Hochwasser an der Selke Hochwasser an der Selke: Überschwemmungsgebiete sollen festgesetzt werden

Reinstedt/Falkenstein/Harz - Dieser Tage hat Ortsbürgermeister Wolfgang Tiebe die Anfrage einer Reinstedter Bürgerin erreicht: Ihr Sohn kann einen Arbeitsplatz in der Region bekommen, will nach Reinstedt zurückkehren und sucht daher ein Haus im Ort. Die Frau hatte auch schon einige Ideen für mögliche Objekte. So sehr sich der Ortsbürgermeister freut, wenn sich Interessenten für unbewohnte Grundstücke melden - doch bei ihnen könnte es schwierig werden, eine Baugenehmigung zu erhalten.
Hintergrund ist der vom Landesverwaltungsamt vorgelegte Verordnungsentwurf zur Festsetzung des Überschwemmungsgebietes der Selke. Tritt dieser in Kraft, sagt Tiebe, „kann ich die Fassade renovieren, alles machen, wenn ich den umbauten Raum nicht verändere“. Doch wenn zum Beispiel ein Wintergarten oder ein Kinderzimmer angebaut werden soll, werde es schon schwieriger.
Kaum Spielraum um auszuweichen
Mit den Karten zum Verordnungsentwurf werden jene Flächen ausgewiesen, die bei einem extremen Hochwasser, wie es statistisch gesehen nur alle 100 Jahre auftritt, überflutet werden. Tritt die Verordnung in Kraft, werden die Errichtung oder Erweiterung von Bauten zugelassen, wenn sie den Wasserstand und den Abfluss bei Hochwasser nicht nachteilig verändern. So regeln es die Schutzvorschriften für festgesetzte Überschwemmungsgebiete im Wasserhaushaltsgesetz, dem die ausgewiesenen Flächen dann unterliegen.
„Das hat Folgen“, sagt Klaus Wycisk, Bürgermeister der Stadt Falkenstein/Harz, in der für die drei Selke-Orte Reinstedt, Ermsleben und Meisdorf solche Überschwemmungsgebiet-Karten durch das Landesverwaltungsamt erarbeitet worden sind. Wenn mit Inkrafttreten zum Beispiel für den Bau von Gebäuden die Dringlichkeit nachgewiesen werden muss, „klingt das vernünftig und sinnvoll“, sagt der Bürgermeister, schiebt jedoch gleich nach: „Aber in Orten, wie wir sie gewachsen an der Selke haben, zum Teil mit engen Talabschnitten, gibt es nicht viel Spielraum, um auszuweichen.“
Wohnhäuser und industrielle Bauten seien zu Zeitpunkten entstanden, wo man es mit solchen klimatischen Veränderungen, wie es sie jetzt gebe, noch lange nicht zu tun gehabt habe. Tritt die Verordnung in Kraft, müssen für jede bauliche Erweiterung - „und wenn sie noch so klein ist“ - die Fragen des Wasserhaushaltsgesetzes beantwortet werden, wie beispielsweise die Gewährleistung der Abflussfreiheit, erläutert der Bürgermeister. „Das hat auch zur Folge, dass wir erhebliche Einschnitte für die Bevölkerung in den Grundstücksmarkt bekommen. Es kann passieren, dass Wohngrundstücke darunter leiden, weil sie nicht so weiterentwickelt werden können, wie das sonst üblich ist.“
„Das Schlimme ist“, fasst Wycisk zusammen, „dass die Entwicklungsmöglichkeiten der Orte eingeschränkt werden. Es ist nicht so, dass nicht gebaut werden kann. Aber gebaut werden kann nur mit einem Kraftaufwand, wo der eine oder andere sich das überlegen wird. Und wir wollen je gerade wegen des demografischen Wandels junge Leute ansprechen, sie für ältere Gebäude interessieren und dafür gewinnen, innerörtlich attraktive Wohnstätten zu schaffen.“ Dass dies gelingen könne, diese große Hoffnung habe die Stadt. „Wir haben so viele Anfragen nach Wohngrundstücken wie schon lange nicht mehr.“
Festsetzung befindet sich noch im Verfahren
Derzeit, sagt der Bürgermeister, befindet sich die Festsetzung des Überschwemmungsgebietes noch im Verfahren: Die Unterlagen seien öffentlich ausgelegt, jeder Bürger habe das Recht, sich dazu zu äußern. In Reinstedt werden laut Entwurf etwa drei Viertel der Ortslage in dem Gebiet liegen, sagt Wolfgang Tiebe. Nachdem sich für die vom 1994er Hochwasser betroffenen Grundstückeigentümer bereits die Versicherungskosten erhöht hätten, sei dies eine weitere Folge davon, dass es noch immer keinen Hochwasserschutz gebe, so Tiebe.
Eine Änderung bei den Überschwemmungsgebieten, wie sie jetzt ausgewiesen werden sollen, wird es erst geben, wenn Maßnahmen getroffen wurden, die eine Überschwemmung der Flächen verhindern, sagt Klaus Wycisk. (mz)
