in den Jahren seiner eigenen Selbständigkeit erfahren. Doch auch Fenster, Türen, Tore und Treppen wurden damals schon angefertigt.

Per Rad zum Bau

Am 23. August 1946 übernahm der Sohn, der ebenfalls Friedrich hieß, das Geschäft mit den damals fünf Mitarbeitern. Zusammen mit seinem Vater führte er es bis in die Genossenschaftszeit und vermittelte auch seinem erstgeborenen Sohn, erneut ein Friedrich, das Wissen. "Ich bin Friedrich der Dritte", erklärt der Bruder des heutigen Firmenchefs, der die Tischlerei ursprünglich übernehmen sollte und von der Arbeit seines Vaters und Großvaters noch manches erzählen kann. "Wir hatten hier ein Sarglager", erinnert er sich an eine Besonderheit der Bau- und Möbeltischlerei. Auch daran, dass die Fenster mit Pferdegespannen in die umliegenden Dörfern gebracht wurden und die Gesellen mit dem Fahrrad zu den Baustellen fuhren.

Eine der größten Baustellen sei das Kurhotel Meves in Mägdesprung gewesen, das in den vierziger Jahren komplett mit neuen Fenster ausgestattet wurde. Bis heute sind sie dort.

Mit dem Anschluss an die PGH bekamen Beileckes, die die Maschinen in die PGH eingebracht hatten, einen neuen Chef. In der Weidenstraße wurden vor allem Systemschränke gebaut, die der Vater entwickelt hatte. Andere Tischlereibetriebe der PGH übernahmen den Fensterbau. Bis zum Neubau der PGH wurde in der Weidenstraße produziert. Doch Beileckes waren bereits Mitte der sechziger Jahre aus der Genossenschaft ausgestiegen. "Es gab Lohnzwistigkeiten", erinnert sich Friedrich "III." Während "Friedrich II." zur Firma Plastopack ging, war er 26 Jahre bis zur Wende im DKW Betriebstischler und anschließend noch ein Jahr bis zur Rente Lehrausbilder im VHS Bildungswerk Quedlinburg.

Horst Beilecke hatte nicht mehr in Harzgerode lernen können. Er wurde in Sangerhausen Möbeltischler und studierte anschließend bis 1970 Holztechnik in der Fachrichtung Bau und Möbel. Danach arbeitete Horst Beilecke im Gernröder Betrieb der Holzindustrie Halberstadt, in dem Falttüren produziert wurden, und ab 1983 bei Plastopack als Technologe.

Mit der Firmenneugründung wurden viele der alten mitunter noch mit Transmissionsriemen angetriebenen Maschinen, an denen Bruder und Vater auch nach dem Auszug der PGH nach Feierabend oft arbeiteten, durch moderne Technik ersetzt. Nur die alte Bandschleifmaschine, die in den dreißiger Jahren Weltspitze war, ist, abgesehen von arbeitsschutzgerechter Nachrüstung, noch original im Dienst.

Handwerkerqualität

Der Zwei-Mann-Betrieb in der Weidenstraße soll als Familienbetrieb weitergeführt werden. Sven Beilecke (34), der in der Rinkemühle Holzmechaniker gelernt hatte und seit 1994 bei seinem Vater arbeitet, hat vor einigen Jahren seinen Meister gemacht. Vorerst sitzt aber noch der Vater hinter seinem Meisterstück, einem großen aufwendig gearbeiteten Schreibtisch. Obwohl die wirtschaftliche Lage schwierig ist und Möbel meist industriell gefertigt werden - Sven Beilecke ist Optimist. "Ich denke, Qualität setzt sich durch. Wir werden am Ende Dienstleister sein."

Reparaturen, Glaserarbeiten und Trockenbau ergänzen heute die althergebrachten Arbeitsfelder der Herstellung von Möbeln sowie Fenster, Treppen und Türen nach alten Normen. Durch den Kauf der Nachbargrundstücke in der Augustenstraße sollen die derzeit beengten Platzverhältnisse irgendwann auch einmal verbessert werden. Und vielleicht kommt ja auch noch Friedrich IV. in den traditionsreichen Harzgeröder Tischlerbetrieb.