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Harz Harz: Osterfeuer-Enthusiast tritt ab

Von Rainer Marschel 09.04.2012, 16:51

Stecklenberg/MZ. - Zwei Mal sollte es sogar zu einem Eintrag ins Guinessbuch der Rekorde reichen. Das war 1997 (mit 22,60 Metern von 1996) und nochmals 2000 (mit über 34 Metern von 1999) der Fall. Dieser Rekord wurde mit etwa 25 Metern an diesem Ostersonnabend zwar deutlich unterschritten. Aber gewaltig war es trotzdem. Vom anschließenden Feuerwerk des Gernröders Bodo Backe ganz zu schweigen. Er wie auch der Ortsbürgermeister sind auch diejenigen, die den maßgeblichen Anteil daran haben, dass das kleine Stecklenberg von den Traditionalisten im Harzkreis am Ostersonnabend alljährlich zu Recht "gestürmt" wird.

Der Ortsbürgermeister kann auf eine feste Fangemeinde zählen. Allerdings käme der Mann mit eigenem Ingenieurbüro allein auch nicht wirklich weit, gäbe es da nicht dutzendfache Unterstützung von Firmen und Feuerwehr. Mehrere Stecklenberger Kameraden hatten sogar, extra zur Vorbereitung des Osterfeuers, eine Woche Urlaub genommen. Ein Enthusiasmus, der vielleicht nur mit jenem in Hasselfelde vergleichbar ist. Dort gibt es den einzigen eingetragenen Osterfeuer-Verein. Für Rainer Krause, der im Dezember 60 wird, war es das letzte Osterfeuer, das er organisiert hat: "Wenn es am schönsten ist, soll man aufhören. Irgendwann muss mal Schluss sein." Es fällt ihm sichtlich schwer, aber dann wirkt er doch auch wieder erleichtert: "Es wird immer schwerer, im Wald Brennmaterial zu finden. Wäre nicht die Feuerwehr, hätten wir zudem auch ein handfestes personelles Problem gehabt. Mit 60 muss ich auch nicht mehr in 25 Metern Höhe rumturnen. "

In diesem Jahr hat sich das Rainer Krause tatsächlich noch einmal zugemutet. Rückblende: Es ist der Donnerstag vor Ostern. Ein riesiger Autokran mit einem 44 Meter langen Ausleger hievt eine Fichte in die Mitte des ohnehin schon hohen Holz- und Reisighaufens. Zusammen dürfte man damit 2012 eine Höhe von etwa 30 Meter erreicht haben. Krause selbstbewusst und mit einem Augenzwinkern: "Wir sind immer höher als die Hasselfelder. Da wette ich mit Ihnen." Sagt's, während der "Manitu" hinter ihm das Reisig zusammenschiebt. Motto: Ein riesiger Durchmesser zählt nicht. Es geht ausschließlich um die Höhe. Ganz oben an der Spitze des gewaltigen Baumes wird eine 2,5 Meter hohe Puppe befestigt, auf deren Kopf eines der Feuerwerke montiert ist. Nur ein paar Meter darunter klettert der Feuerwerker aus Leidenschaft herum und befestigt mit dünneren Baumstämmen die viel mächtigere Fichte. Die ersten paar Meter Auf- und Abstieg spart sich der Ortsbürgermeister jeweils, indem er sich in die Schaufel eines Baggers hockt und ein Stück weit nach oben beziehungsweise unten hieven lässt.

An der eigentlichen Fichte aber muss dann doch geklettert werden. Krause geht, wie immer, höchst unkonventionell zu Werke: "Der Mann schreckt vor nix zurück", fasst es ein Zaungast zusammen, der sich Tage vor dem Ostersonnabend schon einmal ein Bild von dem regen Treiben auf dem privaten Weideland des Ortsbürgermeisters macht. Derweil wuselt der "Zündler vom Dienst", wie ein Dirigent, scheinbar überall gleichzeitig um den allmählich anwachsenden Reisighaufen herum. Die Befestigung des Feuerwerkes am Kopf der Puppe ist beschädigt - Krause schweißt selbst alles zusammen. Er kommandiert das halbe Dutzend Radlader, Bagger oder die Lkw, die immer noch mehr Holz heran karren. Fehlt Werkzeug, weiß Krause, wo was liegt oder er holt es binnen Minuten einfach selbst von zu Hause ab.

Schwer vorstellbar, wie Stecklenberg künftig sein Osterfeuer auch nur annähernd so perfekt vorbereiten will. Der Ortsbürgermeister wird in genau einem Jahr selbst nur noch Zuschauer sein. Aber mal abgesehen davon. Auch wenn es für das jeweils größte Osterfeuer im Harz viele Firmen und Sponsoren gibt, verursacht das beliebte nächtliche Ereignis doch erhebliche Kosten. Krause: "Das ist alljährlich eine hohe vierstellige Summe." Auf die Frage, wer denn das Ganze bezahlt: "Na ich!" Nachgehakt, ob er denn etwa 90 Prozent davon trägt: "Nein, mehr!"

Befragt danach, wie viele Besucher es in diesem Jahr wohl gewesen sein werden, verblüfft der Ortschef mit einer erstaunlichen Formel: "Wir sperren immer 30 Meter vom Feuerfuß mit einem Durchmesser von 100 Metern ab. Wenn ich das mal Pi (3,14) rechne, sind das 314 Meter. Wenn ich dann pro Meter Flatterband mindestens einen hinstelle, komme ich auf 300 Leute allein in der ersten Reihe, wahrscheinlich sogar mehr. Also unterm Strich sind es demnach immer so 2 500 Gäste insgesamt. Mit Muss!" Andere Stecklenberger dürften diese Zahl auch am letzten Sonnabend wieder für eher untertrieben halten.

Krause erinnert sich an die kuriosen Anfänge der Osterfeuertradition: "Bei unserem ersten unter meiner Regie 1996 sind wir förmlich überrannt worden. Im Radio war nach Verkehrsstaus zu einem weitläufigen Umfahren von Stecklenberg geraten worden. Unsere Trachtengruppe hatte mich gefragt, ob sie ein paar Fischbrötchen verkaufen könnten. Um halb acht hatten sie den Stand aufgemacht. Fünf Minuten später waren sie alle weg. Die 20 Kästen Bier der Feuerwehr reichten auch nur für 30 Minuten. Deren 100 Grillwürstchen hatten da ebenfalls längst ihre Abnehmer gefunden." Schon ein Jahr später habe man das deutlich professioneller organisiert. Doch der Anfang sei "schlicht chaotisch" gewesen.

Auf die Frage, wer sein Nachfolger wird, meint der Orts-Chef: "Bis jetzt hat noch keiner hier gerufen!" Das allerdings scheint nur bedingt zu stimmen, da die Stecklenberger Feuerwehr in die Bresche springen wird. So jedenfalls Wehrleiter Patrick Müller auf Nachfrage. Auch der örtliche Schützenverein, der Harzklub sowie die Kameraden aus Neinstedt wollen dabei mithelfen.