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Harz Harz: Wo das Spinnen und Flechten Alltag sind

Von PETRA KORN 30.11.2010, 16:47

NEUDORF/MZ. - So eine richtig klassische Werkstatt, die gibt es im Zuhause von Jörg Büchel und seiner Frau Kirsten im alten Pfarrhaus in Neudorf nicht. "Ich arbeite an verschiedenen Orten, und möglichst viel mache ich im Freien", zeigt Jörg Büchel beispielsweise den Korbflechtarbeitsplatz, der unter einem kleinen Anbau auf der Hofseite seinen Platz gefunden hat, oder den Schmiedearbeitsplatz ein paar Meter weiter.

Flechten, schmieden, dazu Besen binden, töpfern, spinnen, filzen, Steinmetzarbeiten. . . - die Büchels haben sich ganz der historischen Handwerkskunst verschrieben. "Es ist eine Herausforderung, wenn man sich mit vielen verschiedenen Materialien beschäftigt. Holz, Stein, Ton - jedes Material wird anders bearbeitet. Und wenn man sich das empirisch aneignet, ist es auch eine Entdeckungsreise", beschreibt Jörg Büchel.

Interessiert an Geschichte und Archäologie und seit 17 Jahren ehrenamtlicher Bodendenkmalpfleger, hatte der Neudorfer bereits Zugang zu altem Handwerk - Handwerk, das "man irgendwann selbst ausprobiert".

Bei Jörg Büchel begann das vor gut zwei Jahren. "Wir hatten viele schöne alte Körbe, von denen so mancher kaputt gegangen war. Und da habe ich angefangen, mich mit Flechtarbeiten zu beschäftigen und zu flechten." Und nachdem dann die selbst geflochtenen Körbe, welche erstmals auf dem Neudorfer Weihnachtsmarkt angeboten wurden, großen Zuspruch fanden, es sogar erste Bestellungen gab, meldeten Kirsten und Jörg Büchel ein Gewerbe an.

Neben dem Flechten von Körben verschiedener Größen und Formen, für welches Jörg Büchel längst nicht mehr nur Weidenruten, sondern beispielsweise auch Sumpfgräser "teils in Techniken, die schon vor mehr als 3 000 Jahren angewandt wurden", verarbeitet, werden auch selbstgebundene Besen gefertigt. Mit Hilfe der alten Töpferscheibe, die dem ehemalige Pfarrer gehört hatte, entdeckte der Neudorfer auch das Töpfern für sich und baute sich dafür selbst einen Brennofen. In der alten Feldschmiede werden Schmiedearbeiten gefertigt, und auch die Malerei, gehört zu den Gebieten, auf denen Jörg Büchel künstlerisch tätig ist. "Vorwiegend Zeichnungen, Pastellkreiden", weist er beispielsweise auf so entstandene Karten, die, ebenso wie viele andere Handwerkskunstprodukte im Hofladen mit Galerie erhältlich sind, den die Büchels in diesem Jahr in der ehemaligen Scheune eingerichtet haben.

Jörg Büchels neuestes Projekt ist übrigens die Bearbeitung von Sandstein. "Man versucht sich an vielen Sachen, die einen interessieren. Und wenn es gelingt und auch die Nachfrage da ist, dann macht man auch weiter", so der 45-Jährige. Seine Frau Kirsten teilt diese Leidenschaft für das alte Handwerk, arbeitet hier auch mit, zieht aber das Spinnen oder Filzen vor. "Steinmetzarbeiten sind aber auch sehr schön", ergänzt die 41-Jährige schmunzelnd.

Doch nicht nur auf dem heimischen Hof in der alten Pfarrei, wo die beiden zu allen Handwerkstechniken auch Kurse angebieten, können Interessenten Kirsten und Jörg Büchel zusehen. Präsent sind sie auch auf Mittelalter- oder Traditionsmärkten, wie beispielsweise jetzt zum Advent in den Höfen im Abtshof. "Uns geht es in erster Linie um das Vorführen des Handwerks", unterstreicht Jörg Büchel, "es gibt im Umkreis von vielen Kilometern keine Korbflechter oder Besenbinder mehr." Die beiden Neudorfer wollen zeigen, wie die Menschen früher gearbeitet haben. "Und dass sie das, was sie hergestellt haben, mit mehr Bedacht gemacht und auch überlegt haben, was man mit den Abprodukten noch machen kann", weist Jörg Büchel zum Beispiel auf die Mini-Handbesen, entstanden aus Materialresten für die Fertigung der großen Besen.